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FREIRAUM/025: Für eine Welt ohne Atom- und Uranwaffen Nr. 2 - Juli 2010


FreiRaum Nr. 2 - Juli 2010 - 9. Jahrgang

Für eine Welt ohne Atom- und Uranwaffen
Für die friedliche Nutzung des Weltraums



Aus dem Inhalt:
Die Zeit ist reif
Die Nuklearwaffenkonvention wird zur allgemeinen Forderung
Nahostresolution sorgt für Verstimmung
Zwei Schritte vor und einer zurück
Hollywood rüstet ab
Der Film "Countdown to Zero" von Producer Lawrence Bender
Nach der Überprüfungskonferenz
Die Auswertung der Ergebnisse
Koller-Klage
Eine Apothekerin aus der Eifel verklagt die Bundesregierung

Raute

Zeit für die Rente

65 Jahre dauert inzwischen der atomare Wahnsinn. Am 16. Juli 1945 zündeten die USA ihre erste Atombombe in der Wüste von New Mexico. Damit begann das Atomzeitalter.

Die Jugendlichen erklärten bei der Überprüfungskonferenz des nuklearen Nichtverbreitungsvertrages in New York, es wäre Zeit, diese Waffen in die Rente zu schicken und forderten dies von den Delegierten.

Dem ersten Test folgten die Atombombenabwürfe auf Hiroshima und Nagaski. Sie werden von der US-Energiebehörde als Tests mit den Nummern 2 und 3 geführt. Die beiden Städte wurden während des 2. Weltkrieges bewusst nicht bombardiert, um die Folgen der Atombombenabwürfe genauer studieren zu können.

Über 2000 Atombomben wurden im letzten Jahrhundert weltweit gezündet. In diesem Jahrhundert war es nur Nordkorea, das zwei Atomwaffentests durchführte. Der vollständige Atomteststoppvertrag ist noch nicht in Kraft, doch die Atomwaffenstaaten testen nicht mehr. Hunderttausende büßten den nuklearen Wahnsinn mit ihrem Leben und unzählige andere durch Beeinträchtigung ihrer Gesundheit. Bürgermeister Akiba von Hiroshima weist darauf hin, dass die Überlebenden von Hiroshima und Nagaski es sich wünschen zu erleben, dass die Menschheit von der nuklearen Geisel befreit wird.

Vor einigen Tagen hielt US-Außenministerin Hillary Clinton vor Mitarbeitern des Regierungsapparats, die an der Ausarbeitung des neuen START-Vertrages und des Nuclear Posture Review sowie an der Organisation des Gipfeltreffens für nukleare Sicherheit in Washington D. C. (alle drei April 2010) mitgearbeitet hatten, eine Dankesrede. Sie sagte darin: "Und ich persönlich bin sehr dankbar für alles, was Sie getan haben, damit wir irgendwann, in einem fernen Jahrhundert, unser Ziel einer atomwaffenfreien Welt erreichen..."

Regina Hagen stellt dazu fest: Das zeigt, dass unsere Unzufriedenheit mit dem jüngsten Abrüstungsvertrag zwischen den USA und Russland (START neu), mit der neuen Nukleardoktrin der USA (NPR) und mit den Ergebnissen der Überprüfungskonferenz zum nuklearen Nichtverbreitungsvertrag vom Mai 2010 mehr als gerechtfertigt ist.


Bildunterschriften der im Schattenblick nicht veröffentlichten Abbildungen der Originalpublikation:

Bilder vom Start unserer Radtour. In Erinnerung an den ersten Atomtest wählten wir die Julimitte für den Start unserer Radtour "Global Zero Now". Wir wollen mit den Mayors for Peace dafür eintreten, dass die Welt bis zum Jahr 2020 frei ist von Atomwaffen. Dazu muss jetzt die Atomwaffenkonvention verhandelt werden.

In der Pressehütte Mutlangen ist zur Zeit ein internationales Workcamp mit jungen Menschen aus den USA, Russland, der Ukraine, Spanien und Korea. Sie radelten zum Jahrestag des Trinity-Testes zum EUCOM nach Stuttgart und nahmen an der PACE-Maker Regio-Tour bei Kirchheim Teck teil.

Raute

EDITORIAL

Liebe FriedensfreundInnen,

in der Zeit zwischen der Rückkehr von der Überprüfungskonferenz aus New York und dem Start unserer Tandemtour ist dieser FreiRaum entstanden. Brigitte und ich sind jetzt unterwegs und werden die nächsten fünf Monate für den Frieden in die Pedale treten. Wir sind gespannt, was wir erleben und Ihnen berichten können.

Rückblick auf New York
Um das, was die Jugendlichen auf unserer Aktionsreise erlebt haben, und wie die Überprüfungskonferenz zu bewerten ist, geht es auf den folgenden Seiten. Über das Ergebnis der Konferenz lässt sich streiten. Ist das Glas halbvoll oder halbleer? Bilden Sie sich selbst ihre Meinung! Unbestreitbar ist jedoch, dass es unseres Engagements als Friedensbewegte bedarf, damit sich in der Abrüstungsfrage etwas weiterbewegt.

Veränderungen
Im Moment findet unser jährliches internationales Workcamp statt. Es ist das Abschlussprojekt für unsere beiden FSJ-ler Nina Eisenhardt und Kai Hagen, die dann studieren werden. Auf der Titelseite sehen sie die ersten Schnappschüsse. Im nächsten FreiRaum werden Sie mehr darüber lesen. Da ich unterwegs bin, wird der nächste FreiRaum redaktionell von Lotte Rodi betreut. Sie haben vor und nach der Überprüfungskonferenz zwei FreiRäume mit erhöhtem Umfang erhalten. Um für die Zurückgebliebenen die Arbeit in Grenzen zu halten, werden wir in diesem Jahr nur drei Ausgaben versenden.

