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ANALYSE & KRITIK/358: Sie kamen nicht durch - Naziaufmarsch in Dresden verhindert


ak - analyse & kritik - Ausgabe 547, 19.02.2010

Sie kamen nicht durch
Blockaden verhinderten den Naziaufmarsch in Dresden

Von Maike Zimmermann


Es sind erschöpfte, aber größtenteils sehr zufriedene Gesichter, denen man am Abend des 13. Februar in Dresden-Neustadt begegnet. Ein langer Tag mit viel Schnee, Kälte, Blockaden, Nazis, Polizei und vor allem erfolgreichen Aktionen ist zu Ende gegangen. Viele andere werden noch bis spät in der Nacht auf der Autobahn unterwegs sein - der Weg nach Hause ist zum Teil sehr weit. Grund der zufriedenen Gesichter: Der bislang größte regelmäßig stattfindende Naziaufmarsch wurde mit Hilfe von Massenblockaden verhindert.

Viele tausend Menschen waren am 13. Februar - dem Jahrestag der Bombardierungen Dresdens durch die Alliierten - auf der Straße. Die bundesweiten Bündnisse Nazifrei - Dresden stellt sich quer sowie No pasarán hatten in den vergangenen Wochen breit zu Massenblockaden mobilisiert. (Vgl. ak 546 und ak 545) Mit Erfolg: Rund 10.000 Menschen verhinderten den Aufmarsch der Jungen Landsmannschaft Ostpreußen (JLO) und der NPD in Dresden-Neustadt. Dabei hatte es zuvor einiges an Schwierigkeiten gegeben. Noch am Vorabend des 13. Februar blieb das Szenario schwer vorhersehbar. Kundgebungen wurden nicht genehmigt, es wurde spekuliert, ob das Vorgehen der Polizei den Kriminalisierungsversuchen im Vorfeld entsprechen würde.


Erfolg durch gemeinsames Mit- und Nebeneinander

Das Konzept von Dresden Nazifrei und No pasarán ging auf: An verschiedenen entscheidenden Punkten wurde massenhaft blockiert, auf Straßen und Plätzen rund um den Bahnhof, auf den Gleisen zwischen Neustadt und Dresden-Mitte, auf den Brücken zwischen Alt- und Neustadt. Überall waren Leute, die dafür sorgten, dass die Nazis keinen Meter vorwärts kamen. Ergebnis war das, wogegen sich die Nazis zuvor erfolgreich juristisch gewehrt hatten: eine stationäre Kundgebung am Neustädter Bahnhof mit etwa 4.000 Teilnehmenden. Im Vergleich dazu: Im letzten Jahr marschierten knapp 7.000 Nazis stundenlang durch die von ihnen sehr begehrte historische Altstadt.

Entsprechend positiv war die Stimmung am Ende des Tages bei den TeilnehmerInnen wie auch VeranstalterInnen der spontanen Kundgebungen und Blockaden. Die Verhinderung sei ein großer Erfolg, so das Bündnis Dresden Nazifrei. Das Bündnis No pasarán resümiert: "Die Entwicklung eines spektrenübergreifenden Aktionskonsenses für die Blockaden war für den Erfolg der wesentliche Schlüssel."

Während in der Neustadt blockiert wurde, es zu Auseinandersetzungen mit zum Teil großen Gruppen "freilaufender" Nazis kam und die Szenerie von Polizeihubschraubern im Formationsflug begleitet wurde, versammelten sich auf der anderen Elbseite ebenfalls etwa 10.000 Menschen. Sie folgten dem Aufruf der Oberbürgermeisterin Helma Orosz zu einer Menschenkette unter dem Motto "Erinnern und handeln. Für mein Dresden". Die Berichterstattung nach dem 13. Februar könnte den Eindruck erwecken dass es nicht die Blockaden, sondern die Menschkette war, die den Aufmarsch verhinderte. "Eine Stadt wehrt sich" schreibt Spiegel Online, und auch für Focus oder Süddeutsche Zeitung ist das Händchenhalten zwischen Frauenkirche und Synagoge das entscheidende Zeichen gegen Rechtsextremismus.

Die Stärke der Proteste in der Neustadt war sicherlich deren gesellschaftliche Breite. Doch bedeutender ist, dass deutlich wurde: Nicht alle zivilgesellschaftlichen Kräfte stehen auf der Seite der vom Extremismus schwafelnden schwarz-gelben Regierung. Nicht alle glauben das Gerede von der "linksextremistischen Gefahr", sondern haben gemeinsam und solidarisch mit- und nebeneinander blockiert.

Und wie sehen die Nazis den diesjährigen 13. Februar? Ein Blick auf deren Internetseiten verrät: Hier wird gejammert, was das Zeug hält. Es sei skandalös, dass "aus verschiedensten Kreisen in Politik, Bürgertum bis hin zu gewaltbereiten Linksfaschisten aufgerufen wurde, Blockaden und Angriffe gegen eine rechtmäßige Demonstration durchzuführen", schreibt die JLO. Es folgt eine skurrile Analyse der gesellschaftlich-politischen Zusammenhänge: "Die Linksfaschisten benutzen, die Bürger belügen und die Nationalen verhindern war offenbar das Ziel der Dresdner Politbonzen." Die JLO tröstet sich mit dem "Gefühl des moralischen Sieges" - mehr können sich selbst die Nazis nicht zurechtbiegen.

Stundenlang mussten sie sich die Beine in den Bauch stehen, nur um dann von der Polizei unverrichteter Dinge in die Bahn gesetzt zu werden. Sicher: Etwa 2.000 Nazis waren von der Autobahnabfahrt bis zum Neustädter Bahnhof gemeinsam zu Fuß unterwegs - und das durchaus mit Transparenten und in Marschformation. Aber nicht einmal die Nazis selbst werten dies als Aufmarschteil.


Wie eine Hammelherde eingepferchte Nazis

Entsprechend liest sich auch das Fazit des Landesvorsitzenden der NPD in Sachsen, Holger Apfel. Man werde für das nächste Jahr "im Rahmen des Vorbereitungskreises über neue Formen der Durchführung des Trauermarschs nachdenken müssen". Christian Worch, führende, wenn auch umstrittene Figur im Spektrum der Freien Kameradschaften, wird da konkreter. Man dürfe sich zukünftig nicht mehr wie eine "Hammelherde an einem einzelnen Ort einpferchen lassen", sondern müsse von mehreren Punkten starten - der Relaunch einer Sternmarschidee also, mit der Worch bereits in der Vergangeneinheit gescheitert ist.

Ob "die Kameraden" auf ihn hören werden, ist mehr als fraglich. Allerdings wären innovative Ideen von Seiten der JLO und der NPD auch äußert überraschend. Für den Aufmarsch in Dresden war es von großer Bedeutung, dass er wiederkehrend, im Ablauf ungestört und in der von den Nazis als so wichtig erachteten Ruhe und Ordnung stattfinden konnte. Das ist dieses Jahr gründlich in die Hose gegangen.


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Quelle:
ak - analyse & kritik, Ausgabe 547, 19.02.2010
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veröffentlicht im Schattenblick zum 2. März 2010