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DA/397: Das Elend der Leiharbeit


DA - Direkte Aktion Nr. 191, Januar/Februar 2009
anarchosyndikalistische Zeitung der Freien ArbeiterInnen Union (FAU-IAA)

Das Elend der Leiharbeit
Auch in der Leiharbeitsbranche herrscht Krisenstimmung.
Dabei wurde Leiharbeit genau für solche Situationen erfunden.

Von Torsten Bewernitz


Leiharbeit ist wieder Thema für die Medien. Dass sie es momentan in die Wirtschaftsteile schafft, liegt auch an der aktuellen Dokumentation "Leiharbeit undercover": Markus Breitscheidel hat ein Jahr für Leiharbeitsfirmen geackert und seine Recherchen filmisch dokumentiert. Gleichzeitig wartet Ken Loach mit einem Spielfilm zum Thema auf: "It's a free World" behandelt die Story einer Angestellten, die zur Arbeiterverleiherin und immer korrupter wird.


Von der Finanzkrise zur Leiharbeitskrise?

Spielfilme und Dokumentationen sind nur Ausdruck eines öffentlichen Interesses am Thema. Immer mehr sind gezwungen, ihr Überleben durch Leiharbeit zu fristen, zu Löhnen, die 29 Prozent unter dem Standardlohn liegen: 745.000 Menschen arbeiten in Leiharbeitsverhältnissen, doppelt so viele wie vor fünf Jahren. Die Abhängigkeit von Leiharbeit führt zur Sorge, dass diese von der aktuellen Wirtschaftskrise bedroht sei. Die Auswirkungen der Krise auf die Automobilindustrie wirken sich direkt auf den Leiharbeitssektor aus: Der Wissenschaftler Ferdinand Duddenhöffer rechnet mit 80.000 Leiharbeitsstellen, die in der Automobilindustrie wegfallen, die IGBCE vermutet die Streichung von bis zu 80 Prozent der Leiharbeitsstellen. Die Branche selber gibt sich allerdings nach wie vor optimistisch: Werner Stolz, Geschäftsführer des Interessenverbandes deutscher Zeitarbeitsunternehmen (IGZ), sorgt sich zwar, aber "im Moment gelingt das noch recht gut", sagt er der Westdeutschen Zeitung (WZ). Thomas Bäumer, Geschäftsführer des Leiharbeitunternehmens Tuja, preist Leiharbeit immer noch als die "Chance auf dem Arbeitsmarkt". Dabei ist offensichtlich, dass Leiharbeit benutzt wird, um feste Beschäftigungsverhältnisse zu vermeiden: Sieben Prozent der Leiharbeitsfirmen sind Ausgliederungen oder Subunternehmen großer Konzerne (z.B. Bayer, Deutsche Bahn AG). LeiharbeiterInnen machen in der Industrie mittlerweile einen Anteil von zehn bis zwölf Prozent der Stammbelegschaft aus.


Was macht der DGB in der Krise?

In dieser Situation entdecken auch die DGB-Gewerkschaften plötzlich ihr Herz für LeiharbeiterInnen. Die sich zuständig fühlende IG Metall hat kürzlich ihr "Schwarzbuch Leiharbeit" veröffentlicht. Ver.di, sich genau so zuständig fühlend, hat in Wuppertal gegen die Gens Personalmanagement GmbH Anzeige wegen Lohnwuchers erstattet: Busfahrer verdienen hier Löhne bis runter zu 2,71 Euro brutto.

Wer über den Schwund an Leiharbeit in der Krise jault, vergisst, dass Leiharbeit für solche Situationen erfunden wurde. Wenn IGBCE-Vorsitzender Hubertus Schmoldt dafür plädiert, "dass Leiharbeit wieder zu dem wird, was sie sein soll, [..] zu einem [...] Instrument, um kurzfristige Auftragsschwankungen abzufedern", verkennt er, dass die kommenden Kündigungen aus einer solchen Auftragsschwankung erwachsen - nur einer langfristigen. Auch die IG Metall stellt ihr Schwarzbuch unter das Motto "Leiharbeit fair gestalten". Die Forderung nach Leiharbeit in einem "angemessenen Rahmen" lässt vergessen, dass das System Leiharbeit immer weniger Lohn, flexiblere Arbeitszeiten und schnellere Kündigungen bedeutet.

Und vergessen wir nicht: Die DGBGewerkschaften haben uns diese Situation in Sachen Leiharbeit erst eingebrockt. Mögen sie auch über die Dumping-Tarifverträge der christlichen Gewerkschaften schimpfen, ihre eigenen sind kaum besser. In Leiharbeitsfirmen haben DGB-Gewerkschaften keine Basis, dennoch war es die IG Metall, die für die LeiharbeiterInnen Tarifverhandlungen führte. Die Branche braucht diese Tarifverträge, um den Grundsatz "Gleicher Lohn für gleiche Arbeit" unterwandern zu können. Mit Hilfe von Hartz IV, das von ALG II-EmpfängerInnen noch erwartet, Arbeiten für einen Lohn bis zu 30 Prozent unter Tarif oder lokaler Üblichkeit annehmen zu müssen, werden Niedrigstlöhne erst möglich. Und wer sich weigert, wird von der Leiharbeitsfirma direkt bei der Arbeitsagentur angeschwärzt.

Leiharbeit in der Krise? Von wegen. LeiharbeiterInnen sind per se in einer Krise. Die Etablierung der Leiharbeit war, wie die Hartz-Gesetze, von Anfang an Krisenprävention. Ausbaden dürfen es mal wieder die, die sowieso nichts haben, so war es von Anfang an geplant.

Es geht aber auch anders: In Namibia hat der Oberste Gerichtshof Anfang Dezember 2008 das Verbot der Leiharbeit bestätigt. "Nach meiner Auffassung bedeutet das (Leiharbeitswesen) das Überlassen oder Ausleihen von Personen, als seien sie Leibeigene", argumentierte der urteilende Richter.


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Quelle:
DA - Direkte Aktion Nr. 191, Januar/Februar 2009, Seite 1
anarchosyndikalistische Zeitung der Freien ArbeiterInnen Union
(FAU-IAA)
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veröffentlicht im Schattenblick zum 24. März 2009