Dank
Die Berichte in diesem FreiRaum zeigen, dass sich unser Engagement lohnt. Es ist nur möglich durch Ihre Unterstützung. Wir danken Ihnen daher von ganzem Herzen, dass Sie unsere Arbeit unterstützen.

Ich verabschiede mich für den Rest des Jahres, steige auf den Sattel des Tandems und trete heftig in die Pedale.

Herzliche Grüße,

Wolfgang Schlupp-Hauck (wsh)

Raute

Die Nuklearwaffenkonvention wird zur allgemeinen Forderung

Die Zeit ist reif

Die Konferenz über den nuklearen Nichtverbreitungsvertrag begann mit einem verbalen Schlagabtausch. Das war für die Tagespresse der Aufhänger um über die Überprüfungskonferenz des Atomwaffensperrvertrages zu berichten. Die emsige Arbeitsatmosphäre der Diplomaten machte keine Schlagzeilen.

In seiner Rede kritisierte am ersten Konferenztag der iranische Präsident Mahmud Ahmedinedschad den Atomwaffenbesitz der USA und des "zionistischen Regimes". Darauf verließen USDiplomaten und ihre Kollegen aus anderen westlichen Ländern den Saal. US-Außenministerin Hillary Clinton klagte den Iran als einzigen Staat an, der die Vertragsregeln nicht einhalte. Die Auftaktsmeldungen der Medien zur 8. Überprüfungskonferenz des nuklearen Nichtverbreitungsvertrages bestimmte diese Kontroverse und nicht die Aufbruchstimmung, die unter den Delegierten im Verhandlungssaal herrschte.

Diplomaten aus 172 Staaten rangen bei der UNO in New York im Mai vier Wochen lang um die Zukunft des Vertrages. Mitglieder von 121 Nichtregierungsorganisationen beobachteten sie und brachten Vorschläge ein. Hohe Erwartungen waren an die Konferenz geknüpft, daneben herrschte Angst vor einem neuerlichen Fehlschlag.


Alle wünschten eine erfolgreiche Konferenz

Seit der Prager Rede von US-Präsident Obama im April 2009 keimte die Hoffnung, dass sich im Bereich der nuklearen Abrüstung etwas bewegt. Noch vor der Konferenz unterzeichneten die Präsidenten Russlands und der USA den neuen START-Vertrag. Die Konferenz verlief daher in einer ganz anderen Stimmung als die Überprüfungskonferenz 2005. Die Tagesordnung war kein Streitthema. Zügig wurde die Generaldebatte beendet. Im Eiltempo erarbeiteten die Hauptausschüsse ihre Maßnahmenvorschläge. Bereits in der zweiten Woche lagen die Berichtsentwürfe der Vorsitzenden vor. Die Diplomaten wollten diesmal anders als 2005 ein Abschlussdokument im Konsens verabschieden und nicht wieder ergebnislos auseinander gehen.

In den Gängen der UNO war von den Diplomaten über den Konferenzauftakt anderes zu hören, als die Medien berichteten. Die Rede des iranischen Präsidenten wurde als überraschend gemäßigt eingeschätzt.


Die Messlatte der Zivilgesellschaft: Verhandlungsstart für ein vollständiges Atomwaffenverbot

Die Nichtregierungsorganisationen hatten sich untereinander als zentrale Forderung an die Staaten darauf geeinigt, den Verhandlungsbeginn für eine Atomwaffenkonvention zu fordern. Mit der Atomwaffenkonvention soll ein Vertrag geschaffen werden, der alle Atomwaffen verbietet. Damit soll die diskriminierende Unterscheidung des Nichtverbreitungsvertrages zwischen nuklearen Habenichtsen und Atomwaffenstaaten überwunden werden. Eine Atomwaffenkonvention sollte auch einen Zeitrahmen bis zur vollständigen Abrüstung aller Atomwaffen festlegen, der im Artikel VI des Nichtverbreitungsvertrages fehlt.

Erfreut konnten die Nichtregierungsorganisationen feststellen, dass ihre Forderung nicht mehr nur von vereinzelten Staaten unterstützt wird, sondern dass in den Reden von 28 Staaten die Nuklearwaffenkonvention erwähnt wird, darunter China als einzigem Atomwaffenstaat und Ägypten für die 116 Staaten umfassende Gruppe der Nichtpaktgebundenen. Die Botschafter dieser Länder erhielten von den Nichtregierungsorganisationen Dankeschönpostkarten.


Deutschlands Beitrag enttäuschte

Deutschland bekam keine. Nicht wie erwartet der Außenminister, sondern Staatssekretär Werner Hoyer sprach für Deutschland in der Generaldebatte. Er wiederholte die im Koalitionsvertrag festgeschriebene Forderung nach Abzug der US-Atomwaffen aus Deutschland. Er unterließ es aber, die im Bundestag geforderte Unterstützung für die Atomwaffenkonvention in seiner Rede zu erwähnen. Deutschland stellte sich auf der Konferenz nicht als Bremser, aber auch nicht als Motor für neue Abrüstungsvorschläge dar.

In den letzten beiden Wochen begann das Feilschen und Verwässern der Handlungsvorschläge. Am letzten Verhandlungstag legte der Vorsitzende den Delegierten am Freitagabend wenige Minuten vor dem offiziellen Ende eine Version zur Entscheidung vor nach dem Motto "alles oder nichts." Sie wurde angenommen.

64 konkrete Handlungsschritte sind darin enthalten: 22 zur nuklearen Abrüstung, der Rest zur Nichtverbreitung und zur friedlichen Nutzung der Kernenergie. Außerdem wurde beschlossen, dass der UN-Generalsekretär bis 2012 eine Konferenz über einen nuklearwaffenfreien Nahen Osten einberufen soll.


Halb voll oder Halb leer?

Von den Diplomaten und in den Medien wird das Abschlussdokument als Erfolg gefeiert.

