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WISSENSDURST/037: Klimawandel und warum - Gletscherschmelze, viele Fragen ... (SB)



Ben und Stefan - Buntstiftzeichnung: © by Schattenblick

Grafik: © by Schattenblick

Stefan und Ben hatten Gelegenheit mit der Glaziologin Karin, einer Eisforscherin, zu sprechen, die sich mit dem Abschmelzen des Grönlandeises befasst. Da die beiden noch eine Menge Fragen an sie hatten, vereinbarten sie ein weiteres Treffen.

Ben hatte schon alles vorbereitet und sogar selbst einen Tee zubereitet und Kekse auf den Tisch gestellt. Stefan war viel zu früh angekommen und hatte einige Ausdrucke und zwei Bücher über Grönland mitgebracht, in denen beide gerade blätterten, als es an der Tür klingelte.

Ben: "Guten Tag Karin, schön, dass du gekommen bist. Ich hab' Tee gekocht, komm herein."

Stefan: "Hallo, hier ist Platz, wir haben alles gut vorbereitet."

Karin setzte sich an den Tisch und nahm dankend eine Tasse Tee und ließ sich auch die Kekse gut schmecken. Eine Weile sprachen sie über dies und das, über die Schule und über die Projekte der beiden Jungs. Karin war erstaunt über ihre Wissbegierde und Ernsthaftigkeit, so dass sie gerne bereit war, mit ihnen über Grönland und das große Gletscherschmelzen zu sprechen.

Stefan: "Hast du eine Idee, wie schnell das Eis schmelzen wird?"

Karin: "Darüber gibt es verschiedene Beobachtungen und Theorien, aber genaue Vorhersagen können nicht getroffen werden. Das Wasser, das mit dem Golfstrom in nördliche Gewässer strömt, spielt beispielsweise eine wesentliche Rolle. Es stammt aus den subtropischen Regionen des Atlantik, die sich mehr und mehr erwärmen ...


Verlauf des Golfstroms vom Atlantik in der Region zwischen Südamerika und Afrika bis hinauf nach Grönland - Foto: 2008, by RedAndr [GFDL (http://www.gnu.org/copyleft/fdl.html)], via Wikimedia Commons

Foto: 2008, by RedAndr [GFDL (http://www.gnu.org/copyleft/fdl.html)], via Wikimedia Commons

Karin: ... Bei solch gewaltigen Wassermassen geht das natürlich nicht so schnell, allerdings reicht auch schon ein geringer Temperaturanstieg aus, um Veränderungen zu bewirken. Ich hatte euch schon letztes Mal erklärt, dass wärmeres Wasser das Eis 20 mal mehr zum Schmelzen bringt, als wärmere Luft. Doch wie schnell das vonstatten geht und in welchem Ausmaß, darüber gibt es unterschiedliche Ansichten und Berechnungen. Einige Wissenschaftler setzen ihren Forschungsschwerpunkt auf die Untersuchung der Atmosphäre, beziehungsweise die Lufterwärmung und die Luftbewegung. Sie beobachteten zum Beispiel die Wolkenbildung über Grönland und stellten fest, dass sie seit Jahrzehnten immer geringer ausfällt."

Ben: "Was hat denn die Wolkenbildung mit dem Eisschmelzen zu tun?"

Karin: "Das kannst du dir leicht vorstellen. Eine dichte Wolkendecke verhindert, dass die Sonneneinstrahlung direkt auf die Erde, also auf das Eis gelangt. Wenn es im Sommer heiß wird, merkst du sofort, dass es kühler wird, wenn Wolken aufziehen. Mit dem Rückgang der Wolkenbildung wurde das Sommerwetter auf Grönland sonniger und heizte das Eis stärker auf.

Diese Erwärmung entsteht folgendermaßen: die kurzwellige Sonneneinstrahlung wird beim Auftreffen auf die Eisschicht in die langwellige Wärmestrahlung (Infrarotstrahlung) umgewandelt. Das reicht, um das Eis an der Oberfläche zu schmelzen. Doch wird ein großer Teil von der weißen Eisdecke auch noch reflektiert, also ins All abgestrahlt. Schätzungen ergaben, dass Grönlands Wolkendecke in der Zeit von 1994 bis 2009 bereits um 14 Prozent abgenommen hat. Ihr wisst vielleicht, dass ein hoher Luftdruck mit einer geringen Wolkendecke und viel Sonnenschein verbunden ist?"

