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ARBEITERSTIMME/364: Österreich - Kürzen und spitzeln für den Heimatschutz


Arbeiterstimme Nr. 198 - Winter 2017/2018
Zeitschrift für die marxistische Theorie und Praxis
Die Befreiung der Arbeiterklasse muß das Werk der Arbeiter selbst sein!

Kürzen und spitzeln für den Heimatschutz
Österreich nach der Wahl: neoliberaler Rechtsradikalismus


In Österreich ist eine schwarz/türkis - blaue Koalition so gut wie sicher. Erste verkündete Maßnahmen im Regierungsübereinkommen : auf Asylwerber und Bedürftige kommen Restriktionen zu, bei der Polizei wird massiv ausgebaut und das Bundesheer wird aufgerüstet. Die Mindestsicherung, als letztes soziales Netz, bisher Ländersache soll an den Bund gehen. Als Vorbilder in Sachen Mindestsicherungskürzung gelten das VP/FP geführte Oberösterreich und das unter ÖVP-Dominanz stehende Niederösterreich. Widerstand gegen die angedachten Maßnahmen hat das "rote Wien" unter dem Sozialdemokraten Häupl angekündigt. Das Innenministerium wird wahrscheinlich nach US-amerikanischen Vorbild den Zusatz Heimatschutz erhalten, die Bespitzelung und Überwachung wird massiv ausgebaut werden und mit all diesen Maßnahmen die schwarzblaue, vom Boulevard zusätzlich aufgehetzte Wählerklientel bedient. Die Furcht vor den Flüchtlingen muss am Köcheln gehalten werden.

"Die Zurückweisung einer im internationalen Vergleich überschaubaren Zahl von Geflüchteten wird zur Frage der nationalen Sicherheit stilisiert, Zäune werden gebaut, 'Schicksalsgemeinschaften' beschworen ­... Es scheint, als würde sich die politische Elite Europas in dem Bestreben annähern, an den Geflüchteten ein Exempel zu statuieren ­..." (Ulrich Brand: Imperiale Lebensweise, München 2017, S. 10)

Gesamtergebnis 
SPÖ:
ÖVP:
FPÖ:
Grüne:
Pilz:
Neos:
26,9%
31,5%
26,0%
3,8%
4,4%
5,3%


Auswirkungen werden weiters sein: die Zerschlagung der Selbstverwaltung der Krankenkassen und deren staatliche Zentralisierung mit Langzeitperspektive der Privatiserung, Umwelt- und Klimaschutz finden im Regierungsübereinkommen große Überschriften, allerdings wie etwa Greenpeace bemängelt keine konkreten Schritte zu deren Konkretisierung (für einige der FPÖ-Verhandler ist der Klimawandel naturbedingt). Angriffe auf die Rechte der Arbeitenden (Arbeiterkammer etwa), Sozialabbau, Steuersenkung für große Konzerne und bei Besserverdienenden. Eine außenpolitische Annäherung an die VISEGRAD-Staaten ist wahrscheinlich.

Die Wirtschaft ist im Aufschwung, die Arbeitslosenzahlen nehmen ab, gleichzeitig vergrößert sich die Einkommensschere massiv. Aber den Wahlkampf dominierte die Flüchtlingsfrage. Der rechtsextremen FPÖ gelang es mit dieser Thematik die Hegemonie zu erlangen.. Obwohl Österreich laut OECD eines der Schlusslichter bei der Besteuerung von Vermögen und Gewinnen ist, plant die neue Regierung weitere Erleichterungen.

ÖVP

Dem Wahlsieger Sebastian Kurz (33.6 Prozent, plus 7,6%), wahrscheinlich der neue Kanzler, gelang es mit taktisch klugen Winkelzügen mit seinem ausländerfeindlichen Kurs die FPÖ zu überholen. Kurz, mit 31 Jahren jüngste Minister ist paradoxerweise der längst dienende aller Minister. Er versteht es blendend im Wahlkampf für den bewusst herbeigeführten Stillstand in der Regierungsarbeit, die Sozialdemokraten verantwortlich zu machen. Er putscht mit Hilfe von VP-Granden, wie Schüssel und der Großindustrie, in einem minutiös ausgearbeiteten Plan seinen Vorgänger Mitterlechner, einen relativ moderaten, auf Konsens ausgerichteten Konservativen hinweg.