Kritischer fällt eine Analyse aus Sicht der Nichtregierungsorganisationen aus. Auf Druck der Kernwaffenmächte waren die ursprünglich vorgesehenen Fristen gestrichen. Ebenso fehlen Hinweise zur Abrüstung taktischer Kernwaffen und eine Kritik an der nuklearen Teilhabe der NATO. Die Nuklearwaffenkonvention wird zweimal erwähnt, sie ist also Konsens der Vertragsstaaten, allerdings nur indirekt, durch die Unterstützung des Fünf-Punkte-Plans des UN-Generalsekretärs.

Obwohl das Abschlussdokument nur bereits vorhandene Abrüstungspläne bestätigt und keine neuen Wege beschließt, kann der erreichte Konsens konstruktiv genutzt werden. Das Engagement der Zivilgesellschaft wird mehrfach lobend erwähnt.

Die Nichtregierungsorganisationen haben erreicht, dass die Nuklearwaffenkonvention ein gemeinsames Ziel der Staatengemeinschaft wurde. Jetzt gilt es, sich weiter zu engagieren, damit sich die Staaten weiter bewegen.

Wolfgang Schlupp-Hauck


*


DIE KONFERENZ GANZ PERSÖNLICH BETRACHTET

Was ist nötig?
Guter Wille, alle Nationen als gleichberechtigt zu betrachten, sich zu respektieren und die Unterschiede in Kultur, Geschichte und vor allem in nationalen Traumata zu verstehen. Nationale Traumata rufen Misstrauen hervor. Jede Irritation verursacht Rückschritte. Dies kostet große Mühe, es zu überwinden.

Der Prozess, sich näher zu kommen, ist so brüchig
Wie soll den einen erklärt werden, dass sie die Nutzung der Nuklearenergie einschränken, obwohl andere sie sowohl zivil als auch militärisch nutzen? Dies verursacht Bitterkeit. Wie ernst nehmen wir Religion? Würden wir das Neue Testament ernst nehmen, wäre es uns nicht erlaubt, Waffen zu besitzen und in den Krieg zu ziehen, noch Waffen zu produzieren oder zu verkaufen. Wie ernst nehmen wir die Menschenrechte?

Warum geht es so langsam voran? Vielleicht sind die Verhandelnden guten Willens und möchten etwas ändern. Dann jedoch müssen sie Rücksprache mit ihren jeweiligen Regierungen halten. Regierungen schenken der Lobbyisten ihr Ohr, die wiederum ganz eigene Interessen haben, vielleicht geraten sie unter Druck. Viel geht auf diesem langen Weg verloren. Ein oft frustrierender Prozess. Ich bewundere die Menschen, die dennoch durchhalten und weitermachen, während sie sich das immer gleiche anhören müssen.

Wenn einer gewinnt, haben beide verloren Sollten wir nicht ehrlicher und offener werden? Was arbeitet im Unbewußten? Was hat uns enttäuscht? Wo wurde wir verletzt, zurückgewiesen, so dass wir uns in Wettkämpfe zwingen, um Unterdrückung und Unterordnung, Wettkämpfe um Sieg und Niederlage, um noch mehr Geld und Macht? Wonach sehnen wir uns wirklich? Alle, die verhandeln, sind zugleich auch Menschen mit ihren persönlichen Nöten, Wünschen, Geschichten, Hintergründen. Ist denn nicht meistens die oft gewaltige Jagd nach Macht und Geld zuletzt ein verzweifeltes Rennen danach, geliebt und respektiert zu werden? Anette Wanner

Anette Wanner begleitete die Jugendaktionsreise nach New York.


Bildunterschriften der im Schattenblick nicht veröffentlichten Abbildungen der Originalpublikation:

US-Aussenministerin Hillary Clinton bei ihrer Rede

Zehntausend versammelten sich am Timessquare. Die Demonstranten wurden zwischen Sperrgitter geschickt. Auf der einen Seite rollte der Verkehr auf der anderen strömten die Fuß gänger weiter. Perfekt organisiert. Protest der nicht stört und über den die US-Zeitungen fast nichts berichten.

Der iranische Präsident Mahmud Achmadineschad spricht vor der Vollversammlung

Über 60 Deutsche reihten sich in die Demonstration vor der Überprüfungskonferenz ein

Raute

Konferenzsplitter - Eindrücke von der Münchner Sicherheitskonferenz

Wenn man die Internet-Seite der Konferenz regelmäßig verfolgt, fällt auf, dass sich Wolfgang Ischinger im Vergleich zu seinem Vorgänger viel stärker als politischer Akteur präsentiert, auch zwischen den Konferenzen mit eigenen Beiträgen.

Spielräume
(...) Ich denke, dass ihm im Geflecht von Vorgaben der Bundesregierung, Sponsoreninteressen und Erwartungen der wichtigen Konferenzteilnehmer ein gewisser eigener Gestaltungsraum bleibt. Beispiele sind für mich, dass das Thema einer globalen Nulllösung bei Atomwaffen, für das er sich auch persönlich engagiert, bereits zweimal auf der Tagesordnung stand. (...) Das letztjährige Manko, dass die UNO auf der Konferenz nicht präsent ist, wurde diesmal durch eine Videobotschaft des Generalsekretärs Ban Ki-moon etwas korrigiert. Der Gedanke gemeinsamer Sicherheitspolitik im Rahmen der UNO spielte dennoch auf der Konferenz keine Rolle. Beachtenswert ist jedoch die Einbeziehung von Russland, Iran und China, also von Ländern, die eindeutig nicht Nato-verdächtig sind.