Stefan: "Klar, da achte ich drauf, wenn die Wetterkarte nach der Tagesschau gezeigt wird. Wenn ein Hoch angesagt ist, kann ich mich auf schönes Wetter freuen."

Karin: "Ja, und da gibt es den sogenannten Greenland-Blocking-Index, der den durchschnittlichen Luftdruck über Grönland beschreibt. Dieser Index erreichte in den letzten 15 Jahren die höchsten Sommerwerte seit Beginn dieser Messungen im Jahre 1850."

Ben: "Woher stammt die Luftdruckveränderung? Ich meine, wieso passiert das gerade jetzt?"

Karin: "Tja, da streiten sich die Klimaforscher noch. Ihre Berechnungen, beziehungsweise ihre Rechenmodelle, ergeben keine einheitlichen Ergebnisse. Einmal wird angenommen, dass die atmosphärische Zirkulation über Grönland, also quasi die Luftmassenbewegung über der Insel, sich verändert hat und damit auch für die Veränderungen des Luftdrucks verantwortlich ist."

Stefan: "Und weißt du, wie man sich derartige, wie sagtest du, atmosphärische Zirkulation, erklärt?"

Karin: "Also, die wird von den Wassertemperaturen in den verschiedenen Regionen der Weltmeere beeinflusst. Die Wechselwirkungen zwischen relativ wärmeren Gewässern und der Luft beziehungsweise der Luftbewegung sind kompliziert und meiner Meinung nach sind exakte Vorhersagen gar nicht möglich, weil immer noch weitere Faktoren hinzukommen, die auf das Geschehen Einfluss nehmen. Es gibt nicht die eine Ursache und es häufen sich die verschiedenen Theorien über die Auswirkungen der Erderwärmung.

Es wäre sicherlich interessant für euch, mehr über diese gegenseitige Beeinflussung von Wasser und Luft zu untersuchen. Dabei trefft ihr bestimmt auch auf die wissenschaftlichen Modelle zur Entstehung eines Hurrikan.

Doch zurück zu unserem Eis-Problem. Im Bericht des UN-Klimareports von 2013 werden die Wolken als größtes Klimarätsel angesehen. Also, wir wissen, dass es unter dem Wolkenschatten kühler ist als in der Sonne. Das gilt für die erdnahen Wolken. Andererseits halten hohe Wolken die Wärme in der Luft zurück, sie wird nicht ins All abgestrahlt, sondern erwärmt die Erde. Es wird vermutet, dass der Erwärmungseffekt überwiegt. Obwohl man sich den Einfluss der Wolken auf das Klima zu erklären versucht, bleiben Wolken in den exakten Klimaberechnungen weiterhin eine große Unbekannte."

Ben: "Das ist ja alles gar nicht so einfach zu durchschauen. Meinst du denn, dass man nur so ungefähr sagen kann, wie lange das dauert, bis das gesamte Eis auf Grönland verschwunden sein wird, oder das Eis von den Polkappen?"

Karin: "Tja, tut mir Leid, aber genau weiß ich es auch nicht. Es gibt Satellitenmessungen aus dem All, aus denen man ablesen kann, dass zwischen 2002 und 2011 Grönland sechs mal mehr Eismasse verloren hat als vorher im Zeitraum zwischen 1992 bis 2001. Ich möchte nun aber weder behaupten, dass das Eis in dieser rasanten Weise auch weiterhin verschwindet, noch könnte ich sagen, dass es sich nicht so verhalten wird. Es gibt zwar neueste Untersuchungen des Eises mit einem Eisbohrer, der in Schichten bis 3000 Meter reicht und anhand des herausgeholten Eiskerns versucht man abzulesen, wie warm oder kalt es in den früheren Jahrzehnten war. Aber kann man aus der vergangenen Entwicklung wirklich eine Vorhersage für die Zukunft machen? Die immensen Auswirkungen durch die Industrialisierung samt der gigantischen Menge an CO2, das in die Atmosphäre gelangte, haben ständig zugenommen, was mit Sicherheit weitere Veränderungen mit sich gebracht hat. Meiner Meinung nach eignet sich eine rückwärtige Eisbetrachtung nicht, um daraus eine Entwicklung für die Zukunft abzuleiten. Eine andere Studie besagt, dass das geschmolzene Eis Grönlands im Jahr 2014 mehr als ein Viertel des mittleren weltweiten Meeresspiegelanstiegs ausmacht."

