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ANALYSE & KRITIK/302: Peru - Massaker am Morgen


ak - analyse & kritik - Ausgabe 540, 19.06.2009

Massaker am Morgen
Perus Regierung geht mit brutaler Gewalt gegen protestierende Indígenas vor

Von Eva Völpel


Am Morgen des 5. Juni hat Perus Regierung ihre Hände mal wieder in Blut getaucht: Nach über 50 Tagen Protesten, mit denen Hunderte von Indígenas aus den nördlichen Amazonasprovinzen Bagua und Alto Amazonas ihr Land und ihre Ressourcen verteidigt haben, bekamen Polizeisondereinheiten den Befehl, die friedlichen Straßenblockaden zu beenden.

Polizeikräfte feuerten aus Helikoptern und vom Boden auf die DemonstrantInnen. Wie viele Personen getötet wurden, bleibt unklar, da die Polizei etliche Leichen verbrannt bzw. in Flüssen entsorgt haben soll. Manche Quellen sprechen von mindestens 30 Todesopfern, andere von 150 Toten und ca. 300 Verletzten. Auch PolizistInnen kamen bei dem Angriff ums Leben. Ein Teil von ihnen wohl durch Schüsse aus den Waffen ihrer KollegInnen, ein Teil aber auch, weil Perus Indígenas es leid sind, sich wehrlos abschlachten zu lassen und das Feuer erwidert haben.

Organisiert in der nationalen Organisation der indigenen Völker des peruanischen Amazonas (Aidesep), sind indigene AmzonasbewohnerInnen seit Monaten auf die Straße gegangen und haben mit friedlichen Demonstrationen und Blockaden - auch auf Amazonasnebenflüssen - gegen den Raub an ihren Ressourcen protestiert. Die Regierung von Präsident Alan García hatte für die Umsetzung eines Freihandelsabkommens zwischen Peru und den USA, das seit Februar in Kraft ist, per Dekret zahlreiche Sondergesetze erlassen. Sie erleichtern die Aneignung und kommerzielle Nutzung von weiten Teilen des peruanischen Amazonaswaldes durch privatwirtschaftliche Unternehmen.

Die Dekrete, die ohne Mitsprache der betroffenen indigenen Gemeinden in Kraft gesetzt wurden und damit die Konvention 169 der Internationalen Arbeitsorganisation verletzen, sehen vor, dass Konzessionen für Holznutzungen in den Wäldern ohne Flächenbegrenzung, Kontrolle und Mitspracherechte der betroffenen BewohnerInnen des Gebiets an PrivatnutzerInnen übergeben werden können. Auch soll die Nutzung von Amazonasterritorium durch Erdöl- und Bergbauunternehmen in Zukunft problemlos möglich sein.

Alan García rechtfertigte das Vorgehen der Polizei, ohne mit der Wimper zu zucken: Die ProtestiererInnen seine "keine Bürger erster Klasse", so der Präsident nach dem Polizeieinsatz. Währendessen haben rund 100 peruanische KünstlerInnen und Intellektuelle eine Erklärung herausgegeben, in der sie das Vorgehen der Regierung scharf verurteilen: "Die mit Blut und Feuer vorangetriebene Durchsetzung des ökonomischen Modells des Neoliberalismus hat für ein Massaker an Hunderten von armen PeruanerInnen in der Amazonasregion gesorgt."

In Peru und zahlreichen Ländern Lateinamerikas, Europas und in den USA fanden am 11. Juni Solidaritätskundgebungen für die AmazonasbewohnerInnen statt. Allein in Lima gingen mehrere Tausend Personen auf die Straße. Auch sie wurden in gewohnter Weise "empfangen": Die Polizei feuerte Tränengasgranaten gezielt auf Oberkörper und Köpfe der DemonstrantInnen ab, berichten AugenzeugInnen, es gab zahlreiche Schwerverletzte. Umstrittene Gesetze vorläufig außer Kraft

Gegen Alberto Pizango, Präsident von Aidesep, hat die Regierung einen Haftbefehl erlassen. Pizango flüchtete in die nicaraguanische Botschaft und hat für das mittelamerikanische Land Asyl beantragt. Einigen alternativen Radiostationen, die in den letzten Tagen über die Proteste berichteten, hat die Regierung derweil die Sendelizenzen entzogen. Auch sieben oppositionelle Kongressmitglieder durften erleben, was das Regime García unter Demokratie versteht: Weil sie im Kongress gegen das Vorgehen von Polizei und Regierung protestierten, wurden sie kurzerhand für 120 Tage suspendiert. Doch eine - vorläufige - gute Nachricht gibt es: Der Kongress hat das umstrittene Gesetzespaket vorübergehend außer Kraft gesetzt.


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Quelle:
ak - analyse & kritik, Ausgabe 540, 19.06.2009
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veröffentlicht im Schattenblick zum 16. Juni 2009