Enttäuschung (...) Das am Freitagabend um 22.30 Uhr zusätzlich ins Programm genommene Gespräch zwischen dem iranischen und dem schwedischen Außenminister löste große Erwartungen aus. Mottaki sprach dann lange und über vieles, aber die erhoffte Präzisierung der Vorschläge des iranischen Präsidenten zur Lösung im Atomstreit blieb vage. Die schroffe Reaktion von Bildt war wohl für die meisten der - von den langatmigen Ausführungen zu später Stunde genervten - Anwesenden verständlich, nicht aber für Mottaki selbst, dessen Gesicht - auf der Großleinwand deutlich sichtbar - Verwunderung und Enttäuschung ausdrückte. Am Sonntagmorgen meldeten dann die Medien, dass der iranische Präsident nun doch den Auftrag zur Anreicherung von Uran auf 20 Prozent erteilt habe. Die Konfliktbeilegung war wieder einmal gescheitert. Ob sie hinter den Kulissen ernsthafter betrieben worden war als im spätabendlichen Plenum?


Auszüge aus dem Bericht von T. Mohr, der als Beobachter der Friedensbewegung bei der Sicherheitskonferenz akkreditiert war.

Raute

Zwei Schritte vor und einer zurück

Nahostresolution sorgt für Verstimmung

Die Abschlusserklärung der Überprüfungskonferenz sei "fehlerhaft und heuchlerisch", erklärte die israelische Regierung. Sie ignoriere "die wirklichen Bedrohungen, denen die Region und die ganze Welt ausgesetzt" seien. Israel kündigte den Boykott der vereinbarten Konferenz zu einem atomwaffenfreien Nahen Osten an.

Die Zustimmung der USA zur Abschlusserklärung der Überprüfungskonferenz, in dem Israel - und nicht Iran - an den Pranger gestellt werde, wertet der israelische Botschafter in Deutschland Avi Primor als einen schweren Schlag. Warum?

In einer Vereinbarung zwischen Richard Nixon und Golda Meir versprach Israel, keine Atomtests durchzuführen, sich nicht zur Atommacht zu erklären und das nukleare Arsenal nicht öffentlich zu zeigen. Dafür übten die USA keinen Druck auf Israel aus, Mitglied des Nichtverbreitungsvertrages zu werden. 40 Jahre lang wurde so über die israelischen Atomwaffen geschwiegen.

Obama will mit dem Iran eine neue Strategie einschlagen. Dazu erklärt Bruce Riedel, ehemaliger Leiter der Nahost-Abteilung des nationalen Sicherheitsrates der USA: "Wenn man ernsthaft einen Deal mit Iran machen will, dann muss Israel sich zu seinen Atomwaffen bekennen. Eine Politik, die auf einer Fiktion und doppelten Standards basiert, wird früher oder später scheitern."

Das Schweigen beenden

Bei der Überprüfungskonferenz wollten die USA diese Frage über eine Umsetzung der 1995er Resolution zur atomwaffenfreien Zone im Mittleren Osten angehen. Damit die Konferenz nicht scheitert, konnten sich die USA es sich nicht leisten, das Abschlussdokument abzulehnen, obwohl Israel darin namentlich erwähnt wurde. Doch gleich nach der Verabschiedung hat US-Vizeaußenministerin Ellen Tauscher die Benennung ausdrücklich bedauert. Für Israel reichte dies nicht. Israels bester Freund hat ihm den Rücken gekehrt, das Land fühlt sich isoliert. Jetzt versuchen die USA diese tiefe Enttäuschung durch schärfere Sanktionen gegen den Iran zu versüßen.

Avi Primor argumentiert, der Iran stelle eine so große Gefahr dar, dass andere Staaten in der Region Atomwaffen bauen werden. Dies habe Israel nicht zu verantworten. Seine - bisher geheimgehaltenen Atomwaffen - seien doch nur zur Selbstverteidigung da.

Die israelische Interpretation des Wortes "Selbstverteidigung" haben wir jedoch durch den Tod von neun Menschen auf der "Mavi Marmara" bitter erfahren. Israel verwechselt Selbstverteidigung mit Angriff und versteht die Welt nicht mehr, wenn es dafür kritisiert wird.

Man darf nicht auf Verdacht rumballern, das verbietet das Völkerrecht. Zweimal hat Israel jedoch Anlagen bombardiert - im Irak und in Syrien - um vermeintliche Atomwaffenprogramme zu zerstören, ohne verklagt zu werden.

Umdenken ist nötig

Nach dem Angriff auf die Hilfsflottille ist zu befürchten, dass Sanktionen gegen den Iran für Israel nicht ausreichen werden. Es kann gut sein, dass Israel einen militärischen Alleingang gegen Iran als einzige Möglichkeit sieht, sich gegen das angriffslustige Monster zu verteidigen, das es und andere aus dem Iran gemacht haben.

Was können wir tun? Es ist an der Zeit, den Dialog mit der israelischen Bevölkerung zu suchen. Viele sind zwar gegen die Blockade von Gaza, machen jedoch Halt, wenn es um die Beziehung zum Iran oder um die eigenen Atomwaffen geht. Diese Einstellung wird sich erst ändern, wenn ein Perspektivenwechsel stattfindet. Das heißt: israelische Menschen müssten sich in iranische Menschen hinein versetzen, um zu verstehen, wie bedroht sie sich fühlen, und umgekehrt. Auch die Erkenntnis, dass Atomwaffen nicht schützen, sondern das Land zum Ziel machen, steht in Israel noch aus. Im Iran wächst zudem die Zustimmung in der Bevölkerung zu der Auffassung, dass man Atomwaffen zum Schutz vor Israel brauche. Somit macht Israel mit seinen Atomwaffen die atomare Bewaffnung Irans möglicherweise zu einer sich selbst erfüllenden Prophezeiung.

Xanthe Hall Abrüstungsreferentin der deutschen IPPNW


Bildunterschrift der im Schattenblick nicht veröffentlichten Abbildungen der Originalpublikation:

US-Präsident Obama und Israels Präsident Netanjahu sind uneins über die Nah-Ost-Resolution

Raute

Hollywood rüstet ab

Nukleare Abrüstung ist in der Mitte der Gesellschaft angekommen. Was? Genau. Der wohl wichtigste Beweis hierfür wird dieses Jahr geliefert: z der mit "Eine unbequeme Wahrheit" bereits die Klimabewegung zum richtigen Zeitpunkt befeuert hat. Und aus all den möglichen Themen einer zweiten Dokumentation hat er sich "Global Zero" ausgesucht - da es seiner Meinung nach die zweite große Problematik ist, wo eine Fehlentwicklung die ganze Welt mit in den Abgrund ziehen würde.

