Schattenblick → INFOPOOL → MEDIEN → ALTERNATIV-PRESSE


GEGENWIND/752: HSH Nordbank wird verkauft


Gegenwind Nr. 356 - Mai 2018
Politik und Kultur in Schleswig-Holstein & Hamburg

HSH Nordbank wird verkauft
Hamburg und Schleswig-Holstein wollen Kapitel abschließen

von Reinhard Pohl


Eine Milliarde Euro Verkaufserlös klingt nach einem guten Geschäft. Hamburg und Schleswig-Holstein sind Besitzer, aber keineswegs stolze Besitzer einer Bank, der HSH Nordbank. Das waren früher mal zwei ganz normale Landesbanken. Sie wurden fusioniert, auch als Schritt zum Nordstaat, und die neue Bank expandierte anschließend. Und expandierte. Und expandierte. Was bleibt, ist ein Verlust von mehreren Milliarden Euro, fünf bis acht Milliarden für jedes Bundesland.

Landesbanken hatten früher hauptsächlich die Funktion, eine Art "Dachorganisation" der örtlichen Sparkassen zu sein. Sie gehörten dem Land, manchmal auch den Kreisen und den örtlichen Sparkassen. Sie sollten Kredite an größere Firmen geben, wenn die örtlichen Sparkassen dazu zu klein waren, und Dienstleistungen für die Sparkassen organisieren, zum Beispiel Auslandsüberweisungen.

Das haben die Landesbanken von Hamburg und Schleswig-Holstein auch lange Zeit gemacht. Das Problem begann 1999 und vor allem 2003.

Lissabon-Verträge: Die EU ist neoliberal

2007 wurde der EU-Grundlagenvertrag, eine Art Verfassung der Union, abgeschlossen. Danach gilt in der EU das Prinzip des freien Wettbewerbs. Staaten dürfen nur unter ganz bestimmten Bedingungen Firmen subventionieren und damit im Wettbewerb bevorzugen, das gilt auch für die eigenen Firmen.

Das galt vorher auch schon. Die Lissabon-Verträge haben daraus nur ein Verfassungsprinzip gemacht. Und schon vorher, und zwar im Dezember 1999, reichte die Europäische Bankenvereinigung bei der Kommission in Brüssel eine Beschwerde ein: Die Sparkassen, von Gemeinden in Deutschland betrieben, würden ebenso wie die Landesbanken den Wettbewerb verzerren. Grund: Die Gewährträgerhaftung.

Gewährsträger der Sparkassen und Landesbanken sind die Gebietskörperschaften. Das bedeutet, dass Länder und Gemeinden für die eigenen Sparkassen bürgen - wenn diese sich Geld am Kapitalmarkt leihen, bekamen sie die günstigsten Zinsbedingungen, weil es kein Risiko gab. Die Kommission sah das ähnlich, deshalb gab die Bundesregierung nach: 2002 sagte sie zu, die öffentlich-rechtliche Gewährträgerhaftung für die Landesbanken bis 2005 abzuschaffen. In dieser Situation fusionierten die Landesbanken von Schleswig-Holstein und Hamburg zur HSH Nordbank.

HSH Nordbank startet durch

Die HSH Nordbank sah in der Vereinbarung zwischen Bundesregierung und EU-Kommission etwas anderes, als gemeint war. Sie sah nicht das Auslaufen der Gewährträgerhaftung als Kern, sondern die Übergangszeit bis 2005: Alle Kredite, die sie bis dahin aufnahm, würden noch von der Haftung der Länder abgedeckt.

Innerhalb kurzer Zeit versuchte die HSH Nordbank jetzt, so viele Kredite wie möglich aufzunehmen und das Geld entweder an Unternehmen zu verleihen oder "Papiere" damit zu kaufen. Sie finanzierte jetzt vor allem Neubauten von Schiffen und Flugzeugen, Windparks, aber auch Fonds und Papiere, mit denen Eigenheime in den USA finanziert wurden, und auch Papiere, deren Sinn sie nicht verstanden. Später gaben führende Banker der HSH Nordbank zu, sie hätten damals Papiere gekauft, deren Beschreibung mehrere Hundert Seiten umfasste, die sie nicht verstanden und aus Zeitgründen auch nicht lesen konnten.

Ende 2005, als die Gewährsträgerhaftung auslief, bürgten die beiden Bundesländer für rund 165 Milliarden Euro, also ein Mehrfaches der beiden Landeshaushalte. Führende Politikerinnen und Politiker saßen im Aufsichtsrat der Bank. Dort war ihnen versprochen worden, dass es nicht nur kein Risiko gibt - die Bank würde an den Krediten wunderbar verdienen, so dass das Grundkapital der Bank mit 15 Prozent verzinst werden könnte. Beide Bundesländer erhofften sich daraus hohe Einnahmen; zusätzlich zu den Steuern und den Zuschüssen aus dem Länderfinanzausgleich.

Böses Erwachen 2008

Das böse Erwachen kam 2008. Durch die Bankenpleite in den USA gingen viele Kredite verloren. Der Welthandel ging stark zurück, mit großen Auswirkungen auf die Frachtraten bei Schiffen - und inzwischen war die HSH Nordbank der weltweit größte Schiffsfinanzierer geworden. Innerhalb von kurzer Zeit wurde das gesamte Eigenkapital der Bank aufgebraucht, die beiden Bundesländer mussten drei Milliarden Euro leihen und bei der Bank einzahlen. Außerdem beschlossen beide Bundesländer, für 10 Milliarden Euro zu bürgen, um damit die Pleite der Bank abzuwenden.

