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DAS BLÄTTCHEN/1374: Lateinamerika geht seinen Weg


Das Blättchen - Zeitschrift für Politik, Kunst und Wirtschaft
17. Jahrgang | Nummer 5 | 3. März 2014

Lateinamerika geht seinen Weg

von Hubert Thielicke



Anfang Februar diskutierten in München unter großer Aufmerksamkeit der Medien Politiker, Militärs und Experten Sicherheitsfragen - von Cyberwar über "europäische Verteidigung" sowie "globale Macht und regionale Stabilität" bis zur "Zukunft der Geheimdienste". Eine heftige Debatte löste die Forderung von Bundespräsident Joachim Gauck nach einer neuen, stärkeren Rolle Deutschlands in der internationalen Politik aus. Kaum Beachtung fand hingegen in den deutschsprachigen Medien eine kurz zuvor in Havanna beendete Konferenz, die ein bemerkenswertes Dokument zur Stärkung der regionalen und internationalen Sicherheit verabschiedete.

Am 29. Januar erklärte die Gemeinschaft der lateinamerikanischen und karibischen Staaten (CELAC) ihre Region zu einer Zone des Friedens, die auf der Achtung der Prinzipien und Normen des Völkerrechts und der Charta der Vereinten Nationen beruhen soll. Dem Dokument stimmten alle 33 Mitgliedsstaaten zu, davon immerhin 29 vertreten durch ihre Staats- oder Regierungschefs. Die USA und Kanada gehören der 2011 auf Initiative des damaligen Präsidenten von Venezuela, Hugo Chavez, gegründeten Organisation nicht an. Damit ist sie gewissermaßen das Gegenstück zu der mehr oder weniger von den USA dominierten Organisation Amerikanischer Staaten (OAS), die ihren Sitz in Washington hat und 1962 Kuba ausschloss.

In der Deklaration bekräftigen die Teilnehmerstaaten ihre Verpflichtung, Streitigkeiten mit friedlichen Mitteln zu lösen, die Androhung und die Anwendung von Gewalt in der Region zu bannen und sich nicht in die inneren Angelegenheiten anderer Staaten einzumischen. Respektiert werden soll das Recht jedes Staates, sein politisches, wirtschaftliches, soziales und kulturelles System selbst zu wählen. Angesichts von Versuchen der Einmischung von außen in die Angelegenheiten lateinamerikanischer Staaten, aber auch der Ereignisse in anderen Weltgegenden ist allein schon das Bekenntnis zu diesen grundlegenden völkerrechtlichen Prinzipien von großer Bedeutung. Bemerkenswert auch, dass die Deklaration mitgetragen wird von Staaten, die - wie beispielsweise Kolumbien - unter US-amerikanischem Einfluss stehen. Nun wird es darauf ankommen, die anvisierte Friedenszone zu konsolidieren, gewissermaßen mit Leben zu erfüllen. Immerhin geht es hier um ein Gebiet von mehr als 20 Millionen Quadratkilometern, in dem fast 600 Millionen Menschen leben.

Ein großer Schritt in diese Richtung erfolgte bereits vor längerer Zeit. Nach mehrjährigen, auf Initiative Brasiliens und Mexikos geführten, Verhandlungen wurde am 14. Februar 1967 in Tlatelolco, einem Stadtteil von Mexico City, der Vertrag über das Verbot von Kernwaffen in Lateinamerika unterzeichnet, dem inzwischen alle Staaten der Region angehören. In der Havanna-Deklaration bekennen sich die CELAC-Staaten ausdrücklich zu diesem Vertrag; sie wollen die nukleare Abrüstung auch weiterhin fördern. Der Vertrag von Tlatelolco gab wichtige Anstöße für das Zustandekommen von Abkommen über kernwaffenfreie Zonen in anderen Regionen - im Südpazifik (1985), Südostasien (1995), Afrika (1996) und Zentralasien (2006).

Auch Projekte für Friedenszonen werden seit Jahren in einzelnen Regionen und den Vereinten Nationen diskutiert, so beispielsweise im Hinblick auf den Indischen Ozean und den Südatlantik. Bereits 1971 bekannten sich die Staaten des Verbandes südostasiatischer Nationen (ASEAN) zu einer Zone des Friedens, der Freiheit und der Neutralität. Dass die Konzepte von kernwaffenfreien und Friedenszonen durchaus in enger Verbindung stehen, machten wiederum lateinamerikanische Staaten deutlich. In der Deklaration von Ushuaia erklärten sich 1999 Argentinien, Bolivien, Brasilien, Chile, Paraguay und Uruguay zu einer Zone des Friedens, frei von Massenvernichtungswaffen. Die CELAC dehnte nunmehr in Havanna das Projekt auf den gesamten Subkontinent aus, sicher auch ein Zeichen dafür, dass diese Staaten gewillt sind, der Einmischung aus dem Norden zu widerstehen und ihren eigenen Weg zu gehen.


Der Autor war von 1981-1990 stellvertretender Leiter der DDR-Delegation auf der Genfer Abrüstungskonferenz und Leiter des Sektors Abrüstung in der Abteilung UNO des DDR-Außenministeriums. Er ist Pressesprecher der Redaktion "WeltTrends" und lebt in Berlin.

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Quelle:
Das Blättchen Nr. 5/2014 vom 3. März 2014, Online-Ausgabe
Zeitschrift für Politik, Kunst und Wirtschaft, 17. Jahrgang
Herausgeber: Wolfgang Sabath (†), Heinz Jakubowski
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veröffentlicht im Schattenblick zum 19. März 2014