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AUFBAU/273: Krieg - der kleinste gemeinsame Nenner der Bourgeoisie


aufbau Nr. 63, Dezember/Januar 2010/11
klassenkampf - frauenkampf - kommunismus

Krieg - der kleinste gemeinsame Nenner der Bourgeoisie

NATO - Die Herrschenden eilen von Gipfel zu Gipfel, doch Quantität heisst nicht immer Qualität. Einzig der gemeinsame Wille zum Krieg scheint noch halbwegs zu einigen.


(rabs) Erst kommt das Fressen; und dann die Moral. Mit dieser von Bertold Brecht so trefflich auf den Punkt gebrachten materialistischen Sichtweise könnte man die Ergebnisse des G20-Gipfels in Südkorea zusammenfassen. In Zeiten der Krise besinnen sich die imperialistischen Bourgeoisien auf ihre ureigenen Interessen. Statt der viel beschworenen internationalen Zusammenarbeit und dem freien Handel blühen der Protektionismus und Handelskriege. Das G20-Treffen in Seoul war ein Gipfel der offenen Widersprüche, insbesondere zwischen den USA und Deutschland. Die USA warfen Deutschland und China vor, zuviel Waren zu exportieren und US-Finanzminister Timothy Geithner fordert naiv oder provokativ, je nach Sichtweise, zur Selbstbeschränkung auf. Umgekehrt überfluten die USA den Finanzmarkt durch den Ankauf von Staatsanleihen mit 600 Milliarden Dollar, notabene wenige Tage vor Beginn des Treffens.


Die Balkankriegerin Madeleine Albright als Vordenkerin der NATO

Die Bedeutungslosigkeit derartiger Gipfel wird mit dem anschliessend durchgeführten NATO-Gipfel in Lissabon vor Augen geführt. In nur zwei Stunden verabschieden die Staats- und Regierungschefs der 28 NATO-Staaten ein neues strategisches Konzept. Dieses Strategiepapier wurde unter der Leitung der Balkankriegerin Madeleine Albright verfasst und dient der Neuorientierung der Allianz. Wirklich Neues findet sich darin wenig. Die Eckpunkte der NATO bilden der "Kampf gegen den Terrorismus" und die Sicherung der natürlichen Ressourcen und Handelswege. Damit lässt sich praktisch jede militärische Aggression rechtfertigen, wie die lange Liste der NATO-Kriege und -Einsätze zeigt: Die Überfälle auf die Bundesrepublik Jugoslawien, den Irak und Afghanistan, aber auch die militärische Präsenz im Mittelmeer und die Einsätze gegen die zu Piraten mutierten verarmten Fischer am Horn von Afrika.

Vermehrt eingebunden in die Aufgaben- und Kostenstruktur der NATO wird die EU, was nun keineswegs eine Kursänderung der europäischen Mächte mit sich bringt. Der führende Thinktank für die Sicherheits- und Aussenpolitik der EU, der European Council on Foreign Relations (ECFR) fuhr schon immer einen stramm imperialistischen Kurs. So nennt Thinktank-Mitglied Robert Cooper, ehemals aussenpolitischer Berater von Tony Blair, den Aggressionskrieg gegen die Bundesrepublik Jugoslawien eine "humanitäre Intervention in den Kosovo". Sie sei ein Beispiel für "gutnachbarschaftlichen Imperialismus", und das Protektorat zeige, dass "der neue Kolonialismus Ordnung und Organisation" bringe(1). Ein Überfall, der auch von der hiesigen Sozialdemokratie euphorisch bejubelt wurde. Konsequenterweise hält die SPS auch bis heute an den "Friedensmissionen" der Schweizer Armee fest.


