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MUSEUM/085: "Experimentierfeld Museologie" - Ausstellungen besser konzipieren (idw)


VolkswagenStiftung - 02.04.2009

Näher ran ans Publikum - oder: wie Ausstellungen besser konzipiert werden können

VolkswagenStiftung bewilligt rund 600.000 Euro nach Berlin für das Projekt "Experimentierfeld Museologie" - besonders im Blick: Vermittlungsprozesse in Ausstellungen zu islamischer Kunst- und Kulturgeschichte


Jahr für Jahr locken die bundesweit über 6000 Museen insgesamt mehr als 100 Millionen Besucher an. Dabei haben nicht nur die großen Museen mit überregionalem Einzugsgebiet erheblich an Attraktivität gewonnen, auch kleine und mittelgroße, die insbesondere mit neuen Ausstellungskonzepten bis dato nicht gekannte Besucherzahlen verzeichnen, schreiben Erfolgsgeschichten. Wie aber funktionieren Museen als Stätten des Lernens und als Orte der Kommunikation? Das ist die zentrale Frage eines Projekts, das die VolkswagenStiftung jetzt mit rund 600.000 Euro fördert und an dem ein halbes Dutzend Berliner Einrichtungen (Auflistung am Ende der Presseinfo) beteiligt ist.

Ziel der drei Initiatorinnen ist es, Vermittlungsprozesse zwischen Wissenschaft und Öffentlichkeit in Museen und Ausstellungen zu untersuchen - und zwar am Beispiel der islamischen Kunst- und Kulturgeschichte. Dabei steht im Mittelpunkt des Interesses der Prozess des Kuratierens von Ausstellungen. Wie also funktionieren Ausstellungen im Zusammenspiel zwischen Wissenschaftlern, Künstlern, Pädagogen und nicht zuletzt den Besuchern?

Getragen wird das Projekt "Experimentierfeld Museologie - ein Projekt zur Vermittlung islamischer Kunst- und Kulturgeschichte" von der Religionswissen-schaftlerin Professorin Dr. Susanne Lanwerd von der Freien Universität Berlin - ihre Schwerpunkte: Ästhetische Theorie und Praxis sowie Orientalismus- und Okzidentalismuskritik -, der Museologin Dr. Susan Kamel, die seit vielen Jahren zu Vermittlungsstrategien islamischer Kunst und Kulturen im Museum forscht, und der Sozialwissenschaftlerin Christine Gerbich. Sie bringt Expertise mit im Bereich der nationalen und internationalen Besucherforschung.

Konkret geht es den Forscherinnen um die Frage, in welcher Weise wissenschaftliche Erkenntnisse zur islamischen Kunst- und Kulturgeschichte durch das Medium der Ausstellung vermittelt werden können. Einen ersten Schritt bildet dabei die Bestandsaufnahme bestehender musealer Vermittlungsformate im internationalen Vergleich - fokussiert auf die Darstellung von Kunst und Kultur islamisch geprägter Länder in zeitgenössischen Ausstellungen.

Im Hauptteil des Projektes rückt der Prozess des Kuratierens von Ausstellungen in den Fokus. Die Forscherinnen beobachten dabei detailliert die Zusammenarbeit von Kuratoren, Wissenschaftlern, Künstlern und Pädagogen während eine Ausstellung entsteht; zugleich sollen potenzielle Museumsbesucherinnen und -besucher in einem "Pool von Probanden" zusammengefasst und in die Ausstellungsplanung einbezogen werden. Für diesen zentralen Projektteil ist geplant, an zwei Berliner Institutionen beispielhaft Ausstellungssituationen zu kuratieren. Dabei will man neue Strategien der Kommunikation zwischen Museumswissenschaftlern und Museumsbesuchern entwickeln und erproben. "Die Erwartungen und Reaktionen von Museumsbesuchern auf innovative Präsentationsformen in solch ein Projekt einzubeziehen, ist ein neuer und viel versprechender Ansatz", stellt Christine Gerbich hierzu fest.

Besonders zeichnet sich das Projekt durch die Verschränkung von Museumswissenschaft und -praxis aus. "Letztlich geht es um neue Erkenntnisse über den Kommunikationsprozess, der ein entscheidendes Element der Wissensproduktion ist", erläutert Susan Kamel. "Zeitgenössische Ästhetiken haben dabei gelehrt, dass sich je nach Perspektive, Raum, Objekt und Thema die Frage nach einer qualitätsbewussten musealen Darstellung stets erneut stellt", fügt Susanne Lanwerd hinzu. "Ziel ist es letztlich, überkommene Grenzziehungen zwischen 'Produzenten' und 'Nutznießern' des Wissens zu überwinden."

Das Projekt "Experimentierfeld Museologie" wird ermöglicht durch eine Kooperation zwischen der Humboldt Universität, der Technischen Universität und der Freien Universität Berlin, den Staatlichen Museen zu Berlin - mit dem dortigen Institut für Museumsforschung - und dem Kreuzberg Museum für Stadtentwicklung und Sozialgeschichte. Begleitet wird das Vorhaben von einem Beirat, in dem international renommierte Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler mit Kompetenzen in den Bereichen "Museumswissenschaft", "islamische Kunst und Kultur" sowie "Evaluation" mitwirken. Alle Beteiligten erwarten wichtige Ergebnisse und Erkenntnisse nicht nur für die Museologie, sondern ebenso für verschiedene Kulturwissenschaften wie Ethnologie, Religionswissenschaft, Islamwissenschaft und andere "area studies".

Vorgeschichte:
Gemeinsam mit zwei weiteren Wissenschaftlern - Lidia Guzy und Rainer Hatoum - beschäftigt sich Dr. Susan Kamel seit dem Jahr 2006 in einem von der VolkswagenStiftung mit rund 700.000 Euro geförderten "Tandem-Projekt" mit der Frage, welche (neue) Rolle Museen in nicht-westlichen Gesellschaften zukommt. Die Forscher gehen davon aus, dass die Globalisierung die künstlerischen und kulturellen Äußerungen nicht-westlicher Gemeinschaften grundlegend verändert - und zwar in Richtung einer "Retraditionalisierung", einer Wiederbelebung alter Traditionen.

Davon betroffen ist nach ihrer Ansicht auch die Museumskultur, die stets identitätsstiftend wirkt. Ein Ziel der Forscher ist es, Erkenntnisse darüber zu gewinnen, wie Museen in ihrem jeweiligen Kontext künftig agieren sollten. Zu diesem Zweck untersuchen sie kulturpolitische Aspekte der Globalisierung an regional unterschiedlichen Stätten (in Indien, Nordamerika und Ägypten) und gehen der Frage nach, inwiefern die wichtigen Säulen musealer Arbeit - das Sammeln, Bewahren, Erforschen und Vermitteln - durch diese Prozesse betroffen sind. Die Ergebnisse des Projekts werden vom 23. bis 26. September 2009 in Berlin bei einer Tagung vorgestellt.

Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung unter:
http://idw-online.de/pages/de/institution458


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Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft e. V. - idw - Pressemitteilung
VolkswagenStiftung, Dr. Christian Jung, 02.04.2009
WWW: http://idw-online.de
E-Mail: service@idw-online.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 4. April 2009