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BERICHT/174: Vom Humor zum Dialog - Cartoonisten werben in Cannes für Frieden (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH
IPS-Tagesdienst vom 22. Mai 2013

Kultur: Vom Humor zum Dialog - Cartoonisten werben in Cannes für Frieden

von A.D. McKenzie


Bild: © A.D. McKenzie/IPS

Die tunesische Cartoonistin Nadia Khiari alias Willis
Bild: © A.D. McKenzie/IPS

Cannes, 22. Mai (IPS) - Die meisten Kinofans wissen inzwischen, dass der Schauspieler Leonardo DiCaprio zu den Filmfestspielen nach Cannes gekommen ist. Dass aber auch die Cartoonisten Willis aus Tunesien und Kichka aus Israel da gewesen sind, ist dagegen weniger bekannt.

Willis ist das Pseudonym von Nadia Khiari, die mit ihren bissigen und ironischen Karikaturen internationale Aufmerksamkeit erfährt. Verbreitet werden ihre Zeichnungen vor allem über die sozialen Internet-Netzwerke und ausgewählte Zeitungen. Der gebürtige Belgier Michel Kichka lebt in Israel, wo seine Werke besonderen Anklang finden.

In Cannes stellten die beiden gemeinsam mit ihren Kollegen Plantu aus Frankreich und Dilem aus Algerien die Arbeit der Organisation 'Cartooning for Peace' vor. Die Gruppe will einen Dialog anregen, die Meinungsfreiheit fördern und den in den Medien tätigen Zeichnern Anerkennung verschaffen.

"Es gibt muslimische, jüdische und christliche Karikaturisten - und alle wollen zum Frieden beitragen", sagte Plantu, dessen Zeichnungen seit mehr als 40 Jahren in der französischen Tageszeitung 'Le Monde' erscheinen.

Plantu und der ehemalige UN-Generalsekretär Kofi Annan hatten Cartooning for Peace 2006 gegründet, nachdem die dänischen Mohammed-Karikaturen weltweit Tumulte ausgelöst hatten. Inzwischen sind der Vereinigung mehr als 100 Cartoonisten, die 40 Nationalitäten und alle großen Religionen vertreten, beigetreten.

Während des zwölftägigen Festivals, das am 26. Mai endet, werden Arbeiten der Gruppenmitglieder in dem großen Saal ausgestellt, in dem die Filmvorführungen und Pressekonferenzen mit den Stars stattfinden.


Kampf für freie Meinungsäußerung

Die Organisatoren des Festivals wollen nicht nur Glitter und Glamour zeigen, sondern auch auf die Bedrohung der Meinungs- und Ausdrucksfreiheit aufmerksam machen. Zur Unterstützung der Arbeit von Cartooning for Peace, die auch Schutz und Rechtsbeistand für die Künstler umfasst, werden während der Festspiele Originalzeichnungen versteigert.

Willis ist sich der Gefahren bewusst, denen Cartoonisten in manchen Ländern ausgesetzt sind. 2011 war ihr syrischer Kollege Ali Ferzat von Sicherheitskräften brutal zusammengeschlagen worden. Cartooning for Peace sorgte mit Hilfe einer Kampagne dafür, dass er im Ausland im Krankenhaus behandelt werden konnte. Durch plastische Chirurgie seien seine Finger gerettet worden, berichtete Alice Toulemonde, eine Sprecherin der Gruppe. Farzat, der mit seinen Zeichnungen das Regime von Präsident Bashar al-Assad kritisierte, ist inzwischen wieder in der Lage, einen Stift zu führen.


'Jasmin-Revolution' inspirierte Cartoons

Khiari haben die politischen Ereignisse in ihrem Land zur Cartoonistin gemacht. Die Künstlerin und Lehrerin nahm ihre zweite Identität als Willis aus Tunis an, als in ihrem Land die 'Jasmin-Revolution' ausbrach, die zu den Aufständen des 'Arabischen Frühlings' in der gesamten Region führte. Willis heißt auch ihre Katze, die während der letzten Ansprache des gestürzten tunesischen Staatschefs Zine El Abidine Ben Ali Anfang 2011 geboren wurde.

"Der Präsident versprach Pressefreiheit und eine Menge anderer Dinge. Die Absurdität seiner Worte inspirierte mich dazu, einige Cartoons zu zeichnen", erinnerte sich Khiari. "Ich wusste natürlich nicht, dass dies seine letzte Rede sein würde."

Einer ihrer in Cannes ausgestellten Cartoons zeigt einen Zeitungsleser mit dunkler Brille (eine Anspielung auf den Film 'Men in Black'), der den Betrachtern mitteilt, dass sie nach der Werbepause 23 Jahre Diktatur, die Revolution, sämtliche Märtyrer und den Drang nach Freiheit vergessen haben und weiterhin im Elend leben werden.

"Ich bin sicherlich eine von vielen, die sich die gleichen Dinge wünschen: Glück, Arbeit, Freiheit. Es ist nicht kompliziert", sagte sie im IPS-Gespräch. "Alle Tunesier interessieren sich für Politik. Damit sind wir elf Millionen Politiker. Meine politischen Ausdrucksformen sind Cartoons und Humor."

Khiari liegt nach eigenen Angaben der Schutz von Frauenrechten am Herzen. "Doch die sind in Tunesien immer gefährdet." Auf den Vorschlag, die Landesverfassung um den Zusatz, "Frauen und Männer ergänzen einander", zu erweitern, reagierte sie mit bissiger Ironie. Der Vorstoß wurde rückgängig gemacht, nachdem Frauen aus Protest auf die Straße gegangen waren.

Khiari beschäftigt sich in ihren Cartoons auch mit der Frage, in welche Richtung das Land nach der Flucht des Präsidenten steuert. "Der Slogan der Revolution lautete 'Würde, Freiheit und Beschäftigung'. Das waren unsere Ziele", sagte sie. "Stattdessen sprechen Politiker über Moral, um von den wahren Problemen im Lande wie Wirtschafts- und Arbeitsmarktkrise abzulenken. Armut und Arbeitslosigkeit sind nach wie vor vorhanden. Nichts hat sich verbessert." (Ende/IPS/ck/2013)


Links:

http://www.cartooningforpeace.org/?lang=en
http://www.ipsnews.net/2013/05/cartoons-lead-the-way-from-humour-to-dialogue/

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Quelle:
IPS-Tagesdienst vom 22. Mai 2013
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veröffentlicht im Schattenblick zum 23. Mai 2013