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WISSENSDURST/017: Himmelsleiter Wissenschaft - Das Rad, eine Erfindung? (SB)


Himmelsleiter Wissenschaft - Das Rad, eine Erfindung?


Ben und Stefan - Buntstiftzeichnung: © 2012 by Schattenblick

Grafik: © 2012 by Schattenblick

Stefan und Ben radelten durch den Schlosspark, um zum Marktplatz zu gelangen. Dort wollte Stefan frisches Gemüse für seine Mutter einkaufen. "Ich denke mal, dass dein Onkel mit der Erfindung des Rads nicht das Fahrrad gemeint hat ...", überlegte Stefan laut.

Ben: "Nee, das glaube ich auch nicht. Aber seit ein paar Tagen versuche ich mir vorzustellen, wie Menschen wohl auf die Idee gekommen sein könnten, ein Rad, also ein rundes Etwas, zu erfinden."

Stefan: "Und, hast du einen Vorschlag?"

Ben: "Nein, nicht wirklich. Vielleicht haben sie einen umgefallenen Baum zersägt, aber, nein, dann hätten sie Sägen gebraucht ..."

Stefan: "... die sind wohl erst nach dem Rad erfunden worden, oder?"

Ben: "Das weiß ich auch nicht. Also, versetzen wir uns mal in die Lage unserer Ururururururururur...-Ahnen, in die Zeit, wo es Feuer, aber noch kein Rad gab."

Stefan: "Ja. Wir sitzen also vor unserem Feuer und ..."

Ben: "Apropos sitzen, lass uns schnell die Einkäufe auf dem Markt erledigen und uns dann in Ruhe an den Brunnen setzen. Dann können wir bestimmt besser überlegen, als beim Radfahren."

Stefan: "Gute Idee!"

Beide traten kräftig in die Pedalen, erreichten den Markt, kauften ein und lümmelten sich dann gemütlich vor den Brunnen, dessen Rand ihnen als Rückenlehne diente. Sie stellten den Korb mit dem Gemüse vor sich hin, schnappten sich jeder eine Karotte und kauten genüsslich darauf herum. "Also, wir sitzen vor unserm Feuer ...", nahm Stefan den Gedanken von vorhin wieder auf, "und dann, wie kommen wir darauf, ein Rad zu erfinden?"

Ben: "Stefan, sieh da, siehst du das?" Dabei zeigte er auf ein kleines Gurkenfässchen, das von einem Marktstand ein Stück auf das Straßenpflaster rollte. Stefan nickte und sah Ben fragend an.

Ben: "Nun, Zeitreise zurück. Ein Baum fällt um und rollt einen Hang hinab. Wir sehen das, laufen hinterher und im Tal bleibt der Stamm liegen. Wir untersuchen das, stellen uns auf den Stamm und rollen ihn vorwärts ..."

Stefan: "Du meinst, das zum Transport von Lasten zunächst ganze Baumstämme benutzt worden sind?"

Ben: "Könnte doch sein. Eine Hütte haben wir schon, ein Feuer auch und Tiere, die wir am Haus halten, Getreide, das wir gepflanzt haben ..."

Stefan: "Klar, aber warum sollten wir das fortschaffen wollen?"

Ben: "Tja, dafür gibt 's eigentlich keinen Grund, hmmm?! Weißt du was, Stefan, ich rufe Onkel Dirk an und frage ihn, ob er noch mal Zeit für uns hat. Was meinst du?"

Stefan: "Ja. Wir treten etwas auf der Stelle. Ich habe das Gefühl, wir haben irgendetwas nicht bedacht."

*

Drei Tage später fanden sich Stefan und Ben bei Herrn Dirk Jonson ein. Nachdem sie es sich bequem gemacht und ihm alles berichtet hatten, sahen sie ihn erwartungsvoll an.

Herr Jonson: "Also, zunächst mal schicke ich vorweg, dass schon im 5. Jahrtausend v. Chr. Menschen aus der Umgebung des Indus (Fluss, Indien, Pakistan) bereits die Töpferscheibe erfunden hatten. Ein Rad, wenn ihr so wollt, eher eine Scheibe, die um eine feste Achse gedreht wurde. Bei der Herstellung dieser Töpferscheibe benutzte man damals noch Steinwerkzeuge. Aber das Rad als Teil eines Transportgerätes wird erst später entwickelt.

Ben: "Das ist, nun, ja, ... beeindruckend und irre lange her."

Herr Jonson: "Aber, ich glaube, dass es nicht möglich ist, es so im Detail zu rekonstruieren, wie Menschen auf die Idee kamen, ein Rad zu bauen. Dennoch kann ich mir vorstellen, dass einerseits ein Erfordernis entstand, andererseits eine Möglichkeit, ihr gerecht zu werden."

Er erntete verständnislose Blicke von seinen Gästen. Natürlich bemerkte er es und fügte hinzu: "Ich versuche es zu veranschaulichen. Es wäre denkbar, dass die Menschen - nun an ihre Hütte und das Feuer gebunden - neue Überlegungen anstellen mussten, wie sie ihre Versorgung mit Nahrungsmitteln bewältigen konnten. Tiere, die sie einst gejagt hatten, wurden neben ihrer Hütte in kleinen Herden zusammengetrieben und in einer Umzäunung gehalten. Sie konnten sich vermehren und dem Bedarf entsprechend geschlachtet werden. Nun gab es außer unserer kleinen Menschengruppe bestimmt noch andere, die ähnliche Erfahrungen machten und ähnlich handelten. Mag sein, dass so die ersten Ansiedlungen entstanden. Jede kleine Gemeinschaft hätte für sich bleiben können. Die Frage bleibt: Wozu sollten sie sich für ein Transportmittel interessieren?"