Es gelingt ihm in einem nach US-Vorbild geführten Wahlkampf, unterstützt von den Boulevardmedien, den Eindruck einer auf Erneuerung und vor allem Veränderung gerichteten neuen Politik zu vermitteln mit leeren Formeln, wie "tun was richtig ist," "sagen, was Sache ist" (!!!). Seine inhaltsleeren Wahlkampfauftritte kann man mit "Brot und Spiele" am besten umschreiben: Freibier, Würstl, Show, Musik und ein nichtssagender Kurzauftritt des Kandidaten.

Kurz, einer der reaktionärsten Politiker der westeuropäischen Konservativen spielt als junger dynamischer Macher und Akteur, er schmeißt die ganze bisherige Bündestruktur seiner Partei auf den Haufen. Er gründet, in Anlehnung an Jörg Haider nur erfolgreicher, eine "Bewegung Sebastian Kurz" mit türkis als neuem Markenzeichen. Er spricht damit die in der Bevölkerung verbreitenden Ablehnung "der Parteien" mit Erfolg an. In den inflationären Fernsehdiskussionen gelingt es ihm geschickt praktisch jedes Problem mit den Flüchtlingsproblematik zu verbinden! Und gerade rechtzeitig bevor dieses Thema an Bedeutung verliert, wird es wieder und wieder in den Vordergrund gerückt und die durch Digitalisierung und den raschen Wandel der Arbeitsverhältnisse verunsicherten und benachteiligten Teile der Bevölkerung angesprochen.

Er setzt seiner Partei ein Ultimatum: ich als Alleinbefugter oder der Abfall auf Platz drei in Österreich. Und die mächtigen Landeshauptleute, die Chefs der Bünde (Bauernbund, Wirtschaftsbund, ÖAAB) usw. unterwerfen sich seinem Diktat, genau wissend, dass nur er als Führer die Wahl gewinnen kann.

Erstaunlich, wie das fast ohne Widerstand über die Bühne geht.Eine Partei entmachtet sich selbst, um erfolgreich ihre Macht zu erhalten. Der Chef ernennt seine Kandidaten in diktatorischer Weise, darunter als Aushängeschilder viele Quereinsteiger mit wenig bis gar keiner Erfahrung in Politik. Und in Anlehnung an Jörg Haider: profitieren sollen die Fleißigen und die Tüchtigen, die anderen sollen schauen, wo sie bleiben.

Die ganze Wahlauseinandersetzung wird hauptsächlich zu einer drei-Personenshow, ohne tiefgreifende Inhalte.

FPÖ

Kurz künftiger Regierungspartner, die FPÖ erreichte 26,0 Prozent, das war ein Gewinn von 5,5%, und liegt praktisch gleichauf mit der SPÖ.

Die Rechtsextremen hatten vor der "KURZerscheinung" die ideologische Hegemonie und lagen gleichauf mit der von Kern geführten SPÖ. Die FPÖ hat geschickt die Abstiegsängste der kleinbürgerlich denkenden Masse der Bevölkerung artikuliert und verstärkt. Flüchtlinge und Kriminelle als Feindbildprojektion verwenden sowohl FPÖ als auch ÖVP, diese allerdings weniger radikal und historisch vorbelastet.

Die Linke wird insgesamt massiv angegriffen. In Oberösterreich forderte der LH-Stellvertreter Haimbuchner in einer eigenen Webseite Schüler auf, kritische Lehrer zu bespitzeln und anzuzeigen.

Bei Wahlkampfbiertischveranstaltungen wird der übliche verlogene Hurrapatriotismus "Österreich zuerst" mit den üblichen Hetzparolen für die einfältigen Wähler zelebriert, während Strache sich bei TV-Shows betont staatsmännisch zurückhaltend präsentiert.

