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BERICHT/152: Projekt - Portal zur Künstlersozialgeschichte (Unijournal Trier)


Unijournal Heft Nr. 2/2009 - Zeitschrift der Universität Trier

Projekt: Portal zur Künstlersozialgeschichte
Zunftordnung · Meisterstücke · Künstlerfeste · Künstlergrabmäler

Von Prof. Dr. Dr. Andreas Tacke


Im Mittelpunkt des Projekts "Portal zur Künstlersozialgeschichte" steht nicht primär das Kunstwerk und seine Rollenzuweisung innerhalb der Gesellschaft, sondern das Künstlerindividuum mit seinen Handlungsspielräumen.


Der Habitus des Künstlers im Sinne Bourdieus oder das sozialgeschichtliche Umfeld von Maler, Bildhauer und Architekt wurden in der kunsthistorischen wie historischen Forschung bislang nur partiell behandelt. Während die Frage, inwiefern politische und religiöse Umbrüche, wirtschaftliche Krisen, Prosperität oder geschichtliche Zäsuren wie beispielsweise die Aufklärung das Bildsujet beeinflussten, in vielen Beiträgen bereits analysiert wurde, widmet sich das Portal einem anderen Thema: Im Mittelpunkt steht nicht primär das Kunstwerk und seine Rollenzuweisung innerhalb der Gesellschaft, sondern das Künstlerindividuum mit seinen Handlungsspielräumen und Möglichkeiten der Autorepräsentation in der Vormoderne.

Hierbei wird eine Neujustierung vorgenommen, da - noch immer geleitet vom Geniediskurs des 19. Jahrhunderts - die Lebenswirklichkeit des mittelalterlichen wie frühneuzeitlichen Künstlers oft ignoriert wird. Dem schillernden Bild des Hofkünstlers wird jenes des zunftgebundenen Handwerkers zur Seite gestellt, dessen Agitationsbereich eingeschränkt und von den Reglements der Zunft- oder Handwerksordnung bestimmt wurde, vom Eintritt in die Lehre über die Gesellenwanderung bis hin zur Teilnahme der Zunftbrüder bei seiner Bestattung.

Das Portal Künstlersozialgeschichte nähert sich dem weiten Forschungsfeld aus mehreren Perspektiven und vereint derzeit die Projekte Zunftordnungen, Meisterstücke, Künstlerfeste sowie Künstlergrabmäler. Hierbei handelt es sich teilweise um Projekte, mit denen sich der Leiter des Portals bereits seit mehreren Jahren intensiv wissenschaftlich befasst hat, sowie um bereits durchgeführte internationale Symposien und Tagungen oder Buchprojekte, aber auch um neue Forschungsfelder, die in Kooperation mit nationalen wie internationalen universitären Institutionen und Museen erarbeitet werden und deren Ergebnisse fallweise auch in Form einer größeren Ausstellung in den nächsten Jahren nicht nur der scientific community vorgestellt werden sollen.

Das Projekt Zunftordnungen wertet Handwerksordnungen Deutschlands, Österreichs und der Schweiz aus, bereitet somit erstmals auf Basis einer breit angelegten Quellenanalyse bislang desiderat gebliebenes Material zur Künstlersozialgeschichte auf. Geplant ist eine umfassende und nach Städten gegliederte umfangreiche Edition.

Im Zentrum des Projekts Meisterstücke steht das sogenannte "Probstück" - das am Ende der Ausbildungszeit vollendete Gemälde des Künstlers - und kann hier, aufbauend auf den Ergebnissen einer internationalen Tagung im Frankfurter Städelmuseum - Vergleiche in gesamteuropäischer Perspektive ziehen. Während das Thema der höfischen Festkultur(en) auf eine lange Forschungstradition zurückblickt, war das Künstlerfest mit all seinen Implikationen - als von der Zunft geregelte Zusammenkunft oder als Podium des Wissensaustauschs auf der Künstlerreise - bislang noch nicht behandelt worden und wird daher auf breiter Text- und Bildrecherche sowie zeitlich bis in die Gegenwart untersucht. Das Projekt zum Thema Künstlergrabmal konnte 2008 auf einer Tagung der Schwaben-Akademie begonnen werden, deren Ergebnisse in einem Tagungsband erscheinen. Im Mittelpunkt steht die Frage, inwiefern sich anhand des Grabmals (bildender) Künstler ab dem Spätmittelalter Hinweise auf den künstlerischen Anspruch, den Zusammenhang zum eigenen OEuvre sowie auf Repräsentationssicherung und wirtschaftliche Situation ablesen lassen.

Ein weiteres Projekt des Portals geht aus Seminaren hervor, die gemeinsam mit dem Historiker Prof. Dr. Franz Irsigler abgehalten wurden: In dem studentischen Buchprojekt wird anhand von achtzehn Fallbeispielen der Künstlersozialgeschichte von Bildhauer, Edelsteinschneider, Goldschmied, Maler oder Rotgiesser nachgegangen und hiermit verdeutlicht, dass die heutige Trennung zwischen Künstler und Kunsthandwerker in der Vormoderne nicht existierte. Die studentischen Autorinnen und Autoren werten in Einzelstudien städtische Zunft- und Gesellenordnungen, Lehrbriefe und Werkverträge aus, analysieren Rechnungen wie etwa ein Druckprivileg oder Testamente und Nachlassinventare. Die Lebensbedingungen des Künstlers in Zeiten von Bildersturm und wirtschaftlichen Krisen werden innerhalb dieses Bandes ebenfalls beleuchtet.


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Quelle:
Unijournal 2/2009 - Zeitschrift der Universität Trier, S. 33
Jahrgang 35/2006
Herausgeber: Der Präsident
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veröffentlicht im Schattenblick zum 23. April 2010