Hollywoodtypisch wurde hierbei auf prominente Akteure gesetzt. Der gesamte Film orientiert sich an einem Zitat von John F. Kennedy, hierbei werden die Begriffe "accident" (Unfall), "miscalculation" (Irrtum) und "madness" (Wahnsinn) als Basis für Storyline des Filmes verwendet.

"Jeder Mann, jede Frau und jedes Kind lebt unter einem nuklearen Damoklesschwert, das am dünnsten Faden hängt, der jeden Moment durchtrennt werden kann durch Unfall, Irrtum oder Wahnsinn. Die Kriegswaffen müssen abgeschafft werden, bevor sie uns abschaffen..."

Der Themenblock "accident" behandelt dabei vor allem Unfälle des US-Militärs, beispielhaft werden unter anderem abgestürzte Bomber mit Nuklearbomben über den USA oder unbeabsichtigte Nuklearwaffenüberflüge genannt. Im Bereich "miscalculation" werden folgenschwere menschliche Fehler wie falscher Alarm durch eine Satellitenrakete oder durch ein fälschlich eingelegtes Trainingstape benannt. Der im Film größte Teil "madness" verfolgt einen möglichen Weg einer Nuklearbombe, bei welchem russisches Plutonium gekauft, über die arabischen Staaten in die USA geschmuggelt und dort zusammengebaut wird. Resultat des Filmes ist, dass nur eine vollständige nukleare Abrüstung das Ziel sein kann. Hierbei werden allerdings keine Details zum Weg dorthin benannt.

Details fehlen auch an anderen Orten des Filmes, dafür wird ganz analog zum Film "Eine unbequeme Wahrheit" oft auf Emotionen gesetzt. Dies mag den einen oder anderen Aktivisten enttäuschen, man sollte jedoch beachten, dass der Film eindeutig auf eine Mobilisierung der Massen abzielt - ein meiner Meinung nach bitter nötiges Ziel, bei welchem eine zu trockene Darstellung nicht hilfreich wäre.

Der Film ist desweiteren stark auf die westliche Welt zugeschnitten. Länder wie Russland oder Pakistan werden nicht allzu positiv dargestellt, die amerikanische Perspektive beherrscht den Film vollkommen. Dies hat auf der anderen Seite natürlich aber den Vorteil, das sich die hiesigen und vor allem die für die Abrüstung wichtigen US-Zuschauer mehr mit dem Film identifizieren können.

Am Ende des Filmes gibt es sehr direkte Möglichkeiten, sich selbst einzubringen. Hierbei wird vor allem auf Facebook und SMS gesetzt, über die man weiter in das Geschehen eingebunden werden soll. Während der Film unabhängig produziert wurde - daher auch das andere Logo und der Titel - steckt hinter der Social-Network Kampagne die Initiative Global Zero, welche in den USA bereits erfolgreich mit den neuen Medien arbeitet.

Der Film ließe sich somit für die Deutsche Friedensbewegung auf mehrfache Weise nutzen. Einerseits würde eine Zusammenarbeit mit lokalen Kinos Plattform für weiterführende Informationen und Diskussionen von den lokalen Initiativen ermöglichen, auf der anderen Seite könnte eine Zusammenarbeit mit Global Zero als Sprungbrett für das Thema im Netz wirken.

Trotz kleinerer Schwächen und Problemen würde ich den Film somit also sehr positiv einschätzen, er ist eine großartige Chance zum richtigen Zeitpunkt, um das Thema in die breite Öffentlichkeit zu bringen und so demokratischen Druck auszuüben.

Ernesto Ruge


Bildunterschrift der im Schattenblick nicht veröffentlichten Abbildungen der Originalpublikation:

Global Zero war bei der Überprüfungskonferenz mit nur einer Veranstaltung zugegen. In dieser präsentierte Sie den Film: Countdown to Zero. Die Produzenten, Michael Douglas und der UN-Generalsekretär saßen auf dem Podium.

Raute

HIROSHIMA - NAGASKI

Einweihung Gedenkort in Potsdam: Sonntag, 25.7.2010
Den Befehl zum Abwurf der Atombomben auf Hiroshima und Nagasaki erteilte der Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika, Harry S. Truman, am Rande der Potsdamer Konferenz 1945 in seiner Residenz in Babelsberg "Little White House". Der Hiroshima-Platz Potsdam e.V. und der Oberbürgermeister der Landeshauptstadt Potsdam, laden zu einer zur Einweihung des Gedenkortes am Hiroshima-Platz Potsdam am Sonntag, den 25. Juli 2010 um 11 Uhr ein.
Weitere Informationen und Aktivitäten: www.hiroshima-platz-potsdam.de

Nacht der 100.000 Kerzen
In Japan und in zahlreichen anderen Orten ist es Tradition, jedes Jahr am Hiroshima-Tag auf Flüssen schwimmende Kerzen anzuzünden, ein Symbol für die vielen Menschen, die im kühlenden Wasser des Meeres Rettung vor dem atomaren Feuer suchten. Zum 65. Jahrestag der Atombombenabwürfe auf Hiroshima und Nagasaki rufen Ohne Rüstung Leben und weitere Organisationen des Trägerkreises Atomwaffen abschaffen zu einer "Nacht der 100.000 Kerzen" auf. Damit wollen wir eine Verbindung zu den großen Gedenkfeierlichkeiten herstellen, die am 6. August 2010 um 8.15 Uhr Ortszeit (das entspricht 0.15 Uhr Mitteleuropäische Sommerzeit) im Hiroshima-Memorial-Park begangen werden. Wir laden dazu ein, am Vorabend Donnerstag, den 5. August 2010 in der Zeit zwischen 20.00 Uhr und 0.15 Uhr auf städtischen Plätzen oder vor Militäreinrichtungen, in Gottes- oder vor Rathäusern, auf Flüssen oder Seen Hunderte oder Tausende Kerzen zum Gedenken an die Opfer der Atombomben von Hiroshima und Nagasaki anzuzünden und im Rahmen dieser Aktionen unsere Vision für eine atomwaffenfreie Welt in die Öffentlichkeit zu tragen.

