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CORREOS/111: Wen bedroht die US-Flotte in Costa Rica?


Correos des las Américas - Nr. 163, 13. September 2010

Wen bedroht die US-Flotte in Costa Rica?

Von Dieter Drüssel(*)


Das Parlament in Costa Rica hat dem Gesuch der Staatspräsidentin Laura Chinchilla für eine grosse US-Militärpräsenz in der 2. Jahreshälfte zugestimmt. Konkret geht es um (vermutlich rotierende) 7000, nach einigen Quellen 13.000 Marines, 46 Kriegsschiffe der US-Navy und 200 Helikopter und Flugzeuge. Darunter auch der Flugzeugträger Makin Island, der bis zu 1900 Truppenmitglieder, je 42 Helikopter des Typs CH-46- und Blackhawk sowie 5 AV-8B-H-Kampfflieger transportieren kann. Dies alles, so die offizielle Begründung in Costa Rica, um die Drogenbekämpfung zu optimieren. Das ist natürlich Quatsch. Im Folgenden eine Zusammenfassung der Thesen des venezolanischen Luftwaffenobersts a.D. Braulio Martínez Zerpa.


(19.7.10) Zu Beginn hält Martínez Zerpa fest, wozu der Militäraufmarsch nicht dient, nämlich «in ein Land mit einer mittleren Luftwaffenkapazität einzufallen oder es anzugreifen, da der Flugzeugträger nur über Helikopter und die sechs Harrier verfügt» . Dito fällt wegen fehlender Luftunterstützung eine Blockade eines Landes weg, eine Landinvasion mit nur 13.000 Marines ist ohne vorheriges «Weichklopfen» mit einer Angriffsluftwaffe ebenfalls kein Thema. «Worum also könnte es sich handeln? Im Prinzip darum, einem anzugreifenden Land mit der Blockade eines bestimmten Meerraumes militärische Unterstützung zu verunmöglichen; es könnte sich um die Bodeninvasion eines in der Nähe befindlichen kleinen Landes handeln oder um die Unterstützung einer grösseren, in einem Land mit mittlerer Macht geplanten Aktion».

Martínez scheint die an sich plausible Variante, dass das auf ein halbes Jahr befristete Abkommen verlängert werden kann, nicht in Betracht zu ziehen, denn er hält aufgrund des gegebenen sechsmonatigen Zeitraumes fünf Hypothesen für möglich. Es könne sich handeln um «1) einen Angriff auf ein kleines Land mit reduzierter Wehrkapazität im Einflussbereich der Task Force; 2) eine temporäre Stationierung, um zum gegebenen Moment zum eigentlichen Ziel vorzurücken; 3) die Erwartung, dass eines oder mehrere Länder der Region dem kleinen Land beistehen könnte; 4) ein Ablenkungsmanöver - die wahre Aktion spielt sich an einem etwas weiter entfernten Ort ab; 5) eine Einschüchterungsaktion gegenüber den Ländern der Region, die sich weigern, sich weiter als Kolonien des Imperiums zu begreifen».

Zur These 1 (Angriff auf ein kleines Land) führt Martínez natürlich Nicaragua an, «mit bescheidenen Streitkräften, angrenzend an Costa Rica ... Zudem grenzt Nicaragua im Norden an Honduras, wo sich mit der Luftwaffenbase Palmerola einer der komplettesten Militärstützpunkte des Imperiums in der Region befindet. So dass ein Angriff aus dem Norden, kombiniert mit einem aus dem Süden, ein perfektes Manöver ergäben». Motiv unter anderem: Nicaragua könnte mit Kuba und Venezuela ein Dreieck für gegenseitige Hilfsaktionen in der Karibik bilden. Die Möglichkeit eines nicaraguanischen Kanals zwischen Atlantik und Pazifik, in der ureigenen Einflusszone, an dem Russland schon Interesse manifestiert habe, stelle für das Imperium zudem eine nicht annehmbare Möglichkeit dar.

These 2 (befriste örtliche Verschiebung): «Schauen wir wieder auf die Karte und navigieren wir von Costa Rica in Richtung Osten, so stossen wir auf Maracaibo und Caracas. Etwas nördlicher befindet sich Curaçao, wo das Imperium eine Marinebasis unterhält. 46 Kriegsschiffe in Curaçao zu stationieren, würde sofort den Verdacht eines Angriffs auf Venezuela wecken. Aber wenn sie sich auf etwas Distanz zu unserem Vaterland halten, stets mit Kurs auf Curaçao, können sie problemlos durch Kampfllieger von ihren Basen in Panama, Kolumbien und Aruba aus unterstützt werden». Für die Konkretisierung dieses Möglichkeit bräuchte es allerdings weiterer Schritte wie der Entsendung von Kampffliegern in diese Basen, was noch nicht der Fall sei.

These 3 (Verhinderung durch Unterstützung durch Dritte): Venezuela und Kuba werden an einer militärischen Unterstützung von Nicaragua gehindert.

These 4 (Ablenkungsmanöver). Der geplante Angriff gelte in Wirklichkeit nicht Nicaragua, sondern Kuba und würde vom militärisch besetzten Haiti aus gestartet werden. (Laut Angaben des US-Südkommandos soll allerdings die militärische Besetzung der Insel nach dem Erdbeben beendet worden sein.) Martínez stellt sich allerdings die Frage, ob man sich dafür tatsächlich die Mühe einer Ablenkungsmanövers einiges weiter im Westen mache.

These 5 (Einschüchterung). «Vermutlich ist das die wahre Absicht des Imperiums, aber man muss sich fragen, warum sie nur sechs Monate in Costa Rica sind, wo sie doch zeitlich unbeschränkt sieben Basen in Kolumbien haben. Zudem stellt sich auch die Frage, warum in Costa Rica, wo sie doch von diesem Ort aus den Rest der südamerikanischen Länder nicht einschüchtern können, da das Land weit weg ist und die dort stationierte Militärmacht nicht ausreicht, um sie in Angst zu versetzen.»

Was Martínez letztlich annehmen lässt, «dass es sich um eine Invasion von Nicaragua oder Kuba oder von beiden handelt.» Ob diese Überlegungen einer kritischen Beurteilung standhalten, wissen wir nicht. Vor dem US-gesponserten Putsch in Honduras hätten wir etwa die Möglichkeit einer militärischen Invasion Nicaraguas sofort von der Hand gewiesen. Heute aber ...?


Anmerkung:
(*) nach aporrea.org/tiburon/a103714.html, Braulio Martínez Zerpa:
«Los verdaderos motivos del envío de la fuerza de tarea imperial a Costa Rica»


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Quelle:
Correos de Centroamérica Nr. 163, 13. September 2010, S. ...
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veröffentlicht im Schattenblick zum 13. Oktober 2010