Programmatisch wird die Partei dominiert von deutschnationalen, schlagenden Burschenschaften, die das Dokumentationsarchiv des österr. Widerstandes überwiegend als rechtsextrem einstuft. Jörg Haider hatte diese Seilschaften bewusst zurückgedrängt, unter Strache und Hofer haben dies Cliquen massiv an Einfluss gewonnen. Im aktuellen Parlament sind wieder ein Großteil der FP-Abgeordneten Burschenschaftsmitglieder mit Nahverbindungen zu den Identitären. Ehrung von NS-Kriegsverbrechern etc. Vorfälle dieser Art passieren ständig, meist ignoriert von den Massenmedien.

Strache betonte gebetsmühlenartig die Gesetzesverletzung bei der Aufnahme der vielen Flüchtlinge im Herbst 2015, unterstützt vom auflagenstärksten Boulevardmedium, der Kronenzeitung.

Den Rechten unter Kurz ist die rechtsextreme Ideologie offensichtlich kein Hindernis Sie werden zum Steigbügelhalter der FPÖ und diese dadurch salonfähig. Nicht zum ersten Mal in der Geschichte.

Deren Wirtschaftsprogramm, etwa formuliert in den Leitlinien des "Atterseerkreises" trägt brutale neoliberale Grundzüge. Einsparungen im Sozial- und Gesundheitsdienst in Milliardenhöhe (man nennt das "Optimierung"), für Kapitalgesellschaften sollen die nicht entnommenen Gewinne halbiert und schlussendlich abgeschafft werden. Für Besserverdienende werden Steuersenkungen vorgeschlagen, die Arbeitszeitflexibilisierung mit 12-Stundentag soll kommen und ein Angriff auf die Kollektivverträge steht im Programm.

Als unter Kanzler Schüssel die FPÖ unter Haider zum Regierungspartner wurde, war der Aufschrei in der EU groß. Man erinnert sich an die verhängten Sanktionen. Heute erregt das kein großes Aufsehen mehr. Verzweifelte Versuche von NGOs, wie SOS Mitmensch, die kürzlich eine Dokumentation über die Verwicklung freiheitlicher Spitzenpolitiker in die rechtsextreme und neonazistische Szene an Kurz und Bundespräsident v.d. Bellen sandte, wird kaum Auswirkungen haben. Zu sehr deckungsgleich sind die Programme von ÖVP und FPÖ, was am Beispiel in Oberösterreich deutlich wird. Dort haben beide Parteien, nach der Wahl, ein brutales Einsparungsbudget auf Kosten der Sozial schwachen beschlossen.

Nur in der Haltung zur EU gab es große Differenzen. Um regierungsfähig zu werden und auch wegen der sichtbar werdenden negativen Auswirkungen des Brexits auf Großbritannien, musste die FPÖ ihre ablehnende Haltung gegenüber der EU ändern. Der Austritt ist für sie derzeit keine Option. Gleichzeitig schmiedet sie im EU-Parlament unter Führung Harald Vilimskys rechtsextreme Allianzen mit Austrittsgegnern wie dem Front National, der AFD und dem Vlaams Block.

SPÖ

Die Sozialdemokraten erreichten, dank vieler ehemaliger Grünwähler mit 26,9 Prozent (keine Veränderung) ein respektables Ergebnis. Bei Meinungsumfrage sackten sie, infolge einiger Skandale in der Zwischenzeit schon auf 20% ab.

In den Fernsehkonfrontationen der drei Spitzenkandidaten konnte der Noch-Kanzler Kern mit seiner Kompetenz punkten. Er sieht sich als Manager der Nation. Er präsentierte ein keynesianisch inspiriertes auf soziale Abfederung der Modernisierung entwickeltes Programm. In der alten Regierung initiierte er in diesem Sinn die Aktion 20.000 für ältere Arbeitnehmer und eine Jobprämie für Neueinstellungen. Beide Aktionen werden wahrscheinlich Von der neuen Regierung eliminiert. In seinen Plänen schlug er eine Computer- und Maschinensteuer vor. Pläne die bereits vor Jahrzehnten vom damaligen Sozialminister Dallinger gefordert wurden. Chancen zur Verwirklichung in der Koalition mit den Vertretern des Großkapitals null. Insgesamt driftet die Partei als gesamtes nach rechts. Kern forderte im Einklang mit Frontex Flüchtlinge in Libyen in Lagern einzusperren - natürlich human. Die jetzt veröffentlichten Berichte zeigen ein grausiges Bild der Realität.

