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AUFBAU/285: Sudan - Selbstbestimmung der Völker oder imperialistisches Kalkül?


aufbau Nr. Nr. 64, März/April 2011
klassenkampf - frauenkampf - kommunismus

Sudan - Selbstbestimmung der Völker oder imperialistisches Kalkül?

ROHSTOFFE - Die Begeisterung der imperialistischen Mächte für die Abspaltung des Südsudan stimmt kritische Geister misstrauisch. Die Ausbeutung der Erdölquellen durch chinesische Firmen ist dem westlichen Kapital schon lange ein Dorn im Auge.


(rabs) Der Jubel der bürgerlichen Medien über den Einzug von Freiheit und Demokratie in einem Land wie dem Sudan muss erfahrungsgemäss misstrauisch stimmen. Zumal, wie die Regimes in Tunesien und Ägypten zeigen, über Jahre hinweg brutale und korrupte Diktatoren als Bollwerk im Kampf gegen Terror und Kommunismus vom Westen gefeiert und hochgepäppelt wurden. Die Einflussnahme der imperialistischen Mächte auf die Sezessions-Abstimmung im Sudan war denn auch unübersehbar. Geradezu symbolträchtig wurden die Abstimmungszettel in Grossbritannien gedruckt und .... blieben vorerst auf dem vom Schnee blockierten Londoner Flughafen Heathrow stecken. Mit 58 Millionen Dollar finanzierte die UNO die Abstimmung. Und dann die unvermeidlichen Wahlbeobachter, angereichert mit Hollywoodgrössen wie George Clooney, what else. Ob soviel Demokratiehilfe entwickelten die SüdsudanesInnen einen gewissen Übereifer, die Wahlbeteiligung betrug in 10 von 79 Bezirken über 100%.(1) Darüber schweigen sich die bürgerlichen Medien geflissentlich aus und jubeln über eine Zustimmung von 99%, was in jedem anderen Fall zu Recht als Beweis für eine Wahlfälschung denunziert würde.

Die Beweggründe für die westliche Unterstützung der Unabhängigkeit des Südsudan könnten durchsichtiger nicht sein und liegen in der immer heftigeren Konkurrenz zur Volksrepublik China. Ein Konsortium mit einer chinesischen Mehrheitsbeteiligung beutet die Ölquellen des Südsudan aus - zum Missfallen insbesondere der USA und Deutschlands. Die "Welt", das ultrareaktionäre Blatt des deutschen Kapitals, gibt sich empört: "Beim Erdöl sind Peking die Menschenrechte egal". Ganz im Unterschied beispielsweise zum englisch-niederländischen Erdölkonzern Shell, der Nigeria mit Mord und Totschlag zur Musterdemokratie verholfen hat. Kritik daran wird im Sinne des Wortes mundtot gemacht: 1995 verurteilte eine nigerianisches Gericht den Schriftsteller Ken Saro-Wiwa zum Tode. Er hatte u.a. Shell vorgeworfen, einen ökologischen Krieg gegen sein Volk zu führen.


Der Bürgerkrieg im Sudan

Nicht immer stand der Sudan in der Missgunst der imperialistischen Mächte. 1971 wurde die Kommunistische Partei Sudan SCP nach einem Putschversuch gegen das zu Beginn durchaus fortschrittliche Militärregime von Jaafar an-Nimairi praktisch zerschlagen. Die Führung wurde hingerichtet und zahlreiche Mitglieder ins Gefängnis geworfen. Der US-Imperialismus wusste diese antikommunistische Politik natürlich zu schätzen und sah auch grosszügig über die Hinwendung Nimairis zum Islam hinweg. Der Sudan, die ehemals britische Kolonie, wurde in diesen Jahren zum drittgrössten Empfänger von Entwicklungshilfe der USA.

1983 führte Nimairis die Scharia ein, was zum Ausbruch des Bürgerkrieges mit der Sudan People's Liberation Army SPLA führte. Deren Gründer, John Garang, ein in den USA ausgebildeter sudanesischer Offizier, war ein strammer Christ, der von Anfang an die Unterstützung der USA genoss. Der Hintergrund für die aktive US-Unterstützung dieses Krieges ist aber weniger in der religiösen, denn in der wirtschaftlichen Sphäre zu suchen. Anfang der 80er Jahre begann nämlich zum grossen Missfallen der USA die Ausbeutung der südsudanesischen Ölquellen durch die Volksrepublik China. Mit einem Bürgerkrieg sollten die chinesischen Gelüste zurück gedämmt werden. Von einer Sezession war anfangs aber noch nicht die Rede, vielmehr ging es um die "Demokratisierung" des ganzen Landes und die Trennung von Religion und Staat, zumindest, was den Islam betrifft.


Waffenlieferungen der USA verletzten Friedensabkommen

1985 wird Nirmairi schliesslich entmachtet und nach einigen Zwischenregierungen putscht sich der jetzige Staatspräsident Hasan Omar Al-Bashir an die Macht. Am islamistischen Kurs und damit an der Konfrontation mit der SPLA hält auch er fest. Der SPLA-Führer John Garang starb 2005 unter ungeklärten Umständen bei einem Helikopterabsturz. Sein Nachfolger Salva Kur, ebenfalls ein bekennender Christ, tritt für die Sezession des Südens ein und seine Armee wird mit Milliarden von Dollars von Bush wie auch später von Obama hochgerüstet. Diese Waffenlieferungen stellten einen klaren Bruch des im Jahres 2005 geschlossenen Friedensabkommens dar. Die SPLA und die sudanesische Regierung vereinbarten damals die Bildung einer Regierung der nationalen Einheit und die jetzt durchgeführte Abstimmung über die Unabhängigkeit des Südsudans. Über Wikileaks wurde öffentlich, was längst bekannt ist: Die USA haben auch nach diesem Datum die SPLA massiv mit Waffen aufgerüstet und mit allen Mitteln, zusammen mit Deutschland, auf eine Sezession hingearbeitet.

Seit 2004 liefert der Sudan über die Firma Petro-Energy China Erdöl. Die China National Petroleum Corporation hat einen 20-jährigen Vertrag für Nutzung der Ölquellen im Südsudan abgeschlossen. Die deutsche Firma Bornemann Pumps liefert die Technologie für die Förderpumpen. Die Pipeline verläuft durch den Norden Sudans zum Hafen Port Soudan, von wo das Öl nach China und Japan exportiert wird. Offensichtlich versuchen die USA mit dem Boykott des Sudan und der massiven Unterstützung der Abspaltung des Südens billionenschwere chinesische Investitionen zu sabotieren und selber den Fuss in die Gegend zu setzen. Zwar hat der Generalsekretär Pagan Amum der Sudan People's Liberation Movement SPLM, dem politischen Arm der SPLA, den Chinesen die Einhaltung der laufenden Verträge auch im Falle der Unabhängigkeit garantiert.(2) Dieses Versprechen dürfte allerdings nicht allzu viel wert sein. Der Südsudan besitzt ausser der Erdölquellen gar nichts, keine Infrastruktur, keine Industrie, keine Landwirtschaft. Es ist also mehr als fraglich, ob die neue Regierung den Pressionen aus Washington standhalten wird.


Anmerkungen:

(1) Financial Times Deutschland, 24.01.11, "Zu viele Stimmen beim Sudan-Referendum"

(2) Sudan Tribune 15.10.2010, SPLM gives assurances on Chinese oil investments in South Sudan


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Redaktion

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Quelle:
aufbau Nr. 64, März/April 2011, Seite 3
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veröffentlicht im Schattenblick zum 23. März 2011