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GEGENWIND/797: Nuklearer Winter


Gegenwind Nr. 367 - April 2019
Politik und Kultur in Schleswig-Holstein & Hamburg

Krieg & Frieden
Nuklearer Winter

von Detlef Mielke


Wie wirkt sich ein atomarer Krieg auf das Klima aus? Was passiert, wenn sich die Erde um 1 1/4°C abkühlt? Die Jahresdurchschnittstemperaturen hier sind der Internetseite des Umweltbundesamtes entnommen. Wenn denn vielleicht 100 Atomwaffen zum Einsatz kämen, dann kommt ein Nuklearer Winter.

Die Klimaerwärmung hat Folgen

In den vergangenen 100 Jahren ist die Jahresdurchschnittstemperatur auf de Erde um etwa 1 Grad Celsius gestiegen. Auswirkungen auf die Natur sind bekannt: Polkappen schmelzen und der Meeresspiegel steigt, stärkere Stürme, Dürren einerseits, Überschwemmungen andererseits.

Ausgetrocknete Landstriche und Ernteausfälle führen zu Hunger und zwingen zur Migration. Dass dieser Klimawandel menschengemacht ist, wird nur noch vom US-Amerikanischen Präsidenten und anderen Rechtspopulisten bestritten.

Nur ein kleiner Atomkrieg mit "Mini-Nukes"

An dem Szenario eines fiktiven begrenzten Atomkrieges zwischen den Atomwaffenstaaten Indien und Pakistan haben US-Klimaforscher die Auswirkungen auf das Erdklima berechnet. Angenommen wurde der Einsatz von jeweils 50 Atomsprengköpfen von der Stärke der Hiroshimabombe (Mini-Nukes) auf Großstädte und Industrieanlagen (Spektrum der Wissenschaft 12/2010). 20 Millionen Menschen würden unmittelbar an den Folgen der Brände, der Druckwellen und der nuklearen Strahlung sterben.

Auswirkung eines begrenzten Atomkrieges auf das Erdklima

Nur 100 Mini-Nukes würden durch die entstehenden Flächenbrände Feuerstürme auslösen und Rußpartikel hoch in die Troposphäre tragen. Die Erde würde großflächig verdunkelt, ein Phänomen, das von großen Vulkanausbrüchen her bekannt ist. Aber anders als bei Vulkanausbrüchen, bei denen die Partikel meist transparent sind, würden die schwarzen Rußpartikel aber von der Sonne erwärmt und in die Stratosphäre aufsteigen. Innerhalb weniger Wochen verteilt sich der Dunst über die gesamte Erde. Weltweit würde die Sonneneinstrahlung reduziert und die Durchschnittstemperatur würde um 1,25 Grad C sinken. Die Temperaturveränderung geschähe nicht allmählich wie beim Klimawandel, sondern innerhalb von Wochen. 10 Jahre würde es dauern, bis die Partikel auf die Erde abgesunken seien. 10 Jahre lang würde eine Abkühlung der Jahresdurchschnittstemperatur anhalten. Würden viele Atomsprengköpfe eingesetzt, etwa in einem Krieg zwischen USA und Russland, betrüge der Temperatursturz bis zu 30 Grad Celsius.

Die Ozonschicht würde zerstört

Die Rußpartikel von nur 100 Atomexplosionen würden in der Stratosphäre durch die Sonneneinstrahlung zu einem Temperaturanstieg führen, die Ozonschicht würde weitgehend zerstört. Menschen könnten sich durch Schirme schützen, Pflanzen nicht. Viele Pflanzen würden durch die erhöhte UV-Strahlung geschädigt.

Hunger als Folge von Missernten

Die Nahrungsmittelproduktion bräche durch die Verringerung der Temperatur und die geringere Sonnenstrahlung sowie die geringere Niederschlagsmenge ein. Die Preise für Lebensmittel würde sehr stark steigen und die arme Bevölkerung könnte sich keine Nahrungsmittel mehr leisten. Eine Milliarde hungertote Menschen könnte die Folge sein.