Für die Rettung entschieden sich die beiden Länder, weil sie nach wie vor als (ehemalige) Gewährsträger für Kredite hafteten. Von den damals 165 Milliarden waren jetzt noch 65 Milliarden Euro übrig, für die beide Länder bürgten. Da schien eine Abwicklung der Bank, das wäre damals eine Möglichkeit gewesen, zu riskant.

Danach schien sich die Bank wieder zu erholen. Einige Kredite wurden insolventen Reedern erlassen, andere kamen zurück, die Bank verzichtete auf drei Milliarden Euro aus der Bürgschaft. Doch 2015 sah es wieder schlechter aus, die Bank musste die Bürgschaft der Länder wieder auf zehn Milliarden Euro aufstocken. Dies machte die EU-Kommission nicht mehr mit: Sie erlaubte die Beihilfe der Länder nur unter der Bedingungen, dass sie die Bank danach entweder auflösen oder verkaufen. Als Frist wurde Ende Februar 2018 gesetzt.

Die Länder entschieden sich dafür, die Bank nach Möglichkeit zu verkaufen. In den zwei Jahren bis zum Fristablauf wurde deshalb eine Holding gegründet, die beiden Bundesländern gehört, und dort wurde die Bank in eine "gute Bank" mit einigermaßen sicheren Krediten und eine "schlechte Bank" mit den Krediten unterteilt, die wohl nicht mehr zurückkommen. Diese Kredite sollten und sollen nach Möglichkeit an Spekulanten verkauft werden. Zum Teil übernahmen die Länder selbst die Kreditverträge, ihnen "gehören" jetzt ein paar Schiffe als Sicherheit.

Ein Windpark in Italien, auch von der HSH Nordbank finanziert, ist zwar auch offiziell die Sicherheit für den Kredit. Allerdings nur theoretisch: Da der Windpark vermutlich der Mafia gehört, die auch den Kredit bekommen hat, wurde er vom italienischen Staat beschlagnahmt. Die HSH Nordbank hat zeitweise wirklich zu schnell Geld umgeschlagen und hatte viel Pech mit ihren Kunden und Kontakten.

Die Summen, für die die beiden Gewährsträger hafteten, reduzierten sich in diesen Jahren weiter. 2014 waren es noch 20,8 Milliarden Euro, 2015 dann 12,4 Milliarden Euro, 2016 schließlich noch 2,6 Milliarden Euro. Insofern war diese Summe mit der Einleitung der Verkaufsverhandlungen überschaubar geworden.

Verkauf

Der Verkaufsprozess war zweigeteilt: Es gab erst ein Interessenbekundungsverfahren, danach mussten die Interessierten ein Angebot machen. Das ist relativ kompliziert, denn die möglichen Käufer werden von der Bankenaufsicht und von der EU-Kommission auch daraufhin untersucht, ob sie überhaupt eine Großbank führen können und dürfen.

Den Zuschlag bekam schließlich Angebot von "Cerberus" und "Flowers" über rund eine Milliarde Euro. Cerberus gehören auch Anteile an der Commerzbank und der Deutschen Bank, und Flowers hatte bisher schon einen Anteil von 5,1 Prozent an der HSH Nordbank, den Flowers früher der West-LB abgekauft hatte, als die in Probleme geriet und letztlich aufgelöst wurde.

Die HSH Nordbank ist auch nicht mehr das, was sie noch 2008 war. Damals war es eine Bank mit einem Umsatz von 208 Milliarden Euro im Jahr und 5.000 Beschäftigten; zum Jahresbeginn 2018 ging es noch um einen Jahresumsatz von 76 Milliarden Euro, es gibt zur Zeit noch 1.900 Angestellte in Kiel und Hamburg.

Der neue Besitzer hat keine Auflagen erhalten, das schien den beiden Bundesländern zu riskant - fürchteten sie doch, die Bank könnten vielleicht überhaupt keinen neuen Besitzer finden. Die neuen Eigentümer werden vermutlich den Standort Kiel, den sie nicht brauchen, zügig auflösen und auch das Personal entsprechend reduzieren.

Was sie mit der Bank vorhaben, ist nicht klar, sie sagen es nicht. Sie behalten aber die Bürgschaften von 10 Milliarden Euro von Schleswig-Holstein und Hamburg, die gehören zur gekauften Bank dazu. Falls Kredite nicht zurückgezahlt werden, sind sie fällig.

Zustimmen müssen noch die Parlamente in Kiel und Hamburg. Allerdings gilt die Zustimmung als sicher, insbesondere weil man vor der Auflösung noch mehr Angst hat als vor dem Verkauf. Die ersten Milliarden-Verluste haben die Finanzministerin und der Finanzsenator auch schon in die Haushalte für 2018 reingeschrieben. Dadurch sind die Schulden von Schleswig-Holstein auf rund 30 Milliarden Euro, die Hamburgs auf rund 33 Milliarden Euro gestiegen.

*

Quelle:
Gegenwind Nr. 356 - Mai 2018, Seite 11 - 12
Herausgeber: Gesellschaft für politische Bildung e.V.
Schweffelstr. 6, 24118 Kiel
Redaktion: Tel.: 0431/56 58 99, Fax: 0431/570 98 82
E-Mail: redaktion@gegenwind.info
Internet: www.gegenwind.info
 
Der "Gegenwind" erscheint zwölfmal jährlich.
Einzelheft: 3,00 Euro, Jahres-Abo: 33,00 Euro.
Solidaritätsabonnement: 46,20 Euro


veröffentlicht im Schattenblick zum 23. Mai 2018

Zur Tagesausgabe / Zum Seitenanfang