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GEGENWIND/537: Wasser ist Menschenrecht, kein Milliardengeschäft!


Gegenwind Nr. 293 - Februar 2013
Politik und Kultur in Schleswig-Holstein und Mecklenburg-Vorpommern

Wasser ist Menschenrecht, kein Milliardengeschäft!

von Marlene Löhr
Landesvorsitzende BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Schleswig-Holstein



Alle reden über die Krise der EU. Von morgens bis abends kann man sich in Radio und Fernsehen über die neusten Entwicklungen, Hintergründe und persönlichen Schicksale informieren. Dabei gerät in Vergessenheit, dass die EU weit mehr ausmacht als ein finanzpolitisches Problem. Es gerät in Vergessenheit, dass tausende Menschen in Brüssel täglich daran arbeiten, das europäische Projekt weiter voranzubringen. Es gerät allerdings auch außer Acht, dass Brüssel im Schatten der finanzpolitischen Krise derzeit die Tür zur Privatisierung der Wasserversorgung öffnet.


Die Richtlinie zur Konzessionsvergabe will die Vergabe von sogenannten Dienstleistungskonzessionen europaweit einheitlich fassen. Dahinter verbergen sich die Aufträge, die Städte und Gemeinden an (öffentliche) Unternehmen vergeben, um zum Beispiel die Wasserversorgung in ihrem Gemeinde- oder Stadtgebiet sicherzustellen. Eine solche Aufgabe übernehmen meistens die örtlichen Stadtwerke.

Die Richtlinie sieht vor, dass alle Aufträge über 5 Millionen Euro in Zukunft öffentlich ausgeschrieben werden müssen. Die zunächst hoch erscheinende Summe muss jedoch unter dem Aspekt betrachtet werden, dass Dienstleistungsverträge, wie die Wasserversorgung, meistens über einen sehr langen Zeitraum vergeben werden, über den dann natürlich auch entsprechende Summen erwirtschaftet werden. Liest man weiter in der Richtlinie, dann kann man bald ein wenig erleichtert feststellen, dass diese Ausschreibungspflicht nicht für öffentliche Unternehmen gelten soll. Kurz danach stolpert man dann jedoch über ein so großes ABER, dass leise Hoffnungen wieder getrübt sind. Die Ausnahme von der Richtlinie gilt nur für öffentliche Unternehmen (z.B. Stadtwerke), die unter öffentlicher Kontrolle stehen, mindestens 90% ihrer Leistungen in ihrem Zuständigkeitsgebiet erbringen und keine privaten Beteiligungen enthalten. Insbesondere die letzten beiden Punkte machen es für viele Stadtwerke unerreichbar als Ausnahme gerechnet zu werden.

Die meisten Stadtwerke sind sogenannte Mehrsparten-Unternehmen. Das heißt, sie sind nicht nur für die Wasserversorgung zuständig, sondern bieten auch Strom, Gas und Wärme an. Mit der Liberalisierung des Energiemarktes ist es für Verbraucher seit einigen Jahren möglich, sich ihren Energieversorger frei auszusuchen. Eine Bindung an die örtlichen Stadtwerke findet nicht mehr statt. Dies führt dazu, dass viele Stadtwerke ihre Produkte bundesweit bewerben und somit sich einen Kundenstamm aufgebaut haben, der über das gesamte Bundesgebiet verstreut ist. Und hier liegt der Haken der EU-Richtlinie. Viele Stadtwerke erzielen wegen ihres Energieangebots nicht mehr mindestens 90% ihrer Leistungen auf dem Gebiet ihrer Gemeinde oder Stadt und haben deshalb kein Recht als Ausnahme von der Richtlinie zu gelten. Ein zweiter Haken befindet sich in dem Verbot der privaten Beteiligungen. Davon betroffen sind zum Beispiel Stadtwerke, die eine private Minderheiten-Beteiligung (z.B. Eon) haben. Nach Aussagen der kommunalen Spitzenverbände betreffen diese beiden Haken derzeit ungefähr 800 Stadtwerke, die derzeit ca. 50% der Bevölkerung mit Wasser versorgen. In Zukunft könnten sich hier große Privatunternehmen um die Wasserversorgung kümmern. Wasser ist weltweit zu einem Milliardengeschäft geworden und auch auf die deutsche Wasserversorgung haben viele Konzerne schon längst ein Auge geworfen.

Damit die EU-Kommission mit diesem Vorhaben nicht durchkommt und unsere Wasserversorgung in kommunaler Hand bleibt, ist jetzt dringend ein lauter Aufschrei der Bevölkerung geboten. Ein breites Bündnis aus Organisationen und Verbänden hat sich zusammengeschlossen und eine europäische Bürgerinitiative gestartet. Bis zum September 2013 müssen europaweit 1 Million Unterschriften zusammen kommen. Weitere Infos gibt es hier: http://www.right2water.eu.

Wir sollten in Deutschland deutlichen Druck auf die Bundesregierung ausüben: Während sich Bundesrat und einige Landtage bereits gegen diese Richtlinie ausgesprochen haben, unterstützt schwarz-gelb in Berlin das Vorhaben der Europäischen Kommission. Es kann also nicht schaden, wenn sich möglichst viele Menschen an die Abgeordneten der Fraktion von CDU und FDP wenden, um ihre Empörung zum Ausdruck zu bringen. Denn Wasser ist ein Menschenrecht, welches in der öffentlichen Hand bleiben sollte. Kein Milliardengeschäft!

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Quelle:
Gegenwind Nr. 293 - Februar 2013, Seite 16
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veröffentlicht im Schattenblick zum 8. März 2013