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AUFBAU/236: Afghanistan oder das Scheitern der Kriegspolitik


aufbau Nr. 59, Dezember/Januar 2010
klassenkampf - frauenkampf - kommunismus

Afghanistan oder das Scheitern der Kriegspolitik

AFGHANISTAN - Der US-Imperialismus will mit Truppenaufstockungen den verlorenen Krieg gewinnen. Grossbritannien und Deutschland blasen zum Rückzug. Die Luftangriffe auf Pakistan erinnern fatal an die Angriffe auf Laos und Kambodscha im Vietnamkrieg.


(rabs) Desolater könnte sich die Situation in Afghanistan für den US-Imperialismus kaum darstellen. Ein durch ungeheuerliche Wahlfälschung an die Macht gekommener, korrupter Präsident, dessen Bündnispartner scharenweise zu den Taliban überlaufen. Auf der anderen Seite ein mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichneter US-Präsident, angetreten, um den Krieg in Afghanistan zu verschärfen und zu gewinnen. Und das ausgerechnet in Afghanistan, einem Land, in dem die ausländischen Mächte seit eh und je jeden Krieg verloren haben. Gelernt haben die Politiker und ihre Militärs wenig, im Namen des Krieges gegen den Terror terrorisieren und drangsalieren sie die Bevölkerung wie ihre gescheiteren Vorfahren.

Fatal an den Vietnamkrieg und die Angriffe auf die Nachbarländer Laos und Kambodscha erinnert die Eröffnung einer weiteren Kriegsfront im Afghanistan-Krieg. Systematisch wird seit längerer Zeit das pakistanische Grenzgebiet bombardiert. Mit der Drohung, auch mit Truppen einzumarschieren und den Dollarfluss an die Regierung zu stoppen, erzwang Washington die militärische Offensive der pakistanischen Armee gegen die Taliban. Zuerst im Swat-Tal, wo die Bomben über drei Millionen Menschen vertrieben und jetzt in Süd-Waziristan. Die Bilanz: Militärisch wurden die Taliban kaum geschwächt. Im Gegenteil, sie finden unter den Flüchtlingen nicht wenig Zulauf.


Die Allierten blasen zum Rückzug

Mit bis zu 40.000 Armeeangehörigen soll die jetzt schon 68.000 Soldatinnen zählende US-Truppe in Afghanistan aufgestockt werden. Dass damit der längst verlorene Krieg doch noch gewonnen werden kann, wird selbst in US-Militärkreisen bezweifelt. Für den britischen Imperialismus ist der Krieg gelaufen - statt wie gefordert Truppen aufzustocken präsentiert der englische Premier Brown einen Rückzugsplan. Der Kampf gegen den Terrorismus soll ab 2010 in Afghanistan durch "lokale Truppen" geführt werden. Aussenminister Milibrand sieht für diese Aufgabe auch "gemässigte Taliban" vor.(1) Eindrücklicher kann die totale Niederlage kaum dokumentiert werden.

Bekanntlich verteidigt ja auch Deutschland seine Freiheit am Hindukusch. Allerdings, zumindest bis zum Regierungswechsel, galt bei den deutschen ImperialistInnen das K-Wort als verpönt. Statt von Krieg sprach man konsequent von einer Friedensmission. Die Reihenfolge der Wortwahl der Rechtfertigung für den Überfall auf Afghanistan durch das auswärtige Amt bringt die Interessenslage präzise auf den Punkt: "Unser Engagement dort dient in gleichem Masse deutschen, internationalen und afghanischen Interessen.(2) Der adlige Kriegsminister zu Guttenberg verstieg sich dieser Tage nun zur Behauptung, in Afghanistan herrsche Krieg. Es brauchte wohl kaum das von der Bundeswehr angerichtete Massaker anfangs September mit 100 Toten und zahlreichen Verletzen, um zu diese Lagebeurteilung zu gelangen. Trotzdem löste diese Äusserung in Deutschland eine Debatte zwischen den verschiedenen bürgerlichen Fraktionen aus - schliesslich hat man sich doch bislang auf den Sprachgebrauch einen humanitären Einsatzes für den Frieden geeinigt. Die mittlerweile auch von der UNO getragene "Friedensmission" ist allerdings ein handfester Kolonialkrieg, den die imperialistischen Mächte im Verbund mit lokalen Lakaien führen. Und der Herr zu Guttenberg hat nun mal wenig Berührungsschwierigkeiten mit alten imperialistischen Traditionen.

Der Begriff "Lakai" ist in Afghanistan allerdings nur bedingt richtig. Die verschiedenen Kriegslords, die die Fronten je nach Interessenslage wechseln, sind weniger Lakaien denn opportunistische Machtpolitiker. Und als solche höchst unsichere Bündnispartner, ein Teil von ihnen hat sich seit längerem wieder mit den Taliban verbündet. Wenn nun also auch Herr zu Guttenberg verkündet, Deutschland werde sich bereits 2010 aus Teilen Nordafghanistans zurückziehen und diese Gebiete afghanischen Truppen zur Kontrolle übergeben, heisst dies nichts anderes, als dass die alten Warlords wieder uneingeschränkt schalten und walten können.


Der diebische Präsidentenclan

Ein wirklicher Lakai ist der korrupte Präsident Karzai, der seinen Palast aus Sicherheitsgründen längst nicht mehr verlassen kann. Die Ironisierung seiner Funktion als "Präsident von Kabul" ist bereits eine massive Übertreibung. Seine Vergangenheit als Supermarktbesitzer in den USA erinnert an die vom italienischen Liedermacher Francesco Gregori in seinem Lied "Wer stiehlt in den Supermärkten" so trefflich auf den Punkt gebrachte Klassenanalyse: "Auf welcher Seite stehst Du? Bei denen, die in den Supermärkten stehlen oder bei denen, die diese, stehlend, gebaut haben?"

Mit einfachem Diebstahl begnügt sich allerdings die Familie Karzai nicht. Der Bruder des Präsidenten, Ahmed Wali Karzai ist einer der grössten Drogenhändler Afghanistans und soll gemäss verschiedenen Berichten eng mit dem CIA zusammenarbeiten. Bekanntlich war der US-Geheimdienst noch nie wählerisch in der Auswahl seiner Mitarbeiter, nur wird damit die Kritik von Aussenministerin Clinton an der Misswirtschaft und Korruption von Präsident Karzai auch nicht glaubwürdiger.

Auf welcher Seite stehst Du - genau diese Frage hatte der US-amerikanische Armeepsychiater Nidal Malik Hasan mit seiner Kritik am Irakkrieg falsch beantwortet. Gegen seinen Willen sollte er deshalb im Irak zum Abschuss freigegeben werden. Sein Amoklauf mag zwar die falsche Antwort oder zumindest das falsch gewählte Ziel auf dieses zynische Unterfangen durch die US-Army sein. Aber ehrlicher als der heuchlerische Aufschrei des Entsetzens, der ob der 13 toten Soldaten durch den Medienwald rauschte, ist sie allemal. Oder ist Fort Hood etwa nicht der Ort, wo die Soldaten zum Töten oder eben getötet werden im Irak oder Afghanistan getrimmt werden?


Anmerkungen:
(1) Afghanistan: Die Briten legen Rückzugsplan vor, Die Presse, 18.1.1.09
(2) Website des Auswärtigen Amtes, Wiederaufbau und Sicherheit - Warum Deutschland in Afghanistan engagiert ist


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Redaktion

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Quelle:
aufbau Nr. 59, Dezember/Januar 2010, Seite 3
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veröffentlicht im Schattenblick zum 23. Dezember 2009