Die atomare Abschreckung als Fundament der NATO-Strategie

Die von Obama einst vorgeschlagene atomare Abrüstung entpuppt sich als pure Propaganda. Die NATO hält auch künftig an den Atomwaffen fest. Einzig der deutsche Imperialismus, der aufgrund der zwei angezettelten Weltkriege bis heute auf Atomwaffen verzichten muss, würde eine nukleare Abrüstung begrüssen. Die Gründe sind durchsichtig - auf diese Weise könnte Berlin militärisch mit dem Konkurrenten Frankreich gleichziehen. Der von den bürgerlichen Medien so bejubelte Einbezug Russlands verdeckt gezielt die Realitäten. Der Aufbau einer NATO-Raketenabwehr in Europa beinhaltet explizit die von Russland zu Recht als Bedrohung wahrgenommenen US-Raketenabwehrpläne. Die US-Militärs planen jetzt entsprechende Stützpunkte wie gehabt in Polen und neu statt in Tschechien in Rumänien. Ebenso wird unvermindert an der weiteren Ausweitung gegen Osten festgehalten, was von Russland heftigst bekämpft wird.


Abzug aus Afghanistan im Jahres 2014

Bis im Jahr 2014 will die NATO ihre Truppen aus Afghanistan abziehen, als Vorbild wird der Irak gefeiert. Abgesehen davon, dass die imperialistischen Mächte im Irak ein Chaos hinterlassen haben, gibt es einen gewichtigen Unterschied: In Afghanistan sind die Taliban derzeit offensichtlich daran, das Ruder wieder zu ihren Gunsten herumzureissen. Präsident Karzei versucht seit längerem, mit den Taliban eine Regierungsbeteiligung auszuhandeln. Nicht zufällig kritisiert er kurz vor dem NATO-Gipfel die militärischen Operationen der USA. Es liegt in der Tragik seiner an Don Quichotte mahnenden Figur, dass auch dieser Schritt umgehend als Beweis für sein Marionettendasein gewertet wird.


Söldernerfirmen gegen Folter und Mord?

Am 9. November unterzeichnen 58 private Sicherheitsfirmen in Genf einen Verhaltenskodex, der ihre Truppen Folter und Tötungen verbietet. Wohlgemerkt, ein Verhaltenskodex, weit entfernt von einer mit Strafmassnahmen verbundenen gesetzlichen oder völkerrechtlichen Regelung. Eine solche würde in der Tat das Kerngeschäft des Kriegseinsatzes dieser Truppen, das Töten also, verunmöglichen. Es verwundert also nicht, dass eine entsprechende UNO-Resolution von den USA und Grossbritannien im September gebodigt wurde. Übrigens, mit der aktiven Unterstützung der Schweiz, die sich der Stimme enthielt. Dem neu erschlossenen, lukrativen Markt sollen schliesslich nicht allzu grosse Steine in den Weg gelegt werde. Ungewollte Ironie: Fast gleichzeitig führt der deutsche Kriegsminister zu Guttenberg einen Kämpferorden ein. Verliehen wird dieser allen Soldaten, die "mindestens einmal aktiv an einer Gefechtshandlung" teilgenommen haben.


Aktuelle Nato-Einsätze:

International Security Assistance Force (ISAF) in Afghanistan, seit 2003.
Kosovo Force (KFOR) im Kosovo seit 1999.
Operation Active Endeavour (OAE), d.h. die militärische Überwachung des Mittelmeers seit 2001.
NATO Training Mission Iraq (NTM-I), am NATO-Gipfel von 2004 beschlossener direkter Beitrag der NATO zum bislang durch die "Koalition der Willigen" geführten Krieg gegen den Irak.
Operation Ocean Shield, seit 2009, Einsatz gegen die zu Piraten mutierten verarmten Fischer.

Anmerkung:

(1) Marxistische Blätter 5-10, Sevim Dagdelen, Es begann mit Krieg
[Im Schattenblick zu finden unter:
www.schattenblick.de -> Infopool -> Medien -> Alternativ-Presse ->
MARXISTISCHE BLÄTTER/460: Es begann mit Krieg]


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Quelle:
aufbau Nr. 63, Dezember/Januar 2010/11, Seite 3
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veröffentlicht im Schattenblick zum 31. Dezember 2010