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AUFBAU/532: Unter schwierigsten Bedingungen - Streik in US-Gefängnissen


aufbau Nr. 92, März/April 2018
klassenkampf - frauenkampf - kommunismus

Unter schwierigsten Bedingungen: Streik in US-Gefängnissen


KNASTKÄMPFE In Florida streikten im Januar und Februar Inhaftierte gegen die unbezahlte Zwangsarbeit. Dieser Kampf ist Teil einer seit längerer Zeit anhaltenden Streikdynamik in den US-Knästen.


(rabs) Am 15. Januar 2018 legten Gefangene in über einem Dutzend Haftanstalten Floridas (USA) die Arbeit nieder. Bereits im Voraus wurde der Streik als Operation Push angekündigt. Die Liste der Forderungen der Gefangenen ist lang. Es geht um starke Überbelegung, um extreme Temperaturen, schlechtes Wasser, um die Gewalt der WärterInnen, um Wucherpreise in der Kantine und um die Lage der Gefängnisse - oft liegen sie direkt neben hochgiftigen Mülldeponien. Die wichtigste Forderung aber betrifft die Arbeitsbedingungen: In Floridas Knästen gibt es Arbeitszwang und die Löhne liegen - wenn überhaupt etwas bezahlt wird - bei etwa 20 Cents pro Stunde. Aufgrund dieser erzwungenen Gratisarbeit verorten sich die streikenden Gefangenen in einem nach wie vor andauernden Kampf gegen die Sklaverei.

Suppe im Knast: 17 Dollar

Der Vergleich mit der Sklaverei wird durch den Umstand bestärkt, dass die Einsperrung in erster Linie arme, nicht-weisse Communities trifft. Viele Häftlinge sitzen als Bestrafung dafür ein, dass sie Bussen nicht bezahlen konnten. Wenn sie entlassen werden, sind die Bussen weiterhin unbezahlt und die Bedingungen, Arbeitslosigkeit und Elend, noch immer dieselben. Und auch wer bei der Entlassung keine Schulden hat, wird aufgrund der Situation in den Armenvierteln früher oder später erneut in Kontakt mit der rassistischen Polizei kommen. Und nicht genug, dass die Arbeitskraft der Gefangenen unbezahlt ausgebeutet wird: Es werden auch ihre Familien und Netzwerke hemmungslos abgezockt. In den Kantinen von Floridas Knästen kostet eine Suppe 17 US-Dollar.

Lockdown

Informationen drangen nach Beginn des Streiks kaum nach aussen. Denn die Gefängnisdirektionen blieben gegenüber dem angekündigten Kampf nicht tatenlos. Wenige Tage vor Beginn wurden Razzien durchgeführt, um Handys aufzuspüren, die offiziellen Telefonmöglichkeiten wurden ausgesetzt und OrganisatorInnen in Einzelhaft geworfen. Totales Abschneiden von der Aussenwelt - das war auch im September 2016 die Aufstandsbekämpfungsstrategie. Damals fand - pünktlich zum 45. Jubiläum der Attica-Revolte - der grösste Gefangenenstreik der US-Geschichte statt. Doch trotz der geschätzten 24.000 Beteiligten blieb das Aufbegehren in der Öffentlichkeit weitgehend unbeachtet.

Organisierung nimmt zu

Dennoch werden wertvolle Erfahrungen gesammelt. Eine wichtige Rolle bei der Organisierung der Gefangenen in den USA spielt das "Incarcerated Workers Organizing Comitee." Bei der Operation Push wurde ganz bewusst nicht zu Aufständen aufgerufen. Gerade in Florida gab es in den letzten Jahren mehrfach heftige Rebellionen in den Gefängnissen - die mit krasser Repression beantwortet wurden. Der jüngste Streik entspricht der seit einigen Jahren angewandten Strategie: Verstärktes Aufbauen von Anti-Knast-Gruppen draussen und Arbeitsniederlegung sowie klare Forderungen aus dem Innern. Revolten sind in Knästen wenig zielführend, da das Kräfteverhältnis zu ungünstig ist, die Isolierung und Zerschlagung ist vorprogrammiert. Andererseits schaffen Riots mehr Aufmerksamkeit, während rein ökonomische Kampfmittel von den Knastbehörden unter Umständen totgeschwiegen werden können.

Big Business

Und diese Knastbehörden sind im Kampf gegen die Organisierung der Inhaftierten ArbeiterInnen schonungslos. Denn es geht um sehr viel Geld. In den USA waren 2016 knappe 2,3 Millionen Menschen eingesperrt (22% aller Inhaftierten weltweit), etwa 900 Tausend davon waren in Arbeitsprogrammen. Die Zeitung "The Intercept" schätzt, dass jährlich ein Wert von über zwei Milliarden Dollar durch Knastarbeit geschaffen wird. Produziert werden landwirtschaftliche Güter, Arbeits- und Militäruniformen oder Rüstungsgüter. Unternehmen wie Walmart, McDonalds, Microsoft, Starbucks oder Lockhead Martin erzielen Extraprofite durch Outsourcing in Gefängnisfabriken (was in den USA sinnigerweise Insourcing genannt wird. Auch für Gemeinden und Bundesstaaten ist die Arbeit der Gefangenen zu einer wichtigen Stütze geworden. In Florida etwa wurden Tausende Häftlinge bei den gefährlichen Aufräumarbeiten nach Hurrikan Irma eingesetzt.

In der Vorbereitungsphase von Operation Push wurde betont, dass es nicht um einige Tage, sondern um eine Dauer von mindestens einem Monat gehe. Wieviele Gefangene sich am Streik beteiligen, lässt sich zum jetztigen Zeitpunkt nicht genau sagen. Die Gefängnisleitung und das D.O.C. (Departement of Correction) behauptet nach wie vor, der Streik sei nicht existent. Derweil dringen Informationen nach aussen, dass einer der wichtigsten Organisatoren und Mitglied der New Arican Black Panther Party, Rashid Johnson seit zwei Wochen in Isolationshaft sitzt, in einer Zelle ohne Heizung, bei Aussentemperaturen um den Gefrierpunkt.

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Redaktion

Revolutionärer Aufbau Basel (rabs), Revolutionärer Aufbau Winterthur (raw), Gruppe politischer Widerstand Zürich (gpw), Gruppe Arbeitskampf Zürich (az), Arbeitsgruppe Antifa Basel (agafbs), Arbeitsgruppe Antifa Zürich (agafz), Arbeitsgruppe Klassenkampf Basel (agkkbs), Arbeitsgruppe Klassenkampf Zürich (agkkz), Arbeitskreis ArbeiterInnenkämpfe (akak), Arbeitskreis Frauenkampf (akfk), Frauen-Arbeitsgruppe (agf), Frauenkollektiv (fk), Rote Hilfe International (rhi), Arbeitsgruppe Jugend Zürich (agj)

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Quelle:
aufbau Nr. 92, März/April 2018, Seite 9
HerausgeberInnen:
Revolutionärer Aufbau Zürich, Postfach 8663, 8036 Zürich
Revolutionärer Aufbau Basel, basel@aufbau.org
Revolutionärer Aufbau Winterthur, winterthur@aufbau.org
Redaktion und Vertrieb Schweiz
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veröffentlicht im Schattenblick zum 27. März 2018

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