Ben: "Wie wäre es damit: Wenn sie ein großes Tier erlegt hatten, und es kaum zu ihrer Hütte hin tragen konnten ... - sie hätten das Tier auf Baumstämme legen können und die dann rollen ..."

Stefan: "Genau. Dann nimmt man den hinteren Stamm und legt ihn wieder nach vorn, und immer so weiter. So schiebt man die schwere Beute auf "Rollen" vorwärts und muss sie nicht tragen."

Herr Jonson: "Keine schlechte Idee. Es gibt Vermutungen darüber und Hinweise darauf, dass auf die Weise, die du eben beschrieben hast, vor ca. 4000 - 5000 v. Chr. schwere Felsbrocken transportiert wurden. Allerdings nur über kürzere Strecken und einem gut vorbereiteten Untergrund. Der musste vorzugsweise ziemlich platt sein. Einige Wissenschaftler nennen die sumerische Kultur als Ursprung der Raderfindung. Doch mittlerweile gibt es Funde bzw. Darstellungen von Wagen und Rädern aus Mitteleuropa und Osteuropa. Auch aus Mesopotamien. Sie stammen ungefähr aus der Zeit des 4. Jahrtausends v. Chr. Man kennt aber keinen Erfinder oder keine Erfinder. Wahrscheinlich wurde das Rad von mehreren Menschen zu verschiedenen Zeiten an verschiedenen Orten dieser Welt erfunden und ...", Herr Jonson machte eine Pause, "... erst viel später als die Entdeckung und Nutzung des Feuers!"

Ben: "Wenn das Rad so viel später erfunden wurde, gab es doch bereits Ansiedlungen und vielleicht sogar kleine Städte mit Marktplätzen und so?"

Stefan: "Dann hätten die Menschen bestimmt einen Grund gehabt, ein Transportmittel zu erfinden. Sie wollten ihre Waren von ihrem Dorf, ihrer Hütte fortschaffen, um sie anderswo zu tauschen oder zu verkaufen."

Ben: "Nee, warte mal, da stimmt etwas nicht. Nur weil es andere Märkte und Städte gibt, zieht man doch nicht los, um etwas zu tauschen ..."

Stefan: "Du meinst, sie brauchen einen Grund, um sich auf den Weg zu machen ...?"

Ben: "Genau. Dir muss erst mal etwas fehlen, damit du versuchst es zu bekommen. Vielleicht siehst du Tongefäße, Schalen oder Krüge, die du gut gebrauchen könntest. Selbst hast du keine, aber dafür schöne Tierfelle oder was weiß ich."

Stefan: "Ich verstehe schon. Dass dir etwas fehlt, dass es dir an etwas mangelt, ist der Beweggrund für dich, danach zu suchen und letztlich auch der Grund für Tauschen oder Handeln."

Ben: "Ja. Wenn alle alles hätten, wozu sollten sie sich denn auf den Weg oder auf die Suche begeben? Wozu sollten sie sich über Transportmöglichkeiten Gedanken machen?"

Herr Jonson: "Mit euren Überlegungen liegt ihr gar nicht so daneben. Also, noch mal zurück in der Zeit: Wahrscheinlich hat man zunächst Baumstämme als Rollen unter schwere Lasten gelegt, um so den Transport zu erleichtern. Später wurde der Baumstamm in Scheiben gesägt und mit der Erfindung der Achsen konnte die erste tragfähige Fläche, (Holzplatte auf Rädern) als Transportmittel eingesetzt werden - der erste Wagen war entstanden. Das Schieben oder Ziehen dieses Wagens wurde sowohl vom Menschen, als auch vom Tier bewältigt. Zwei wichtige Erfindungen waren also: das Feuer und das Rad! Bis in die heutige Zeit gelten diese beiden als das Fundament aller Erfindungen. Die Prinzipien von Radbewegung (als Antrieb) und Feuer (als Energiequelle) finden sich in den technischen Konstruktionen wieder. Hinzu kommt noch der Einsatz des Hebels und dann gab es beim Erfinden von Mechaniken und Maschinen kein Halten mehr."

Ben: "Das ist doch alles ziemlich genial, muss ich schon sagen."

Stefan: "Ja, so auf den ersten Blick. Aber ich denke gerade daran, dass diese Erfindungen dazu führten, dass viele Menschen ihre Arbeit verloren haben, weil ihre Aufgaben von Maschinen übernommen wurden - und, dass die Umwelt vergiftet und zerstört wurde."

Herr Jonson: "Lasst uns noch einmal einen Zeitsprung, diesmal nach vorn, unternehmen. Die Dampfmaschine steht am Beginn der sogenannten 'Industriellen Revolution'. In dieser Maschine sind das Rad, das Feuer und der Hebel vereint und wirken zusammen. Ob es sich bei dieser Erfindung um einen Segen oder einen Fluch handelt, lohnt sich zu untersuchen. Ich behaupte mal, dass nicht die technische Erfindung für sich genommen schlecht ist, sondern die Art wie und wozu sie von den Menschen benutzt wird."

Ben: "Du meinst, wir sollten uns das Ding mal genauer anschauen?"

Herr Jonson: "Na, ja. Für eure anfängliche Fragestellung ist das auf jeden Fall hilfreich."

Stefan und Ben sahen sich an und mit einem lang gezogenem "Okaaay" legten sie sich auf ihr neues Projekt fest.

Fortsetzung folgt ...



5. März 2014