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INTERVIEW/016: Fluchträume und Grenzen - Kritik der verlorenen Werte (SB)


Interview mit Thomas J. Richter am 1. September 2012 in Kassel



Die vehemente Verteidigung des von der Totalität des Verwertungsprimats in seiner Gültigkeit bestrittenen Humanismus, die streitbare Überwindung der Angst des kapitalistisch atomisierten Menschen und die Würdigung selbstbestimmter Leiblichkeit gegen die Zurichtung des Körpers zur Ware, seine Versklavung durch leistungsgestählte Konkurrenz und sexistische Anpreisung zeichnen die politische Position und das künstlerische Werk des Malers und Grafikers Thomas J. Richter [1] aus. Am Rande einer Tagung der Marx-Engels-Stiftung, auf der unter dem Titel "Was leistet die 'Moderne Kunst'?" dem Charakter zeitgenössischer Kunst und Kunstproduktion auf den Grund gegangen wurde, beantwortete der in Berlin lebende Künstler dem Schattenblick einige Fragen.

Im Hof der Tagungsstätte Café Buch-Oase - Foto: © 2012 by Schattenblick

Thomas J. Richter
Foto: © 2012 by Schattenblick

Schattenblick: Du bist, um es einmal modern zu sagen, DDR-sozialisiert. Wie hast du die Möglichkeiten künstlerischer Arbeit in dieser Zeit erlebt und worin unterscheiden sich deine Erfahrungen zur allgemein üblichen Darstellung dieses untergegangenen Staates?

Thomas Richter: Im öffentlichen Bewußtsein, das sehr stark durch die Medien, hinter denen das große Geld steht, geprägt ist, erscheint die DDR immer vorurteilsbeladen als ein monolithischer Zeitblock. Nun gab es in der Kunstlandschaft der DDR natürlich ganz verschiedene Phasen und Epochen. In der Zeit der Formalismus-Diskussion, auf die immer verwiesen wird, haben engstirnige, nicht besonders gebildete Kulturfunktionäre und Politiker gedacht, den Werkprozeß bestimmen zu können. Diese Zeit habe ich so nicht mehr miterlebt. Ich habe vielmehr erlebt, daß ich in der DDR als Maler gemacht habe, was ich wollte, wie viele andere Kollegen auch. Die Existenzängste und -nöte, die wir jetzt mit anderen Menschen teilen, waren insofern nicht vorhanden, weil man für einen Appel und Ei die Miete zahlen konnte und mit ein wenig Geld für Lebensmittel über die Runden kam. Man wollte nicht reich werden und kein Superstar sein, sondern hat seine Arbeit wie jeder andere auch gemacht.

Manchmal hat ein Kulturfunktionär das kapiert, und manchmal nicht. Aber sie konnten mir relativ wurscht sein. Ich habe gearbeitet, und viele andere, die der DDR sehr kritisch gegenüberstanden und die man heute vielleicht als Dissidenten bezeichnet - so ein Wort kommt ja leicht über die medialen Lippen -, konnten ebenfalls in Ruhe arbeiten und waren nicht so bedrängt wie jetzt. Die Bevölkerung hat sehr aufgeschlossen und neugierig auf das geschaut, was in der Kunst passiert. So gab es zum Beispiel eine breite und differenzierte Druckgrafik-Szene und interessierte Sammler.

Jetzt steht der übergroße Teil vor Existenzproblemen. Wie die Leute vor 1989 und vielleicht noch zwei oder fünf Jahre danach in aller Ruhe gearbeitet haben, interessiert heute niemanden mehr. Zu Zeiten der DDR war die Miete für das Atelier bezahlbar, und auch das nötigste Material, um ein Kunstwerk zu schaffen, war, wenn auch nicht im Überfluß, vorhanden. Daß wir eine Mängelgesellschaft waren, wissen wir ja nun alle, aber trotzdem haben wir Bilder gemalt. Man konnte sich etwas zu essen kaufen und mußte nicht jeden Abend darüber nachdenken, wovon man im nächsten Monat existieren sollte. Das sind Grundbedingungen von Freiheit. Freiheit ist die Abwesenheit von Angst, angekommen nach 1989 bin ich in einer Angstgesellschaft. Die Menschen haben Angst um ihren Arbeitsplatz, ob sie ihre Miete noch bezahlen können. Sie haben Angst, aus ihrem Wohnraum verdrängt zu werden, daß der Imperialismus nur noch eine Bewegungsform hat, nämlich die des Krieges. Ob sie sich die Angst bewußt machen oder nicht, spielt dabei keine Rolle, denn sie leben in Angst. Angst und Freiheit sind nicht miteinander vereinbar. Insofern habe ich in einer relativ angstfreien Gesellschaft gelebt, die, auch wenn sie nicht ideal und voller Widersprüche war und mich oft belastet hat, die Aussicht auf Besserung der Verhältnisse in sich barg.