Die SPÖ ist eine tief gespaltene Partei, u.a. was die Frage der Zusammenarbeit mit der FPÖ betrifft. Obwohl im gültigen Programm eine Zusammenarbeit ausgeschlossen wird, ignorieren dies große Landesorganisationen. Die Burgenländer haben nach der Landtagswahl eine Koalition mit den Freiheitlichen gebildet. In Linz, einer der größten SP-Organisationen gibt es im Gemeinderat eine de facto Koalition. Der FP-Chef in Linz ist Mitglied einer rechtsextremen Verbindung mit besten Kontakten zu den Identitären!

Ein strikter Gegner einer Zusammenarbeit ist der Wiener Bürgermeister Häupl, der überraschenderweise als einziger deutliche Gewinne bei der Wahl eingefahren. Doch in Wien gibt es heftige Auseinandersetzungen um seine Nachfolge. Die sogenannten Außenbezirke verlangen eine härtere Gangart gegen Asylanten, stehen der FPÖ kaum ablehnend gegenüber und hoffen ihren Bürgermeisterkandidaten durchzubringen.

Christian Kern verzichtete, entgegen den Gepflogenheiten seines Vorgängers Faymann auf geschaltete Wahlwerbung in den Boulevardmedien. Er brüskierte außerdem die Kronenzeitung, indem er einen paranoiden Psychotest, dem sich alle Kanzlerkandidaten einschließlich der Grünen(!!!) stellten, abbrach. Es folgt bis heute eine Hetzkampagne der übelsten Art. Der Boulevard puscht den sozialdemokratischen Verteidigungsminister Doskozil, Ausländerfeind und Wahlaushängeschild für FPÖ-nahe Sozialdemokraten zum Nachfolger von Kern.

Die Wahlkampagne der SPÖ war eine Serie von Pannen und Fehltritten. Zu Beginn wollte man unter dem unglücklich formulierten Slogan: "Holt Euch, was Euch zusteht" auf die ungerechte Einkommensverteilung hinweisen. Sofort hagelte es Kritik von den bürgerlichen Medien. "Penetranter Klassenkampf" meinten die bürgerlichen Oberösterr. Nachrichten. In der Kronenzeitung drückte ein Leserbriefschreiber, stellvertretend für viele das so aus: "startet die SPÖ einen Klassenkampf im ultralinken Stil und ruft die benachteiligten Menschen auf, sich zu holen, was ihnen zusteht. (schlimm, Anm. des Autors) Das ist ein Aufruf zu kriminellen Handlungen: ... Hausbesetzung und keine Steuern bezahlen" (7.10.2017, S. 40)

Im Land der Vorzeigesozialpartnerschaft und jahrelangen Entideologisierung kam diese Kampagne schlecht an.Es folge der Schwenk auf das Leitbild des staatsmännisch erfahrenen Bundeskanzlers bis zum Auffliegen einer Facebookaffaire.

Kern und sein Team hatten auf Empfehlung des Ex-Bundeskanzlers Gusenbauer, Ex-Chef der SPÖ Bildungsakademie und Berater von Diktatoren und Inhaber eines riesigen Finanz- und Beratergeflechtes, den bekannt zwielichtigen Silberstein als Wahlkampfmanager engagiert. Nach seiner Verhaftung in Israel wegen dubioser Geldgeschäfte trennte sich Kern von ihm, doch leider zu spät. Ein paar übereifrige Mitarbeiter hatten bereits im Internet eine Verleumdungskampagne gegen den ÖVP-Kandidaten Kurz inszeniert. Diese Affaire beherrschte tagelang die Schlagzeilen.

