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BERICHT/173: Kurs auf Qualität im internationalen Maßstab (TU Dresden)


Dresdner UniversitätsJournal Nr. 8 vom 30. April 2013

Kurs auf Qualität im internationalen Maßstab

Von Tomas Petzold



Mit dem TUD-Absolventen Moritz Stange als neuem Künstlerischen Leiter halten etliche Neuerungen Einzug bei der Ostrale


Nein, er kommt gewiss nicht daher wie der Retter von einem anderen Stern. Moritz Stange, seit Anfang des Jahres Künstlerischer Leiter der Ostrale, der Internationalen Ausstellung zeitgenössischer Künste, die im kommenden Sommer zum siebenten Mal im Ostragehege stattfindet, ist vielmehr gebürtiger Dresdner. Freilich merkt man das einem gerade 32-Jährigen nicht sofort an, der so dezent, konzentriert, so verbindlich und doch bestimmt und dabei fast dialektfrei auftritt - was wohl u.a. mit dem etwas längeren und nicht ganz alltäglichen Bildungs- und Entwicklungsweg zusammenhängt. Der hatte ihn eben erst bis zum Masterabschluss in Kunstgeschichte an der TU Dresden geführt, und eigentlich hatte Stange auch bereits das Stipendium in der Tasche, um seine Studien in Richtung Promotion fortzusetzen, als er von den Ostrale.Freunden, dem Förderverein der Kunstausstellung, angesprochen wurde. Die waren wohl besorgt angesichts der Stagnation, die sich zur Ostrale 012 doch bemerkbar gemacht hatte, wollten eine Trendwende einleiten, ohne das bisher Geleistete infrage zu stellen.

Einen geeigneten Kandidaten, der ins doch insgesamt bewährte Team passt, findet man da kaum per Nachfrage in der nächsten Arbeitsagentur, sondern nur durch Verkettung günstiger Umstände. Ungeahnt empfohlen hatte sich Stange nicht als besonders eifriger Student, sondern vielmehr durch seine Nebentätigkeit in der noch jungen Dresdner Galerie M2A, wo er an der Auswahl der Künstler beteiligt war und auch durch Eröffnungsreden auf sich aufmerksam machte. Dabei hatte er seinen beruflichen Weg anfangs eher im Stillen gesucht, nämlich als gelernter Buchhändler beim Aufbau einer Spezialbuchhandlung Grafik/Kunst. "Doch dann merkte ich, dass mich der Inhalt der Bücher eigentlich viel mehr interessierte als deren Verkauf", gesteht Stange, und so holte er denn am Freiberg-Kolleg sein Abi nach, studierte anschließend an der Freien Universität Berlin Kunstgeschichte, Geschichte - und katholische Theologie. Weil ihm nur zwei Fachrichtungen "als zu schmalspurig" erschienen wären, und weil in der Glaubenslehre nicht nur der Schlüssel zum Verständnis alter Kunst liegt, sondern seiner Ansicht nach auch der zum Verständnis bis heute wirkender kultureller Prägungen.

Als Student bewegte er sich thematisch in vergangenen Jahrhunderten, war an einem Projekt über Matthias Oesterreich (1726-1778) und dessen Dresden-Persiflagen beteiligt, hat bei Prof. Werner Busch über Adolph Menzel (1815-1905) gearbeitet und seine Masterarbeit über Sascha Schneider (1870-1927) geschrieben. Während er sich also hier erst allmählich an die Gegenwart heranarbeitet, lag der private Fokus auch in der Berliner Zeit schon auf Netzwerkarbeit und zeitgenössischer Kunst, auf dem Kontakt mit Galeristen und Sammlern.

Für den Wechsel nach Dresden gab es in erster Linie "persönliche, familiäre Gründe". Bereut hat Moritz Stange ihn auch deshalb nicht, weil er von der Verbindung zwischen der TUD und den Staatlichen Kunstsammlungen profitieren konnte, sei es beim Porzellanseminar bei Prof. Pietsch in der Kunstbibliothek, bei dem man anschließend die Exponate gegenüber in der Sammlung gemeinsam besichtigte, sei es beim Seminar mit Prof. Bischof im Albertinum. Der Kulturbetrieb in der kleineren Stadt erwies sich für ihn nicht nur als leichter überschaubar, sondern auch als offener, voller Möglichkeiten, ins Gespräch zu kommen. Das gilt auch für eine "verhältnismäßig kleine Fakultät", der er ein sehr gutes und vielfältiges Lehrangebot bescheinigt und bei einer "überschaubaren Anzahl von Kommilitonen mehr 'Persönlichkeit'", und speziell für den Freundeskreis des Kupferstich-Kabinetts, wo er inzwischen der Geschäftsführung assistiert. Auch als studentische Hilfskraft in der Bibliothek der Hochschule für Bildende Künste konnte er wertvolle Kontakte knüpfen, die er bei seiner ersten richtig großen und so unverhofft auf ihn zugekommenen Aufgabe nutzen kann.