Angstfrei arbeiten, sich von Menschen gebraucht zu fühlen und mit Menschen in Kontakt zu stehen, ist das große Glück des Künstlers. Eine der einschneidendsten Entwicklungen dieser Nachwendezeit ist, daß alle Menschen in die Isolation getrieben und die Möglichkeiten der Kommunikation immer kleiner werden. Ob Künstler oder nicht, alle Menschen berichten nach einer Weile im Gespräch von Vereinzelung, dem Ausgeliefertsein den Verhältnissen gegenüber und der Schwierigkeit, sich mit anderen, die ebenfalls darunter leiden, verständigen zu können. Diese Verständigungsverhinderung und Kommunikationslosigkeit kenne ich aus der DDR überhaupt nicht. Da hat jeder mit jedem gequatscht. Wenn Leute jetzt noch miteinander reden, dann innerhalb ihrer sozialen Berufsgruppe oder Klasse. Wenn ich früher in die Kneipe gegangen bin, da saß ein Professor für Agrarwissenschaften neben einem Kohlenträger, und beide haben sich unterhalten. Eine solche Situation ist heute undenkbar.

Wenn mir die Leute unterstellen, daß das nostalgisches Nachhängen an der Vergangenheit wäre, dann verwechseln sie, daß ich im Gedächtnis nicht eine idealisierte DDR bewahre, sondern die diesem Gesellschaftssystem innewohnende Möglichkeit, die neue Zeit eines nicht entfremdeten Menschen aufscheinen zu lassen. Das war die historische Leistung der DDR mit ihrer Kunstlandschaft und Literatur. Es geht nicht darum, die DDR nostalgisch zu verklären, sondern sie zu begreifen als den praktizierten Anfang, eine Utopie zu realisieren. Das ist für die Zukunft enorm wichtig, das hat mit Nostalgie gar nichts zu tun. Deshalb rede ich auch nicht über einzelne DDR-Künstler oder Superstars, sondern über eine sich entfaltet habende Kunstlandschaft DDR, die ihresgleichen sucht und die nach der Wende durch ökonomische Zwänge und wie man es sonst bezeichnen mag eingestampft wurde.

Ein Großteil der Künstler, die zu DDR-Zeiten gewirkt haben, arbeiten und leben auch heute noch. Ich bin auf der Documenta nicht auf der Suche nach dem Superkunsterlebnis, sondern suche - selbst wenn ich der einzige wäre, was nicht der Fall ist, so anmaßend bin ich nicht - die Orte, wo Künstler weiterhin Kunst produzieren, im Osten wie im Westen. Ich persönlich habe im Osten viele Talente und eine dichte künstlerische Sprache, die sich dort entwickelt hat, kennengelernt. Die Kunstwerke sind nach wie vor da und ein Großteil der Künstler auch, und sie arbeiten weiter, werden aber von den Medien überhaupt nicht mehr wahrgenommen. Jeder kleine Popanz, der einmal arschwackelnd durch New York gelaufen ist und dort ein Stipendium bekommen hat, wird nicht mehr nach seiner künstlerischen Begabung und nach seinen Fähigkeiten beurteilt, sondern nach seiner Twitterhaftigkeit und der Fähigkeit, auf spätkapitalistische Art und Weise pseudozukommunizieren, Kontakte herzustellen und Netzwerke zu spinnen. Das Kunstwerk wird nicht mehr nach künstlerischen Kriterien untersucht und der Künstler nicht mehr am Wert seines Kunstwerkes, sondern nach seiner Fähigkeit, sich im späten Kapitalismus wichtigzumachen, gemessen. Das interessiert mich null.