Die SPÖ befindet sich jetzt in einer Selbstfindungsphase. Die ungewohnte Oppositionsrolle zwingt dazu. Dabei werden für den zukünftigen Kurs auch neoliberale Töne laut. Nach wie vor dominieren die Sozialdemokraten die Gewerkschaften und Arbeiterkammern, während bei Wahlen die FPÖ längst zur Arbeiterpartei aufgestiegen ist. Besserverdienende und Akademiker wählen überwiegend SP. Die Forderung nach Umverteilung, etwa in Form einer Erbschaftssteuer oder Besteuerung großer Vermögen hat zwar in Koalition mit der ÖVP keine Chance auf Verwirklichung, kann aber offenbar die Schwächsten der Gesellschaft auch nicht anspreche.

Das Grüne Desaster!

Die Grünen erreichten 3,80%, was einen Verlust von 8,60 Prozent bedeutete. Eine katastrophale Schlappe und der Rauswurf aus dem Parlament!!! Das bedeutet für viele NGOs und Alternativprojekte das mögliche Aus und für die Grünen selbst ein riesiges Finanzloch, das nun hauptsächlich von den Bundesländern getilgt werden muss!

Im Parlament werden viele kritische Anfragen zu Umwelt- und Klimaschutz, zur Flüchtlingsfrage und zum Antifaschismus fehlen. Nach neuesten Umfragen stürzt die Partei auch in den Bundesländern ab. Keine guten Voraussetzungen für die Wahlen in den Ländern im ersten Halbjahr 2018. In Wien, der größten Bastion der Grünen steht die grüne Vizebürgermeisterin unter heftiger Kritik der Basis. Sie konnte am letzten Parteitag gerade noch ihre Abwahl verhindern.

Die Wahl Alexander van der Bellens zum Bundespräsidenten war ihr größter Erfolg, doch dem Höhenflug, folgte der rasante Absturz. Zu Beginn des Jahres gab es heftige Konflikte der Jungen Grünen mit der Parteichefin Eva Glawischnigg. Die Hintergründe waren eher lächerlich, doch Glawischnigg setzte in ihrer verkrusteten Führung den Ausschluss der Grünen Jugend durch. Einige blieben in der Partei, der größere Teil formierte sich unter Abkürzung PLUS und kandidierte gemeinsam mit der KPÖ.

Glawischnigg legte kurz danach genervt der Vorsitz zurück und ein Dreiervorstand sollte nun die Bewegung in die Wahl führen. Ein Relikt aus grauer, grüner Vorzeit, die Basisdemokratie, verursachte die nächste Katastrophe. Bei den Vorwahlen wurden etliche grüne Urgesteine abgewählt, so der äußerst kompetente Agrarsprecher, der Justizverantwortliche, sowie der "Aufdecker der Nation" Peter Pilz, dessen gekränktes Ego verkraftete diesen Tiefschlag nicht. Er trat mit einer eigenen Liste an.

Obwohl sich die grüne Spitzenkandidatin, EU-Abgeordnete Lunarcek in den Diskussionen recht kompetent zeigte, wechselten viele ehemalige Grünwähler zur Liste Pilz oder zur SPÖ, um vielleicht doch noch eine blaue Regierungsbeteiligung zu verhindern.

Die Grünen sind längst zur etablierten Mittelstandspartei geworden. Im 7. Bezirk in Wien indem sie den Bezirksvorstand stellen, gibt es die meisten SUV-Fahrer. Im Salzburger Ort Goldegg haben die Grünen aus Rücksicht auf die Bevölkerung eine Gedenktafel für Verfolgte des NS-Regimes abgelehnt! Und in Tirol stimmte sie der Kürzung der Mindestsicherung für anerkannte Flüchtlinge zu!