Bevor er da einstieg, brachte er erst einmal seine kaufmännische Vorbildung zur Geltung. "Für einen Tag in der Woche da zu arbeiten, wäre letztlich verbranntes Geld gewesen" schätzt Stange ein. So sehr er sein Team auch lobt, so wohl er sich da von Anfang an fühle - es hätte nicht ausgereicht, um Andrea Hilger glaubhaft zu entlasten, die seit Anbeginn die Ostrale leitet und dabei neben ihren künstlerischen Aktivitäten eine für die Öffentlichkeit kaum erahnbare Riesenarbeit geleistet hat. Schon gar nicht, um rasch und nachhaltig das Profil der Ostrale zukunftsfähig zu machen. Also fiel die Entscheidung zunächst für einen Fulltimejob (für den sich dann sogar eine Finanzierungsquelle fand) mit der Option, später etwas kürzer zu treten und nebenher die Zeit für die Promotion zu finden.

Größere Professionalität und damit auch Glaubwürdigkeit sollen für die Ostrale künftig im Vordergrund stehen - die Zeit des sympathischen Aufbruchs aus dem Underground ist endgültig vorbei. Das zeigt sich zuerst bei der Auswahl der vertretenen Künstler und endet mit der entsprechenden Vermittlung gegenüber der Öffentlichkeit, die für eine breitere ideelle wie materielle Unterstützung gewonnen werden muss, denn sonst ist das hoch gesteckte Ziel einer Ausstellung von internationalem Rang kaum erreichbar. Man wolle auch entsprechend auf Kritik von Kunstkennern und -liebhabern reagieren, sich auf das Kerngeschäft konzentrieren, Extras und Begleitprogramm "eindampfen", erklärt Moritz Stange... Dabei bleibt es bei der "zweigleisigen" Auswahl der Künstler, die sich zum einen über entsprechende Netzwerke bewerben können, zum anderen gezielt eingeladen werden. Neben dem Künstlerischen Leitungsduo Hilger/Stange sind erstmals auch Galeristen, nämlich Patrick-Daniel Baer (Dresden), Knut Hartwich (Sellin/Rügen) und Friedrich Loock (Berlin) unmittelbar daran beteiligt. Gemeinsam mit dem Dresdner Architekten, Sammler und Kunstförderer Jens Zander sowie der vorjährigen Ostrale-Preisträgerin Chloé Coomans aus Belgien zeichnen sie in unterschiedlichen Konstellationen als Einlader, Kuratoren und Juroren für die Ostrale 013 verantwortlich.

"Wir überschreiten den Rubikon" lautet das Motto, das einen kritischen, aber nicht negierenden Blick zurück und einen unumkehrbaren Aufbruch zu neuen Ufern verheißen soll. Stange sieht die Kooperation mit kommerziellen Galerien, die ihre Kompetenz und wertvolle Kontakte einbringen, durchaus auch als "Drahtseilakt". "Wir wollen uns nicht dem Mainstream verschreiben, keineswegs auf junge, sperrige, nicht markttaugliche Kunst verzichten", verspricht Stange. Wer allerdings wiederholt an einer Ostrale teilnehmen will, müsse künftig jedesmal eine ganz andere Seite seiner Arbeit zeigen oder einen deutlichen Qualitätszuwachs erkennen lassen. Gleichwohl ist Stange die Notwendigkeit der Einbeziehung regionaler Künstler bewusst. Künftig wird es noch weniger um die Behauptung bzw. Inszenierung von Räumen und Arbeiten vor Ort gehen, und so wird der andere Drahtseilakt für die Ostrale-Macher, die nicht als Eigentümer, sondern nur als Mieter agieren können, darin bestehen, dem Kunstereignis in den alten Futterställen nicht nur seinen Platz sondern auch seinen Charme zu erhalten und aufzubessern. Dabei geht es nicht um Nobelsanierung wie gleich nebenan zu sehen, sondern "vorrangig um Konservierung, denn mit White Cubes wäre uns nicht wirklich geholfen. Wir müssen aber Zwischenwege finden, um auch teure Arbeiten zeigen, mit wirklich großen Namen aufwarten zu können", erklärt Stange, der sich - auch das ein Novum - Wochen vor der Eröffnung der aktuellen Ostrale bereits mit der Ausgabe 014 beschäftigt, die den Blick gezielt in die östlichen Nachbarländer richten soll. Doch erst einmal gilt es, die letzten großen Herausforderungen des Jahrgangs 013 zu meistern, bis hin zu dem kleinen Kunststück, zur Eröffnung einen Katalog mit begleitenden Texten vorzulegen.

"Wir haben jetzt das verflixte 7. Jahr", sinniert Stange, "aber ich bin zuversichtlich, denn eigentlich ist die Sieben eine schöne, eine ausgeglichene Zahl nach Aristoteles - die Zusammensetzung aus der Drei, die für das Göttliche, und der Vier, die für das Naturwissenschaftliche steht. Das ist eine Konstellation, die mir sehr entspricht...".

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Quelle:
Dresdner UniversitätsJournal, 24. Jg., Nr. 8 vom 30.04.2013, S. 3
Herausgeber: Der Rektor der Technischen Universität Dresden
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veröffentlicht im Schattenblick zum 11. Mai 2013