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GEGENWIND/392: Guantanamo - ein Prozeß der Öffentlichkeit braucht!


Gegenwind Nr. 254 - November 2009
Politik und Kultur in Schleswig-Holstein und Mecklenburg-Vorpommern

Guantanamo - ein Prozess der Öffentlichkeit braucht!

Rechtsanwalt Conzalo Boye berichtet in Deutschland über seine Klage gegen die US-Regierungsjuristen, die die juristischen Grundlagen für die Folter der Gefangenen in Guantanamo geschaffen haben


Als Anwalt in Madrid und Pamplona eingetragen, hat er auch in Heidelberg Politikwissenschaft und Volkswissenschaft studiert. Er spricht neben Spanisch auch Englisch und Deutsch und hat seine professionelle Karriere in verschiedenen europäischen Ländern entwickelt. Als Anwalt ist er spezialisiert auf strafrechtliche Fälle mit hoher Komplexität.

Sein professionelles Wirken zeichnet sich insbesondere dadurch aus, dass er es gewagt hat, die us-amerikanischen Juristen vor dem spanischen Gerichtshof im "Prozess 1 M" anzuklagen, weil sie für die Foltermethoden in Guantanamo die rechtlichen Voraussetzungen geschaffen haben und dadurch versucht haben, die nach internationalem Recht verbotenen Methoden der Folter zu legalisieren. Gonzalo Boye vertritt auch die Klage von palästinensischen Zivilisten im Gazastreifen, die von den Soldaten der israelischen Armee vermutlich vorsätzlich verletzt worden sind.

In seiner Klageschrift gegen die us-amerikanischen Juristen beleuchtet er in der Beweisführung chronologisch, wie die juristischen Voraussetzungen systematisch nach dem 11. September 2001 die Folter als Mittel des Krieges geschaffen wurden. Die us-amerikanischen Juristen haben die Methoden der Folter systematisch in drei verschiedene Kategorien eingeteilt und somit konnten die Foltermethoden für die jeweiligen Gefangenen systematisch eingesetzt werden. Die us-amerikanischen Juristen haben in ihrer Funktion als Staatsbeamte durch ihre Tätigkeit internationales Recht mißachtet und die Voraussetzungen geschaffen haben, internationale Regelungen zu umgehen. Gonzalo Boye klagt an, dass sie wider besseren Fachwissens und dieses missbrauchend gegen geltendes nationales und internationales Recht verstoßen haben und die Folter rechtsmissbräuchlich rechtfertigten. In der Klageschrift wird den us-amerikanischen Juristen vorgeworfen, dass sie sich dem Diktat der Politik unterworfen haben, dass dieser Krieg gegen den Terror angeblich andere Methoden braucht und dass die "illegalen Kämpfer eine andere Behandlung brauchen" und sie deswegen auch gefoltert werden können. Es wird ihnen vorgeworfen, dass sie ihre Aufgabe missachtet haben, als von der jeweiligen Regierung unabhängige und eigenständige Instanz darüber zu wachen, dass die Gesetze auch von der Regierung geachtet und Recht umgesetzt wird.

Das Verfahren kann dazu beitragen, die Hintergründe des "Systems Guantanamo" und die maßgeblichen politischen Vorgänge in der damaligen US-Regierung zu durchleuchten. Es kann möglicherweise Antworten auf die Frage geben, wie es dazu kommen konnte, dass eine US-Regierung im "Kampf gegen den Terror" die Grundprinzipien eines demokratischen Rechtsstaates über Bord wirft und damit den "Westen" möglicherweise nachhaltiger erschüttert hat, als die Anschläge vom 11. September 2001 selbst. Juristisch steht die Aufklärung der völkerstrafrechtlichen Verantwortung für die Anwendung von Folter im Mittelpunkt. Es ist denkbar, dass die Beweisaufnahme Erkenntnisse zutage fördert, die Anlass geben, auch gegen hochrangige Regierungsangehörige zu ermitteln.

Die spanische Justiz hat nicht nur in dem Verfahren gegen den chilenischen Ex-Diktator Augusto Pinochet bewiesen, dass sie es mit der Ahndung von Regierungsverbrechen ernst meint, wenn die Justizbehörden der betroffenen Länder hierzu nicht gewillt oder in der Lage sind.


Guantanamo, Folter und Krieg

Im Krieg werden Menschenrechte missachtet. Zu erwarten, dass Soldaten im Krieg das Recht eines Menschen auf Leben und körperliche Unversehrtheit achten, erscheint naiv. Ihre Aufgabe ist es doch, auf Befehl Menschen das Leben zu nehmen, dazu sind sie ausgebildet und ausgerüstet. Da ist es nur folgerichtig, dass Gefangene gefoltert und ermordet werden. Dies war in allen Kriegen die Regel. Die Ausnahme ist die Genfer Konvention, die kriegsgefangenen Soldaten einen gewissen Mindeststandard an Unterbringung in der Gefangenschaft zugestand und eben auch Schutz vor Folter. Damit fiel den kriegführenden Staaten im Weltkrieg die Rekrutierung von Soldaten leichter, denn wenn man im Falle der Gefangennahme sicher sein kann, nicht zu Tode gefoltert zu werden, ist es leichter Soldat zu sein. Die Nazis hatten ihre sowjetischen Kriegsgefangenen durch Zwangsarbeit derart systematisch zu Tode gequält, dass in der Heimat auf den wenigen Überlebenden der Verdacht der Kollaboration lasten musste. Da haben sich Soldaten lieber selbst erschossen, als sich gefangen nehmen zu lassen. Ziel ist es natürlich, Menschen davon abzuschrecken, in den gegnerischen Reihen zu kämpfen.