SB: Wie siehst du die künstlerische Entwicklung des modernisierten, flexibilisierten und vernetzten Künstlers, der den neoliberalen Freiheitsbegriff für sich in Anspruch nimmt?

TR: Ich kann die Frage im Moment schwer beantworten, da ich keinen Überblick über den modernen Kunstbetrieb habe. Natürlich gibt es Zeiten, in denen man auch in der Kunst - und das behauptet ja die Documenta - Grenzen überschreiten und Tabus brechen muß. Aber das ist inzwischen zum alltäglichen Handwerk geworden. Es ist langweilig, ständig Tabus zu brechen. Im Moment leben wir leider in einer Phase, in der humanistische Werte an die Wand gedrückt werden und es eigentlich Menschen geben müßte, die diese Werte in ihrem Bewußtsein behalten und bewahren. Nicht aus Nostalgie, sondern als Saatgut für die Zukunft. Je weniger Menschen es sind, umso gefährlicher wird es. Je mehr es wieder werden, umso besser für die Menschheit. Das ist eine Frage des Humanismus.

Deswegen sind mir die Karrieremöglichkeiten eines Künstlers oder sein Standort in der spätimperialistischen Gesellschaft relativ schnuppe. Man muß jetzt durchhalten und einen Teil seiner Kraft einer hoffentlich wachsenden sozialen, politischen Bewegung zur Verfügung stellen, die sich in die Lage versetzt, den Kapitalismus zu überwinden. Das heißt, daß man sich bestimmte Prozesse, die ablaufen, bewußt macht. Man kann Angst nur überwinden, wenn man der Angst ins Auge schaut und ihr nicht bewußtlos unterliegt. Was die Angst ansonsten im Unterbewußtsein anrichtet ist verheerend. Der Mensch ist ein soziales Wesen, aber wenn er vom Kapitalismus aus dem Sozialen herausgedrängt wird, geht er unter. So werden immer weniger Menschen in der Lage sein, Künstler zu werden oder ein Kunstwerk zu schaffen. Sie werden statt dessen zu willfährigen Marionetten, die kein selbständiges Kunstwerk erschaffen, sondern nur die Verhältnisse illustrieren und vernebeln. Da wird mit künstlerischen Mitteln und Fähigkeiten Oberflächenveredlung betrieben, aber es entsteht kein Bild mehr. Man muß sich selbst gegenüber immer wieder Haltung gewinnen und sich am nächsten Tag noch im Spiegel anschauen können, sonst wird man eine kleine, verlogene, miese Ratte. Man wird zur Nutte des Kapitals. Dadurch entstehen auf Dauer keine schönen Bilder mehr. Schönheit gilt es gegen die Konsumverhältnisse zu erkämpfen, die den Menschen zum konsumierenden Zombie zurichten. Nur Menschen können Kunst schaffen.

Im Hof der Tagungsstätte Café Buch-Oase - Foto: © 2012 by Schattenblick

Thomas J. Richter im Gespräch mit Werner Seppmann
Foto: © 2012 by Schattenblick

SB: Du sprichst die programmatische Atomisierung des Menschen an. Auf der anderen Seite gibt es Projekte, wo Künstler sich zum Beispiel zu Künstlerkommunen zusammentun, wo sie versuchen, auf dem Land eine eigenständige Sphäre der Produktivität aufzubauen. Was hältst du von solchen alternativen Entwürfen, die natürlich das Problem haben, sich mit den herrschenden gesellschaftlichen Bedingungen auf irgendeine Weise arrangieren zu müssen?

TR: Ich habe keine sehr guten Erfahrungen damit gemacht, obwohl ich relativ wach alle möglichen gesellschaftlichen Prozesse verfolge. Ich kann alle Arten von Ausstiegsszenarien menschlich nachvollziehen, zumal jeder Mensch nur ein bestimmtes Kräftereservoir hat, mit dem er umgehen kann. Dieses kann sehr unterschiedlich sein. Manche haben mehr, andere weniger Kraft. Wenn man nicht mehr genug Kraft hat, steigt man irgendwann aus. Ich will jedoch nicht mit anderen Künstlern zusammen aussteigen. Ich weiß gar nicht mehr, was ein Künstler ist, ich kann das Wort schon gar nicht mehr hören. Ich will so lange wie möglich Mitglied der menschlichen Gesellschaft bleiben. Das geht allen Menschen so. Lieber kommuniziere ich mit meinem Freund Harry, der Taxifahrer und in der DKP ist, als daß ich auf dem Lande lebe und zusammen mit einem anderen, der auch Bilder malt, die ich vielleicht - und sehr wahrscheinlich - überhaupt nicht leiden kann, Ziegen züchte. Darauf verzichte ich dankend.