Ben: "Du liebe Güte, mir wird ganz flau im Magen. Das scheint dann doch alles sehr viel schneller zu gehen, als ich dachte."

Karin: "Keine Bange, das hört sich schlimmer an als es ist. Obwohl die Daten für den globalen Meeresspiegelanstieg nur schwer zu berechnen und auch noch in verschiedenen Regionen der Erde sehr unterschiedlich sind, haben sich Geoforscher von der Universität Aachen daran gemacht, eine Simulation zu erstellen. Sie legten einen durchschnittlichen Anstieg der Meere um 2,5 Millimeter pro Jahr zugrunde, gehen aber davon aus, dass der Pegel sich auch rascher erhöhen könnte. Nach 10.000 Jahren würde das dann einen Meeresspiegelanstieg von ca. 25 Metern bedeuten."

Stefan: "Na, das ist ja noch ein bisschen hin. Aber, warte mal, in den Jahren vorher, also in 100 Jahren wären das ja schon 25 Zentimeter. Aber das erlebe ich wahrscheinlich nicht mehr."

Karin: "Leider denken viele so und nehmen das zum Anlass, nichts gegen den Klimawandel zu unternehmen, so nach dem Motto, 'nach mir die Sintflut'. Eines ist aber richtig, die Veränderungen des Klimas und die Folgen entwickeln sich oft anders, aber auch schneller als die Wissenschaftler sich das gedacht haben und die haben wirklich viele Modelle entwickelt und berechnet. Aber zurück zum Grönlandeis. Die Eismasse Grönlands ist so gewaltig, dass ich sie mir zumindest nicht vorstellen kann. Allein wenn es heißt, dass zwischen 2004 und 2015 jedes Jahr 272 Milliarden Tonnen geschmolzen sein sollen, wie kann man denn so etwas begreifen? Da das aber schon so irrsinnige Mengen Eis sind, Grönland aber immer noch damit bedeckt ist, kann es wohl noch eine Weile dauern, bis das Eis ganz weg ist. Aber wie lange genau? Uff, ich kann es euch nicht sagen."


Eine Karte, die zeigt, dass Grönland zum größten Teil mit Eis bedeckt ist -oto: 2010, by Uwe Dedering (Own work) [CC BY-SA 3.0 (http://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0)], via Wikimedia Commons

Grönland unter Eis
Foto: 2010, by Uwe Dedering (Own work) [CC BY-SA 3.0 (http://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0)], via Wikimedia Commons

Stefan: "Und wie ist das denn nun mit dem Trinkwasser, ich meine, was geschieht mit dem in den Eisbergen gespeicherten Trinkwasservorkommen? Das Eis schmilzt und fließt ins Meer. Und dann? Entweder wird das Meerwasser weniger salzig, aber sicher doch das Süßwasser (Trinkwasser) salzig. Damit ist es verloren."

Ben: "Wieso verloren, es konnte doch in Form von Eis ohnehin nicht genutzt werden, jedenfalls nicht in großen Mengen, nur für den Hausgebrauch nehme ich an."

Stefan: "Wird denn überhaupt kein neues Eis mehr entstehen?"

Karin: "Ich sehe schon, wir können heute nicht all eure Fragen besprechen. Aber wenn ihr wollt, kann ich euch dazu noch etwas sagen, und wenn es euch interessiert, auch über die Folgen des Gletscherschmelzens auf Grönland berichten. Für viele Grönländer scheint der Klimawandel auch Vorteile zu bringen, den Fischern zum Beispiel. Aber bitte jetzt keine Fragen mehr."

Stefan und Ben schauten drein, als seien sie selbst Fragezeichen. Aber sie waren natürlich an einem weiteren Zusammentreffen mit Karin interessiert und verabredeten sich zu einem letzten Gespräch, denn danach würde sie nach Grönland reisen und ihre Forschungsarbeiten weiterführen.

Fortsetzung folgt ...


Diesem Artikel liegen folgende Quellen zugrunde:

http://www.spiegel.des/wissenschaft/natur/meeresspiegel-prognose-nordsee-flutet-norddeutschland-a-1070856.html

http://allmynews.eu/ippc-der-klimawandel-verandert-unsere-welt-grundlegend/

http://www.wetter.de/cms/klimawandel-warum-schmilzt-das-arktis-eis-in-groenland-so-schnell-4117386.html

http://xxx.3sat.de/page/?source=/nano/news/64723/index.html


4. Oktober 2017


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