Gefoltert wird nicht nur in Guantanamo. Die USA hat ihre Gefangenen im Irak ebenfalls gefoltert, die Berichte über Abu Ghreib sind bekannt geworden. Die USA betreibt Foltergefängnisse in Afghanistan, so in Gardez, Baghram und das "Gefängnis der Finsternis" in Kabul. Die Bundeswehr hat das Foltern ebenfalls trainiert, der Skandal bei der Rekrutenausbildung in Coesfeld gelangte ebenfalls schon an die Öffentlichkeit. Die Bundeswehr im Auslandseinsatz foltert allerdings bislang wohl nicht selbst, vielmehr sie lässt foltern. Ihre Gefangenen übergibt sie dazu bislang an die verbündeten USA oder an die afghanischen Handlanger der Besatzungsmacht, die sie im östlich von Kabul gelegenen Pol-i-Scharki einkerkert.

Als Gonzalo Boye sich bereit erklärte, in Deutschland über den von ihm angestrengten Prozess zu berichten, haben wir gerne zugesagt, die Veranstaltungen mit ihm zu organisieren. Seine Klage ist nicht naiv im Sinne einer "sauberen" Kriegführung nur eben ohne Folter von Gefangenen, bei der sonst alles beim alten bleibt, Ermordungen von Zivilisten bei Kriegshandlungen inbegriffen. Vielmehr spielt sich die NATO-Kriegspartei einerseits als Verteidiger von Demokratie, Menschenrechten und Rechtsstaatlichkeit auf und hat es andererseits fertig gebracht, sogar die Instanzen der Rechtsstaatlichkeit dazu zu missbrauchen, die Folter von Gefangenen zu rechtfertigen. Den Gefangenen wird der Status von Kriegsgefangenen verwehrt, weil es sich nicht um Angehörige einer staatlich organisierten Armee handelt, als ob nur der staatlich organisierte Mörder etwas Besseres wäre und nur er vor Folter geschützt gehöre. Die Folterhandlungen werden in verschiedene Stufen eingeteilt, die in der abgestuften Form ausdrücklich erlaubt werden. Durch diese Erlaubnis werden die Täter einer späteren Strafverfolgung entzogen, denn diese werden sich später darauf berufen können, dass sie im Einklang mit dem Gesetz gehandelt haben. Deshalb ist es notwendig, offenzulegen, dass die Juristen, die das Recht dahingehend gebeugt haben, dass es Folter ermöglicht, sich selbst rechtswidrig verhalten haben, so dass dann auch die Folterknechte vor ein Kriegsverbrechertribunal gestellt werden können. Folter im Krieg zu ächten ist ein wichtiger Schritt, den Kriegführenden ein entscheidendes Machtmittel aus den Händen zu nehmen.

In diesem Sinne ist Gonzalo Boyes Klage ein wichtiger Schritt, Kriege unmöglich zu machen.


Öffentliche Informationsveranstaltungen

in Hamburg am Mittwoch, den 25.11.2009 um 19.00 Uhr
in der Universität, Hauptgebäude, Hörsaal ESH, Edmund-Siemers-Allee 1
in Flensburg am Donnerstag, den 26.11.2009 um 19.00 Uhr
in der Phänomenta, Norderstraße 159
in Kiel am Freitag, den 27.11.2009 um 16.00 Uhr
in der Universität Kiel, Audi Max, Christian Albrechts Platz 2
um 19.00 Uhr im Gewerkschaftshaus, Legienstraße 24

Veranstalter: Die Ortsgruppen der Deutschen Friedensgesellschaft - Vereinigte KriegsdienstgegnerInnen (DFG-VK) in allen genannten Orten, der Universität Kiel, die Hamburger aktive Jura-Studenten (HAJ) der Universität Hamburg, der Republikanischen Anwaltsverein (RAV) in Hamburg, die Initiative bayerischer Strafverteidigerinnen und Strafverteidiger, das European Constitutional Center for Human Rights (ECCHR), amnesty international Bezirksverband Hamburg, Flensburg und Kiel, das Hamburger Forum, die Friedenswerkstatt Kiel, sowie die Carl-von-Ossietzky-Buchhandlung in Flensburg, mit freundlicher Unterstützung der der Holtfort-Stiftung und der Hagemann-Stiftung.

Der Eintritt ist frei. Spenden zur Refinanzierung der Reise sind willkommen. Überschüssige Spenden werden über das Constitutional Center for Human Rights (CCHR) in den Vereinigtem Staaten für eine effiziente und zügige Schließung von Guantanamo eingesetzt.

Es werden gerne auch im Vorfeld oder nach der Veranstaltung Spenden zu diesem Zweck entgegengenommen. Die gemeinnützige Friedenswerkstatt e.V. stellt Ihnen gerne eine Spendenbescheinigung aus, wenn unter u. g. Konto Eingänge verbucht werden:

Konto-Inhaber:
Friedenswerkstatt e.V.,
Konto-Nummer 15250-200
Postbank Hamburg BLZ 200 100 20

Bitte vergessen Sie nicht den Verwendungszweck "Guantanamo" anzugeben.


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Quelle:
Gegenwind Nr. 254 - November 2009, Seite 38-39
Herausgeber: Gesellschaft für politische Bildung e.V.
Schweffelstr. 6, 24118 Kiel
Redaktion: Tel.: 0431/56 58 99, Fax: 0431/570 98 82
E-Mail: redaktion@gegenwind.info
Internet: www.gegenwind.info und www.gegenwind-online.de

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veröffentlicht im Schattenblick zum 11. November 2009