SB: Eine Frau hat heute ihren Eindruck von den Besuchern der Documenta geschildert, wie sie vor Verwunderung vor vermeintlich spektakulären Kunstwerken erstarrten. Wie empfindest du die Herangehensweise des Publikums oder überhaupt das Verhältnis zwischen Betrachter und Kunstwerk?

TR: Ich habe bis auf einige Exponate kaum etwas zu sehen bekommen, und darüber zu reden erübrigt sich, weil es bedeutungslos war. Deshalb habe ich mir gestern die Menschenströme auf die Veranstaltungsorte zu und von ihnen weg angeschaut. Ich habe dicke, dünne, viele schöne Menschen, aber auch viele Menschen gesehen, denen die Dummheit aus dem Gesicht springt. Ich sehe alles mögliche, aber vor allem sehe ich eine erwartungsfrohe Ratlosigkeit, die nicht auf Kunstgenuß gerichtet ist, denn der Oberbefehl dieses totalitären Staates lautet: Rennt hin, da ist etwas! Daß es sich dabei zufällig um Kunst handelt, ist den Leuten relativ egal; Hauptsache, sie sind dabei, denn dabei sein ist alles.

Die größte Angst der Leute ist, aus dem System oder Arbeitsprozeß ausgeschlossen zu sein. Wer kein Geld hat, ist aus dem normalen Leben ausgeschlossen. Dieses Gefühl, ausgeschlossen zu sein, hat umgekehrt zur Folge, daß man, wenn der Staat, das Kapital oder Karstadt "Event" befiehlt, sicherheitshalber hingeht, damit man diesem drückenden Gefühl, nicht mehr dazuzugehören, sondern ein ausgestoßener, einsamer, isolierter, also nicht sozialer Mensch zu sein, nicht ausgesetzt ist. Der Befehl heißt Documenta, und alle rennen hin. Der Befehl könnte auch wahlweise "Deutschland - ein Sommermärchen" lauten. Dann rennen sie alle zum Fußball, und wenn sie nicht zum Fußball rennen, rennen sie vors Brandenburger Tor. Hauptsache, sie sind dabei. Die zur Documenta gehen, können sich vielleicht noch bildungsbürgerlich dünken und denken, sie gehörten zum Mittelstand, den die bürgerliche Klasse selbst ausrottet. Da sie jedoch so lange wie möglich Mittelstand sein wollen, gehen sie nicht zu den Proletariern vor das Brandenburger Tor und jubeln schwarzrotgoldene Fußball-Hymnen. Aber der Druck und die Notwendigkeit, dabei zu sein, damit man nicht ausgeschlossen ist, sind gleich. Sie haben weder Kunstverstand noch Kunst im Sinn, wenn sie hingehen, sondern sie wollen dabei sein, wenn ihnen von oben gesagt wird, daß es ganz toll sei, wenn man dabei ist.

So ist die Zahl der Leute, die ins Museum gehen, in den letzten zehn Jahren sprunghaft angestiegen. Der Kunstverstand ist dagegen sprunghaft gesunken. Die Leute rennen massenweise in die Museen als Event. Wenn MOMA aus New York in Berlin ausstellt, ist die Veranstaltung auf Monate hinaus ausgebucht. Das heißt aber nicht, daß der Kunstverstand gewachsen ist, ganz im Gegenteil. Die Medien haben schon dafür gesorgt, daß die Leute gar nicht mehr wissen, worum es geht. Aber sie stehen an, weil es ihnen die Medien, der Oberguru oder der große Bruder so gesagt haben.

SB: Siehst du im Bereich der Parteilinken oder auch der nichtorganisierten Linken Bestrebungen, um dieser Entwicklung einen Gegenentwurf entgegenzuhalten, um auch über Kunst Formen des Widerstands aufzubauen?

