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DAS BLÄTTCHEN/1182: Mein Name ist Hase ...


Das Blättchen - Zeitschrift für Politik, Kunst und Wirtschaft
15.‍ ‍Jahrgang | Nummer 7 | 2. April 2012

Mein Name ist Hase ...

von Frank-Rainer Schurich



Als in der "Wende" ein damals noch wenig bekannter CDU-Lokalpolitiker seine Rede mit den Worten "Meine Name ist Hase..." begann, intonierte das Berliner Kundgebungsvolk fast geschlossen und wie aus der Pistole: "... und ich weiß von nichts." Nur wenige mögen dabei gewusst haben, dass der Urheber dieser wahrhaft geflügelten Worte Dr. jur. Victor Hase war und sie mit einem kleinen historischen Kriminalfall verbunden sind.

Den am 3. November 1834 in Jena geborenen Victor zog es ob seines starken Rechtsgefühls mit aller Macht zur Jurisprudenz. Nach Jahren in Jena und Leipzig setzte er im Herbst 1854 seine Studien in Heidelberg fort, um unter anderem Schwurgerichte beim alten Mittermaier (1787-1867) zu hören. Mittermaier war damals eine Berühmtheit. Mit seinem Werk "Die Lehre vom Beweise im deutschen Strafprozesse..." (1834) schuf er eine erste systematische Strafuntersuchungskunde, die später Kriminalistik hieß. Seine Verhörslehre hatte geradezu revolutionären Charakter. In scharfer Abgrenzung zum mittelalterlichen Inquisitionsprozess mit Folter und Schreckung verurteilte Mittermaier jegliche Aussageerzwingung; es sei einzig und allein die Pflicht des Anklägers zu beweisen.

Victor war ein fleißiger Student. Und das, was er bei seinem verehrten Lehrer Mittermaier hörte, konnte er gut gebrauchen, als er sich am Ende des Semesters durch seine Hilfsbereitschaft in eine missliche Lage brachte. Ein ihm fremder Student, der bei einem Duell jemanden erschossen hatte, machte auf seiner Flucht in Heidelberg halt. Er bat Victor inständig um dessen Studenten-Legitimationskarte, um in Straßburg über die französische Grenze zu gelangen und sich dann bei der Fremdenlegion anwerben zu lassen. Und so geschah es auch. Nun war aber Missbrauch des Studentenausweises streng verboten, weshalb sich Victor etwas einfallen ließ. Er meldete der Universitätsbürokratie den Verlust der Legitimationskarte: Er müsse sie verloren haben. Vereinbarungsgemäß "verlor" auch der flüchtige Student die Karte nach der Grenzpassage. Man schickte sie dem Universitätsgericht als verdächtiges Beweismittel. Victor erschien zur Vernehmung, hörte sich die Anschuldigung an und sagte als gebildeter Jurist und gelehriger Mittermaier-Schüler nur: "Mein Name ist Hase, ich verneine die Generalfragen, ich weiß von nichts." Mit der Zeit wurde der juristische Mittelsatz weggelassen, so dass die an sich unverständliche Redewendung "Mein Name ist Hase, ich weiß von nichts" entstand, deren Verwendung sich nicht nur an deutschen Universitäten zunehmender Beliebtheit erfreute ...

Aus der Sache kam Victor übrigens glimpflich heraus. Nach den Osterferien 1855 schrieb er aus Heidelberg: "Meine Legitimationskarte habe ich ohne alle Fährlichkeit wieder bekommen, nicht einmal dass ein Protokoll aufgenommen worden wäre. Ich wurde dem Universitätsrichter gleich als 'der Herr aus der französischen Fremdenlegion' vorgestellt." Und am 8. Mai meldete er seinem Freund Max Wedekind: "Pseudo-Hase ist glücklich in der Fremdenlegion - und ich hier."

Victor Hase starb jung am 30. April 1860. Sein Vater, Karl August von Hase (1800-1890), Professor für Theologie, war durch sein Lehramt und durch seine umfangreichen Schriften schon zu Lebzeiten berühmt. Er wurde 1883 in den erblichen Adelsstand gehoben, und 1900 setzte ihm die Stadt Jena sogar ein Denkmal am ehemaligen Wallgraben. Auch andere Hases sind sehr bekannt geworden, so Victors Bruder Hofrat Dr. Oskar von Hase, Besitzer der renommierten Buch-, Musikalien- und Kunsthandlung Breitkopf & Härtel in Leipzig. Aber nur Victor Hase ist heute noch in aller Munde ...

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Quelle:
Das Blättchen Nr. 7/2012 vom 2. April 2012, Online-Ausgabe
Zeitschrift für Politik, Kunst und Wirtschaft, 15. Jahrgang
Herausgeber: Wolfgang Sabath, Heinz Jakubowski
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veröffentlicht im Schattenblick zum 6. April 2012