Liste Pilz

Den Einzug in den Nationalrat mit 4,4% schaffte Peter Pilz. Pilz, ein Mann der das Rampenlicht braucht, zieht gerne eine One-man Show ab. Er hatte sich als Einzelkämpfer beim Aufdecken und initiieren von parlamentarischen Untersuchungsausschüssen, etwa zum Eurofighterskandal, österreichweit einen Namen gemacht. Er fand relativ großen Zuspruch und es gelang ihm mit prominenten Quereinsteigern eine diffuse Bewegung zu ins Leben zu rufen. Sein Leitthema: parlamentarische Kontrolle fand angesichts diverser Skandale (BUWOG, Kärntner Hyposkandal etc.) Anklang. Pilz forderte bereits bei den Grünen mehr Populismus, seine Broschüre:

"Heimat Österreich, ein Aufruf zur Selbstverteidigung" rückte ihn in die Nähe der FPÖ-Heimatschützer. Resonanz in den Medien und bei vielen Menschen fand er mit seinem marktschreierischen Enthüllungen über den politischen Islam in Österreich. Und kurz nach Ausbruch der Flüchtlingskrise konterkarierte er die Parteilinie: "Ich will so wenig Flüchtlinge wie möglich. Da stehe ich nicht mit einer Kerze an der Südgrenze und freue mich über jeden der kommt" (Oberösterr. Nachrichten, 26.7.2017, S. 3)

Nach der Wahl holte ihn die eigene Vergangenheit ein. Eine ehemalige Mitarbeiterin im Büro der Grünen beschuldigte, den anscheinend sehr dominanten Macho glaubhaft der sexuellen Belästigung Daraufhin meldeten sich noch weitere Opfer. Er entschuldigte sich bei den betroffenen Frauen und erklärte den Verzicht auf sein Mandat! Seine Liste steht nun vor einem Scherbenhaufen, will aber trotzdem weitermachen.

NEOS

Die NEOS stagnierten bei 5,3%. Ihr Wahlerwartung auf ein zweistelliges Ergebnis wurden enttäuscht, auch deswegen weil die Schnittmengen zur "Bewegung Kurz" zu groß waren. Die Bewegung wurde vor der letzten Wahl hauptsächlich von der ÖVP nahestehenden Wirtschaftstreibenden gegründet, als Reaktion auf die bürokratische, in bündischen Strukturen verkrustete ÖVP. Sie präsentiert sich als dynamische, innovative neoliberale Bewegung. Sie vertritt, ähnliche Positionen, wie die FDP in Deutschland. Die NEOS verstehen sich als Vertretung der aufstrebenden, innovativen KMU's. Und genau auf diesem Feld der Veränderung, des Aufbrechens bürokratischer Strukturen und des Erneuerns ackerte diesmal mit Erfolg auch der ÖVP Kandidat.

Als arbeitnehmerfeindliche Partei sind sie gegen den Mindestlohn, für den 12-Stundenarbeitstag und für weitere Privatisierungen. Mit 30.000 Mann sollten die EU-Außengrenzen gesichert werden, auf dass der Zulauf zur FPÖ sich verringere (!!!).

Das große Fragezeichen wird sein, wo die NEOS im Parlament der zukünftigen Regierung eine notwendige Zweidrittelmehrheit bei Verfassungsänderungen sichern werden. Dies betrifft etwa die Schwächung der Arbeiterkammern oder Neuaufstellung der Krankenkassen.

KPÖ PLUS

Über das Antreten und Abschneiden der einzigen linken Alternative gilt es zwei positive Aspekte zu erwähnen. Erstens das Aufbringen der notwendigen Unterschriften in ganz Österreich und zweitens die Verjüngung und Auffrischung der Kandidatenliste durch die schon erwähnten Bewegung PLUS der ehemals jungen Grünen. Das Ergebnis war nach einer auf soziale Fragen abgestimmten Wahlkampagne enttäuschend. 0,8% der Stimmen und wieder 0,25% verloren.

Österreich folgt dem europäischen Trend nach rechts. Es ist zu befürchten, dass auf Österreich frostige Zeiten zukommen!

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Quelle:
Arbeiterstimme Nr. 198 - Winter 2017/2018, Seite 20 bis 23
Verleger: Thomas Gradl, Bucherstr. 20, 90408 Nürnberg
E-Mail: redaktion@arbeiterstimme.org
Internet: www.arbeiterstimme.org
 
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veröffentlicht im Schattenblick zum 30. Januar 2018

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