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ARBEITERSTIMME/251: Großbritannien - Die Politik der Koalition wurde bei den Kommunalwahlen verworfen


Arbeiterstimme, Sommer 2012, Nr. 176
Zeitschrift für die marxistische Theorie und Praxis
- Die Befreiung der Arbeiterklasse muß das Werk der Arbeiter selbst sein! -

Großbritannien

Die Politik der Koalition wurde bei den Kommunalwahlen verworfen



Die Wahlen auf Gemeindeebene in Großbritannien am 3. Mai zeigten, wie unpopulär die Koalition von Tories und Liberaldemokraten im Lande ist. Sie zeigten aber auch einen steigenden Zynismus über die Politiker, wobei nur 30 % ihre Stimme abgaben. Labour hatte ein kleines Comeback mit 38 % im Vergleich mit 31 % für die Tories und 15 % für die Liberaldemokraten. 15% der Wähler stimmten für kleine Parteien und Unabhängige, die sich gut schlugen. In Bradford errang Respect, deren Gallionsfigur George Galloway im April einen Sitz im Parlament von Labour eroberte, fünf Sitze im Stadtrat. UKIP (UK Independence Party - anti-EU) hielt sich gut, da sie die Stimmen der rechten Tory-Anhänger auffingen, die mit Cameron unzufrieden waren. Ebenso verleibte sich die UKIP die Anhängerschaft der BNP ein. Diese verlor jeden ihrer Sitze, den sie verteidigte. Ihr sind jetzt nur noch drei Ratssitze in England verblieben.

In einigen Städten verloren die Liberaldemokraten jeden Sitz, der zur Wahl stand. In Edinburgh schlug ein Pinguin den liberaldemoktratischen Kandidaten (ein Protestkandidat, der wie ein Pinguin gekleidet war). In Schottland schlug sich die SNP gut, aber Labour behauptete sich in den großen Städten. In Wales gewann Labour in den Industriegebieten in signifikantem Ausmaß von allen Parteien.

Das schwache Ergebnis für die Koalitionsparteien führte dazu, dass der rechte Flügel der Tories nicht nur offen nach einer Rechtswende und einem Abrücken von der liberaldemokratischen Politik rief, wie z.B. gleichgeschlechtlichen Heiraten, sondern sie fordern Camerons Rückzug als Parteiführer. Eine Dissidentin, Nadine Dorries, bezeichnete die Führer der Tories als "dumme Jungen, die nicht einmal den Preis von einer Flasche Milch kennen". Das stimmt: Lehrer in den Schulen berichten, dass Kinder an Unterernährung leiden und sie kaufen den Kindern etwas zum Essen. Mütter gehen ohne etwas zu essen aus dem Haus, damit für ihre Kinder noch etwas zu essen bleibt. Dorries glaubt, dass Cameron schon vor Weihnachten sein Amt verliert.

In zehn großen Städten wurden die Wähler gefragt, ob sie einen gewählten Oberbürgermeister ("Mayor") haben wollten. (Traditionellerweise sind die Mayors symbolische Figuren ohne jede macht.) Außer in Bristol war die Antwort: nein, danke. In Salford und Liverpool wurden die Wahlen zum Oberbürgermeister ohne vorhergehendes Referendum abgehalten; beide Male gewann Labour. Gewählte Oberbürgermeister werden als nur noch ein teuerer Parasit mehr, für den man bezahlen muß, betrachtet. Als vor einigen Jahren in Hartlepool ein Oberbürgermeister zu wählen war, wählten die Wähler einen Affen (ein Mann, der als Affe verkleidet war, wie das Maskottchen des lokalen Fußballvereins).

In London wurde der Tory Boris Johnson als Oberbürgermeister wiedergewählt. Er errang einen knappen Sieg gegen Ken Livingstone von Labour. Livingstone hatte die Medien gegen sich. Über die Jahre hatte er sich wegen seiner Unterstützung für die palästinensische Sache einigen Teilen der jüdischen Gemeinschaft entfremdet. Auch wurde enthüllt, dass er den geringsten Steuersatz zahlte, indem sein Gehalt in eine Gesellschaft eingezahlt wurde, was für gewöhnliche Menschen nicht üblich ist. Im Wahlkampf ging es also mehr um Persönlichkeiten als um Politik. Boris wird als eine Art Clown angesehen und als abgetrennt von der konservativen Partei. Manche sehen ihn als möglichen Führer, wenn Cameron entlassen wird, aber er ist zu sehr "unfallgefährdet", um ein Staatsmann zu sein, und er denkt nicht, bevor er seinen Mund aufmacht. Livingstones Niederlage lief gegen den sonst festzustellenden Trend.

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Quelle:
Arbeiterstimme, Nr. 176, Sommer 2012, S. 31
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veröffentlicht im Schattenblick zum 29. August 2012