Öffentliches Fasten vom 6. August 2010, Atomwaffenlager Büchel. Am Fliegerhorst Büchel findet eine öffentliche Fastenaktion statt. Es ist möglich die ganze Zeit der oder teilweise dabei zu sein.
Kontakt und Informationen: Matthias Engelke, Telefon: (0 21 53) 12 19 89, Mail: mwEngelke@t-online.de

Raute

Nach der Überprüfungskonferenz

Zur Auswertung der Ergebnisse der Überprüfungskonferenz hatten die deutschen Mayors for Peace nach Potsdam und das Auswärtige Amt sowie die Friedrich-Ebert-Stiftung nach Berlin eingeladen.

Unterschiedliche Tagungen

Innerhalb weniger Tage nahm ich an zwei Tagungen zur Frage "Wie weiter nach New York" teil. Die Eindrücke konnten unterschiedlicher nicht sein.

Zunächst trafen sich die Mayors for Peace in Potsdam zu ihrer Jahreskonferenz, zusammen mit Aktiven der Friedensbewegung. Ich hatte mehr Teilnehmende erwartet - so kurz vor den Sommerferien ist es für Bürgermeister offensichtlich nicht leicht, sich frei zu nehmen. Die jedoch gekommen waren, überzeugten durch ihr großes Engagement. Die Beispiele lokaler Friedensarbeit wirkten inspirierend, die Diskussionen waren offen und auf Augenhöhe. Besonders beeindruckend war der Bericht des Hibakusha Prof. Sotobajashi, der trotz seines hohen Alters gerne seine Erfahrungen in Schulen weitergibt.

Anders das "Forum Globale Fragen" im Auswärtigen Amt. Der große Europasaal voll besetzt, die meisten Herren (weit in der Überzahl) in dunklen Anzügen oder in Uniform. Auf den drei Podien eine Moderatorin und eine Referentin (Regina Hagen, die als Einzige Beifall bekam für ihren Beitrag, wohl von Seiten der Friedensbewegung). Für Diskussionsbeiträge, die meist zu Statements mutierten, blieb kaum Zeit. Die meisten Redner zogen eine positive Bilanz der New Yorker Konferenz, erwähnten immerhin die Notwendigkeit einer Nuklearwaffenkonvention. Dass sie dennoch im alten Denken befangen waren, zeigte die erfrischende Wortmeldung einer jungen Frau von NPT-TV, die meinte, sie könne diese Trippelschritte im Verhandeln nicht mehr aushalten, und die Diplomaten und Politiker sollten endlich diesem Wahnsinn von Atomwaffen ein Ende bereiten...

Lotte Rodi


Konferenz und Friedenswerkstatt in Potsdam - Bundestag soll über Verhandlungen zur Nuklearwaffenkonvention beschliessen

Die VertreterInnen der deutschen Mitglieder der "Mayors for Peace" unterstützen nachdrücklich das Ziel von US-Präsident Obama und der deutschen Bundesregierung, eine atomwaffenfreie Welt zu verwirklichen. Abrüstung und die Beseitigung von Atomwaffen schafft für die BürgerInnen unserer Städte und Gemeinden höhere Sicherheit. "Städte sind keine Angriffsziele!"

Die verabschiedeten Erklärung enthält auch die Forderung an die Abgeordneten des Deutschen Bundestages, einen Beschluss über eine Nuklearwaffenkonvention herbei zu führen, der sich für einen unverzüglichen Beginn von Verhandlungen zu einer Nuklearwaffenkonvention ausspricht, die eine Ächtung von Atomwaffen vorsieht, wie es in der UN-Generalversammlung und durch den UN-Generalsekretär in seinem 5-Punkte-Plan bereits mehrfach vorgeschlagen wurde.

Ein besonderes Anliegen der Bürgermeisterkonferenz war eine gemeinsam mit bundesweit, regional und kommunal aktiven Friedensinitiativen durchgeführte Friedenswerkstatt. Zeitnah wird nach der Veranstaltung eine Dokumentation erstellt. Im Internet können dann die Beiträge der Referentinnen und Referenten nachgelesen werden. Deutlich wurde in den Workshops, dass eine nachhaltige Zusammenarbeit innerhalb der Zivilgesellschaft mehr als notwendig ist, insbesondere zwischen der Abrüstungsbewegung und der AntiAtomkraft Bewegung, welche sich gegen die sogenannte "friedliche" Nutzung der Kernenergie engagiert.

