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GEGENWIND/433: Kein Lager für Flüchtlingsfrauen


Gegenwind Nr. 264 - September 2010
Politik und Kultur in Schleswig-Holstein und Mecklenburg-Vorpommern

FLUCHT & ASYL
Kein Lager für Flüchtlingsfrauen

Von Nojoud Ali, Kiel


Während des diesjährigen Karawane Festivals in Jena (4. bis 6. Juni 2010 unter dem Motto "Vereint gegen koloniales Unrecht, in Erinnerung an die Toten der Festung Europa".) fand in der Universität Jena eine Veranstaltung statt, die sich ausschließlich mit dem Thema "Flüchtlingsfrauen" beschäftigte. Es kamen fast ausschließlich Frauen, die nicht erst über die besonders schlimme Lage von Frauen in den Unterkünften informiert werden mussten, sondern dringenden Handlungsbedarf sahen. Sie nutzten die Gelegenheit und sprachen sich für eine bundesweite "NoLager"-Kampagne mit ausschließlichen Fokus auf Frauen aus.

Die anwesenden Frauen waren in der Mehrzahl organisiert und informiert und wussten um die besonderen Schwierigkeiten dieser Kampagne. Gegen Vorhaltungen, Partikular-Interessen unter Flüchtlingen zu fördern und nicht solidarisch mit allen zu sein bis zu den immensen Hürden, die Adressatinnen überhaupt gezielt anzusprechen, sprach der Handlungsbedarf, v.a. die unhaltbare Situation in den Lagern, denen ganz besonders die Frauen ausgesetzt sind.

Frauen sind weitaus mehr als die Männer von Isolation bedroht, ihre Handlungsfähigkeit wird meist durch die Gebundenheit an Mann und Kinder sehr eingeschränkt. Sie sind gezwungen, in den erbärmlichen Unterkünften zu bleiben, abgeschieden auf dem Lande ohne Infrastruktur, abgeschnitten von Möglichkeiten, deutsch zu lernen und sich über ihre Rechte zu informieren. Zudem tauchen Nachrichten auf, nach denen in Brandenburg einigen Frauen ihre Kinder, sobald sie schulpflichtig geworden sind, weggenommen und an Pflegefamilien vermittelt werden, da die Errichtung einer Transportmöglichkeit teuer wäre.

Seit diesem ersten Treffen sind zwei weitere hinzugekommen, in denen Ideen und Umsetzungen besprochen sowie weitere Gruppen zur Mitarbeit gewonnen werden. Die Kampagne soll bundesweit durchgeführt werden, aktiv geworden ist bis jetzt v.a. Berlin-Brandenburg.

Das folgende Strategie Papier ist von der o.g. Gruppe entworfen worden und zeigt den Handlungsspielraum vor, den auch Frauengruppen für Aktivitäten in anderen Bundesländern nutzen können:


"KEIN LAGER FÜR FLÜCHTLINGSFRAUEN"

Strategie Paper

• Sinn der Schwerpunkte

• Brainstorming über Strategien und mögliche Aktionen

I. Sinn der Kampagne

"Women In Exile" arbeitet intensiv seit 2008 in unterschiedlichen Asyllager mit Frauen. Viele Probleme aus den Lebensbedingungen in Asyllager wurden ausgesprochen. Die Probleme sind vielleicht sozial und persönlich aber sie kommen aus einer politischen Entscheidung: Asylsuchende in Lager unterzubringen. "Women In Exile" engagiert sich mit anderen Organisationen eine Kampagne gegen die oben genannte politische Entscheidung zu führen

II. Schwerpunkte der Kampagne

Die Kampagne wird aus Brandenburg geführt mit dem Schwerpunkt "Das Leben von Flüchtlingsfrauen in Asyllager in Brandenburg". Inhaltliche Unterstützung kommt von Berichten aus der Feldarbeit von 'Women In Exile' in unterschiedlichen Lager in Brandenburg.

III. Brainstorming über Strategien und mögliche Aktionen

Die Kampagne soll auf zwei Ebenen: Landesebene und in Landkreisen durchgeführt werden.

• Auf Landesebene

Es ist uns bewusst dass die Unterbringung von Flüchtlinge eine Angelegenheit des Landkreises ist. Aber wir wollen auf die Situation auf Landesebene aufmerksam machen. Wir wünschen uns, dass die Unterbringung den Flüchtlingen noch ein Thema in Diskussionen aller Gremien auf Landesebene wird.

Alle interessanten Institutionen werden informiert durch ein Memorandum. Eine Presse Konferenz wird organisiert. Eine Postkarte und Plakate Kampagne wird durchgeführt. Ein Tag Event gegen Lager wird organisiert (Konzert, Gottesdienst, Präsentation)

• In den Landkreisen

Hier werden wir erst die Flüchtlinge und lokale NGOs in Landkreise mobilisieren. Sie sollen die Kampagne in dem Kreis führen. Wir werden unterstützen.

Die Strategie hier ist wie auf Landesebene aber mit Bezug zu der detaillierte Situation aus dem Landkreis.

Eine Reihe von Aktionen wäre möglich in Verhältnis mit der Situation in dem Landkreis

Aktionen in Eventtagen in Landkreise (Interkultureller Tag, Antirassistischer Tag), Demos, Sit-in, Stand-in. Speak-in,. Verteilung von Infoblättern, Tag gegen Lager in Schulen usw.

Handlungsanweisung: Bring die Kampagne "Kein Lager für Flüchtlingsfrauen" auf die politische Tagesordnung, seid in Zeitungen und Medien präsent im Oktober. Sensibilisierung, Mobilisierung und Aufbau einer Aktivengruppe. Bisherige Location: Potsdam und einige der 24 Landkreise

Die Rolle der teilnehmenden Organisationen:

Veranstaltung, um die Kampagne zu beginnen

3 monatige intensive Arbeit in den Landkreisen

Aktivitäten:

Geh ins Heim und erkenne die möglichen Teilhaber Deiner Aktivengruppe. Weise sie an, Flüchtlingsfrauen Gelegenheit zu geben, über ihre Probleme und Biografien zu erzählen

Zweites Treffen mit Mitarbeitern im Landkreis

Schreib ein Memorandum über die Situation mit Lösungsvorschlägen

Aktionstage; Antirassismus-Tage; Informationsveranstaltungen in Schulen; Einforderungen der Rechte von Bürgern, Info über den Abbau von Demokratie, Demonstrationen etc.

Plane eine Aktion, um die eigenen Standpunkte zu verbreiten

Dokumentation

Zusammenstellung früherer Veröffentlichungen

Drucke Poster und Postkarten

Kampagne: Vernetze Dich mit existierenden Kampagnen:

Frankfurt Oder, Neuruppin, Althüttendorf

Landkreise

- Rathenow - Cottbus-Fürst - Frankfurt/Oder und Fürstenwalde(Networking / support) - Althüttendorf(Networking / support) - Lückenwalde - Brandenburg - Belzig - Prenzlau - Neuruppin (Networking / support)


Kontakt:

"Women In Exile", Babelsberg Potsdam,
Rudolf-Breitscheid-Straße 164, 14482 Potsdam


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Quelle:
Gegenwind Nr. 264 - September 2010, Seite 45-47
Herausgeber: Gesellschaft für politische Bildung e.V.
Schweffelstr. 6, 24118 Kiel
Redaktion: Tel.: 0431/56 58 99, Fax: 0431/570 98 82
E-Mail: redaktion@gegenwind.info
Internet: www.gegenwind.info und www.gegenwind.info

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veröffentlicht im Schattenblick zum 3. September 2010