TR: Ich lebe ja nach dem Prinzip Hoffnung, aber im Moment gibt es immer weniger Menschen, die sich für irgend etwas mobilisieren lassen. Ich erlebe starke existentielle Nöte gerade bei denen, die eigentlich in die Lage gesetzt werden müßten, gesellschaftlichen Druck auf der Straße oder sonstwo herzustellen. Sie haben einfach keine Zeit und Kraft mehr, sich um künstlerische Fragen zu kümmern. Und die deutsche Linke ist dermaßen verprügelt und geschwächt, daß sie die Kraft nicht mehr aufbringt. Sich mit Kunst zu beschäftigen verlangt Konzentration, Kraft und auch Zeit. Das alles haben die wenigen in der authentischen radikalen Linken Verbliebenen nicht mehr. Ich kann das sehr gut nachvollziehen, aber trotzdem werde ich ihnen immer wieder den Vorwurf machen, daß sie es nicht tun, und gleichzeitig die Forderung aufstellen, daß sie es tun.

SB: Du bist mit deinen Bildern häufig in der jungen Welt präsent.

TR: Nein, das sind eben nicht meine Bilder. Ich bin ein Maler, der eine bestimmte Auffassung von der Malerei hat, die andere Künstler oder Menschen nicht mit mir teilen müssen. Ich komme aus einer bestimmten Richtung und verfolge bestimmte künstlerische Ziele weiter. Ob diese im Moment opportun sind oder nicht, ist irrelevant, aber ich sehe durchaus die gesellschaftlichen Zustände, in denen ich lebe, nicht als Künstler, sondern als normaler Bürger. Deswegen halte ich es nicht aus und stelle einen Teil meiner Kraft und künstlerischen Fertigkeiten zur Verfügung. Ich bin auch bereit, fünfzehn Meter lange Transparente farbig zu malen, damit unsere Demonstrationen anziehender und schöner werden und Aufmerksamkeit erregen, damit die Leute sagen, da ist etwas los, da sind Menschen, die sich freuen, zusammen zu sein, da gehen wir hin. Das Plakat sieht aber anders aus als die Bilder, die ich im Atelier male. Wir leben in einer Zeit, in der ich für mich entschieden habe, einen Teil meiner Arbeitskraft zur Verfügung zu stellen. Was ich für die junge Welt oder SDAJ oder DKP mache, sind aber nicht meine Bilder. Meine Bilder und meine künstlerischen Arbeiten, die politischen Zwecken dienen, unterscheiden sich voneinander. Sie sind verwandt, aber stellen dennoch zwei verschiedene Dinge dar.

Ich wäre froh, wenn man andere Künstler finden würde, die das auch tun. Wenn ich einen Anruf kriege und mich jemand fragt, wir machen eine internationale Aktion in Berlin oder Neukölln, kannst du ein Flugblatt dazu machen, dann kann ich es natürlich und mache es auch. Ich bin dann auch froh, wenn die Leute es annehmen und nicht herummosern, weil es nicht so ist, wie sie es kennen. Ich versuche, ihnen etwas zu bieten, damit wir auch nach außen hin wahrnehmbar werden. Und welches Medium ist dazu besser geeignet als die Malerei. Also nehme ich meine Fähigkeiten und Möglichkeiten, die ich aus der Malerei gewinne, um ein Flugblatt zu machen, das sich so unterscheidet, daß niemand auf den Gedanken kommt, wir wären eine langweilige, verbohrte Splittergruppe.

Karl Mickel war einer der großen deutschen Dichter der Nachkriegszeit. Er entstammte der sächsischen Dichterschule. Sein Hauptsatz "Spaß muß es machen, sonst macht es keinen Spaß" wurde von der Konsumgesellschaft mißbraucht. Wenn wir in unserer politischen Arbeit nicht vermitteln, daß es auch Spaß machen kann, zu uns zu kommen, haben wir schon verloren. Dann hat das Kapital gewonnen, weil es diese Losung perfekt umsetzt.

SB: Thomas, vielen Dank für deine kämpferischen Worte.

Fußnote:
[1] http://www.thomas-j-richter.de/

Im Interview - Foto: © 2012 by Schattenblick

Thomas J. Richter mit SB-Redakteur
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24. September 2012