Uwe Fröhlich


Aus den Nebeln der Vergangenheit

Es war ein gewisses Gefühl von Ehrfurcht, das mich da als Neunzehnjähriger ohne praktische Erfahrung auf dem Parkett internationaler Abrüstungspolitik ergriff, als sich die Pforten des erhabenen Europasaals des Auswärtigen Amtes und des Konferenzsaals der Friedrich Ebert-Stiftung für mich öffneten. Umgeben von den altehrwürdigen Eminenzen aus Diplomatie, Militär und Zivilgesellschaft lauschte ich den Bewertungen der Konferenzergebnisse und Debatten über die richtige Vorgehensweise. Gewiss, es hat sich viel getan in den letzten Jahrzehnten. Dass ein FDP-Außenminister "Global Zero" in einer Eröffnungsrede im auswärtigen Amt als konkretes Ziel ausruft, das zu erreichen nicht nur wünschenswert, sondern auch realistisch ist, hätte man sich wohl zur Zeit meiner Geburt kaum vorstellen können. Auch sind die Umstände anders als zu jener Zeit. Die Zahl der Atomwaffenstaaten hat sich erhöht, die Gefahren scheinen aus anderen Richtungen zu kommen. Und doch: Die Strukturen des Denkens sind die gleichen geblieben. Alte Begriffe wie "Abschreckung", "Bündnissolidarität" und vor allem "Sicherheit" beherrschen die Diskussionen - vor allem beim "Forum globale Fragen" im Auswärtigen Amt. Aber was steckt hinter diesen Begriffen? Wie kann man den Begriff "Sicherheit" überhaupt im Zusammenhang mit Atomwaffen gebrauchen? Die Antwort fand ein Mitglied des Podiums: Freilich seien diese Argumentationsstrukturen Relikte des Kalten Krieges. Dennoch müsse man sich daran orientieren, wenn man international über Abrüstung verhandle, da nun einmal in diesen Bahnen gedacht werde. Hier ist ein wesentlicher Mechanismus auf den Punkt gebracht. Ob man dafür argumentiert oder dagegen: Indem man auf eines der alten Konzepte eingeht, das wieder auf den Tisch kommt - sei es atomare Abschreckung, begrenzter Atomkrieg, ein Raketenschild oder sonst etwas - lässt man sich in eine kleinteilige Fachdebatte hineinziehen, ohne den Blick auf die Gesamtsituation zu lenken. Dass ein Experte auf dem Podium dieses Phänomen bemerkt, daraus aber keine Konsequenzen zieht, muss daher enttäuschen. Denn obwohl "Global Zero" als Ziel auf allen Podien als Konsens gelten konnte, obwohl sogar die Atomwaffenkonvention allseits gelobt wurde, obwohl also - oder gerade weil - in vielen Dingen inzwischen Einigkeit besteht, sind Abrüstungsgespräche abgehobene Veranstaltungen für ein Fachpublikum. Seit dem Ende des kalten Krieges sind die Fachbegriffe der Atomwaffenpolitik aus Medien und Alltag verschwunden und somit fehlt der Bevölkerungsmehrheit, gerade den Jüngeren, für derlei Expertengespräche im doppelten Sinne das Verständnis. Eines war daher im Dialog der NGO-Vertreter unter einander unbestritten: Ob es Fortschritte in der Abrüstung gibt oder nicht; ein Hauptproblem bleibt, dass sich kaum noch jemand dafür interessiert.

Benjamin Paaßen

Raute

Koller-Klage

Die Meldung schlug ein wie eine Bombe: Eine Apothekerin aus der Eifel verklagt wegen der in Deutschland gelagerten US-Atomwaffen die Bundesregierung. Das Medienecho war riesengroß, zahlreiche Medien, von der Bild-Zeitung bis hin zur Tagesschau berichteten darüber.

Es ist das erste Mal, dass eine Privatperson die Bundesregierung verklagt, um so einen Abzug der im Land gelagerten Atomwaffen zu erreichen, weil sie gegen das Völkerrecht und gegen die deutsche Verfassung verstoßen. "Wir wollen erreichen, dass ein Gericht die Bundesregierung dazu verurteilt, dass dieser Rechtsbruch endlich beendet wird", so Dr. Elke Koller, die seit vielen Jahren zu den maßgeblichen Initiatoren der Proteste gegen die in Büchel stationierten Atomwaffen gehört.

Elke Koller wohnt nur wenige Kilometer entfernt vom Fliegerhorst Büchel in Leienkaul in der Eifel. Von ihrem Garten aus kann sie die startenden und landenden Tornados der Bundeswehr sehen und hören. Ihr Haus ist seit vielen Jahren zu einem festen Anlaufpunkt für die Friedensbewegung geworden.

Die Apothekerin, die 1980 in die Eifel zog, engagierte sich bei den Grünen, war Fraktionsvorsitzende im Kreistag, kandidierte für den Landtag, organisierte den Protest gegen die Castor-Transporte entlang der Mosel und war Sprecherin des Grünen-Kreisverbandes. Doch nach deren Zustimmung zum Kosovo-Militäreinsatz verließ sie aus Protest die Partei. Seit Jahren bestimmt nun der Protest gegen die Bücheler Atomwaffen ihre Arbeit. Sie tritt bei Ostermärschen als Rednerin auf, sie war auf dem Kölner Kirchentag, um dort über die atomare Abrüstung in der Eifel zu informieren, sie war schon zwei Mal in New York bei der Überprüfungskonferenz zum Atomwaffensperrvertrag.

Immer wieder zeigt sie Flagge gegen die Atomwaffen in Büchel. Und sie verleiht dem Protest in der Eifel ein Gesicht. "Viele wissen nichts von der nuklearen Gefahr, die von Büchel ausgeht. Oder sie wollen nichts davon wissen", so Elke Koller.

Allerdings beginnt auch in der Eifel langsam ein Umdenken. Als 2008 über 2000 Menschen in Büchel demonstrierten, wurde dies schon sehr aufmerksam registriert. Auch erhält sie mittlerweile Zustimmung von Menschen aus der Eifel. Die Bevölkerung wird aufgeschlossener gegenüber den Protesten, spürt sie. Soldaten lassen sich auf Gespräche ein. "Wir haben uns all die Jahre nicht entmutigen lassen, auch wenn manchmal nur wenige vors Haupttor kamen, um zu protestieren", so Koller. Und sie ist überzeugt: "Wir werden beachtet."

Und nun die Klage, die beim Berliner Verwaltungsgericht eingereicht wurde. Auch dies sorgt wieder für Aufmerksamkeit in der Region. Unterstützt wird die Klage von den "Juristen gegen Atomwaffen" (Ialana). Deren ehemaliger Vorsitzender Peter Becker, Verwaltungsrechtler aus Marburg, sieht dabei gute Chancen. "Der Internationale Gerichtshof hat bereits 1996 den Einsatz von Atomwaffen als generell illegal bewertet", so der Jurist. Bürger müssten den Staat zwingen, dass er sich an das Völkerrecht halte, meint Becker. Und sein Nachfolger als Vorsitzender der Juristenvereinigung, der Wiesbadener Rechtsanwalt Otto Jäckel, lobt die Bereitschaft der "mutigen Apothekerin aus der Nähe von Büchel", diese Klage zu führen.

Für Elke Koller ist dies eine logische Folge ihres Protestes. "Atomwaffen sind eine große Gefahr für die Bevölkerung. Es reicht nicht aus, wenn die Bundesregierung in ihrem Koalitionsvertrag mit den Mitteln der Diplomatie auf nukleare Abrüstung hinwirkt", so Elke Koller. Vielmehr gebiete es das Grundgesetz, dass die Regierung im Sinn der von ihr eingereichten Klage tätig werde.

Optimistisch stimmt sie, dass es im Bundestag mittlerweile Konsens bei allen Parteien ist, dass die Atomwaffen aus Deutschland abgezogen werden. "Vielleicht finden sich ja endlich auch mal Politiker von der CDU und der FDP, die hier nach Büchel kommen, um für diesen Abzug zu protestieren", so Elke Koller schmunzelnd.

Dieter Junker, freier Journalist


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Bilanz New York

Elke Koller hat eine ernüchternde und enttäuschende Bilanz der vierwöchigen Überprüfungskonferenz zum Atomwaffensperrvertrag in New York gezogen. Vieles sei bei den Beratungen ausgeklammert worden, die Abschlusserklärung bleibe in weiten Teilen unverbindlich, beklagt Elke Koller, die für den Internationalen Versöhnungsbund als Beobachterin in New York dabei war.

"Nach den Reden von Barack Obama und auch den vielen Ankündigungen aus den USA hatten wir eigentlich mehr erwartet", gibt sie unumwunden zu. Die Abschlusserklärung fordere zwar eine atomwaffenfreie Zone im Nahen Osten und auch weitere Schritte zur nuklearen Abrüstung. "Aber die für uns wichtigen Fragen kommen in dem Dokument leider nicht vor", bedauert sie. Zu diesen wichtigen Fragen gehört für sie die Modernisierung der amerikanischen Atomwaffen in Europa und auch die nukleare Teilhabe innerhalb der NATO. "Denn das betrifft unmittelbar Büchel und die dort gelagerten amerikanischen Atomwaffen", so Elke Koller.

Im Zwischenbericht sei noch die Rede von einem Verbot der Modernisierung und der Entwicklung neuer Atomwaffen gewesen, doch in der Abschlusserklärung wurde dieser Passus komplett gestrichen, erläutert sie. Koller: "Hier hätte schon mehr herauskommen können bei dieser Konferenz in New York."

Das heißt für sie, dass die Proteste in der Eifel weitergehen müssen. "Resignation wäre jetzt fehl am Platz", macht Elke Koller deutlich, die aber auch betont, dass sich die Friedensgruppen nun überlegen müssten, wie die zukünftige Arbeit aussehen wird: "Wir müssen uns erst mal wieder finden, der Frust über New York ist schon spürbar."

Dieter Junker


Bildunterschrift der im Schattenblick nicht veröffentlichten Abbildung der Originalpublikation:

Dr. Elke Koller

Raute

65 Jahre - Atomwaffen a.D.

Die NATO wird im November 2010 in Lissabon ein neues Strategisches Konzept verabschieden. Das Konzept ist bereits in Arbeit. Wenn der Entwurf den Mitgliedern vorgelegt wird - voraussichtlich im August - gibt es eine letzte Möglichkeit, auf den Inhalt Einfluss zu nehmen. Diese Gelegenheit wollen wir nützen.


Zeit, sie ausser Dienst zu stellen

Am 6. und 9. August gedenken wir in vielen Orten der Atombombenabwürfe auf Hiroshima und Nagasaki. Die Nacht der Hunderttausend Kerzen verbindet alle diese Aktionen. Hier können wir Postkarten verteilen und fordern, mit dem Abzug der restlichen US-Atomwaffen aus Deutschland zu beginnen.

Der parteiübergreifende Bundestagsbeschluss "Deutschland muss deutliche Zeichen für eine Welt frei von Atomwaffen setzen" vom 26. März 2010 bestärkt die Aussage der Koalitionsvereinbarung zum Thema Abzug: Der Bundestag fordert der Bundesregierung auf "sich auch bei der Ausarbeitung eines neuen Strategischen Konzepts der NATO im Bündnis sowie gegenüber den amerikanischen Verbündeten mit Nachdruck für den Abzug der US-Atomwaffen aus Deutschland einzusetzen."


Bis dato ist nichts geschehen.

Mit einer Postkarten- und E-Mail-Aktion wollen wir Verteidigungsminister zu Guttenberg daran erinnern, dass der Abzug von allen Parteien des Bundestags und von einer überwältigenden Mehrheit der Bevölkerung gefordert wird.


Postkartenaktion an Verteidigungsminister Guttenberg

Helft mit, dass Tausende von Postkarten den Verteidigungsminister erreichen mit dem Ziel, sich für den Abzug der Atomwaffen aus Deutschland einzusetzen.

Bestelladresse: (kostenfrei - Portoersatz)
Trägerkreis "Atomwaffen abschaffen"
c/o Netzwerk Friedenskooperative
Römerstr. 88
53111 Bonn
Telefon: (02 28) 69 29 04

Raute

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FreiRaum.
Für eine Welt ohne Atom- und Uranwaffen.
Für die friedliche Nutzung des Weltraums.

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Quelle:
FreiRaum Nr. 2 - Juli 2010
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veröffentlicht im Schattenblick zum 28. August 2010