Neues atomares Wettrüsten erhöht die Atomkriegsgefahr

Ein neues Wettrüsten hat bereits begonnen. 2001 kündigten die USA einseitig den ABM-Vertrag, Dabei ging es um ein Verbot von Antiraketenraketen um die gegenseitige Zweitschlagskapazität zu garantieren. Russland sieht die Stationierung von ABM Raketen in Rumänien und demnächst auch in Polen als einen Verstoß gegen den INF Vertrag (Intermediate Range Nuclear Forces, zu Deutsch: nukleare Mittelstreckensysteme). Dieser Vertrag beendete 1988 das atomare Wettrüsten in Europa. Heute beschuldigen die USA Russland, Mittelstreckenlenkwaffen entwickelt zu haben. Russland beschuldigt die USA mit der Stationierung von Antiraketenraketen in Rumänien und Polen den INF Vertrag zu verletzen. Die politische Entspannung, unter der der INF-Vertrag funktionierte, ist längst vergiftet. Nun haben die USA diesen Vertrag aufgekündigt und in der Folge erklärte Russland, sich dann auch nicht mehr an den Vertrag zu halten.

Atomkrieg aus Versehen

Selbst wenn wir davon ausgehen, dass weder USA noch Russland, die über die weitaus meisten Atomwaffen verfügen, den Atomkrieg wollen, weil sie wissen, dass das die Vernichtung der Menschheit bedeuten würde, so besteht doch das Risiko eines Atomkrieges aus Versehen. Es gab mehrere Computerfehler, die beinahe zu einem Atomkrieg führten. Sitzt dann nicht zufällig besonnenes Bedienpersonal am Startknopf für das Inferno, ist es um die Menschheit geschehen.

Verkürzte Vorwarnzeiten

Ein Raketenflug von Russland in die USA oder umgekehrt dauert ca. 20 Minuten. Das sind 20 Minuten um einen Computerfehler zu erkennen. Nach 20 Minuten muss der (scheinbar) Angegriffene alle seine Atomraketen gestartet haben um sie vor Zerstörung zu schützen. Werden allerdings US-Raketen in Europa oder russische Raketen etwa auf Cuba stationiert, so verkürzt sich die Flugdauer auf wenige Minuten. Ein eventueller Computerfehler muss also nach etwa 5 Minuten erkannt werden um einen gegenseitigen Atomkrieg zu verhindern. Mit einer Stationierung von Mittelstrecken in Europa steigt also die Atomkriegsgefahr.

Aktiv werden gegen Atomkriegsgefahr

Diese Gefährdung durch Atomwaffen war in den Jahren der Ost-West-Entspannung eine verdrängte Gefahr.

Sie bestand fort, wurde von der Bevölkerung aber kaum gespürt. Die Aufkündigung des INF-Vertrages zeigt, wie nah die Menschheit an ihrer Selbstvernichtung ist. Werden auch Sie aktiv gegen Atomkrieg, verlangen Sie von der Bundesregierung die Unterzeichnung des Atomwaffenverbotsvertrages. Sprechen Sie Bundestags- und Landtagsabgeordnete auf die Beteiligung der BRD an der Atomkriegsplanung der NATO an.

Die ParlamentarierInnen sollen die Abgeordnetenerklärung von ICAN (siehe Kasten) unterzeichnen.

KASTEN: www.icanw.delabgeordnetenerklaerung

"Wir, die unterzeichnenden Abgeordneten, begrüßen die Annahme des Vertrags für ein Verbot von Atomwaffen am 7. Juli 2017 in den Vereinten Nationen ausdrücklich als einen entscheidenden Schritt zur Verwirklichung einer atomwaffenfreien Welt.

Wir teilen die in der Präambel ausgedrückte, tiefe Sorge über die katastrophalen humanitären Auswirkungen jeglichen Gebrauchs von Atomwaffen und erkennen die dringende Notwendigkeit an, diese unmenschlichen und abscheulichen Waffen abzuschaffen.

Als Abgeordnete geloben wir, auf die Unterzeichnung und die Ratifizierung dieses bahnbrechenden Vertrages durch unsere jeweiligen Staaten hinzuwirken, da wir die Abschaffung von Atomwaffen als hohes, globales öffentliches Gut begreifen und als einen wesentlichen Schritt zur Förderung der Sicherheit und des Wohls aller Völker."

Aktive der Deutschen Friedensgesellschaft - Vereinigte KriegsdienstgegnerInnen haben bereits einige, viele, Kommunalpolitiker insbesondere von Linken, Grünen, SPD und SSW angeschrieben mit der Bitte, den ICAN-Städteappell in ihre Kommunalvertretung einzubringen und beschließen zu lassen. Wir wollen möglichst viele Städte und Gemeinden bekommen, die sich gegen die atomare Aufrüstung aussprechen.

Eine überwältigende Mehrheit der Bevölkerung in Deutschland lehnt Atomwaffen ab.

Sprecht Eure Kommunalpolitiker an, damit Eure Stadt den ICAN-Städteappell unterzeichnet. Es schadet sicher nicht, wenn ein Kommunalpolitiker von verschiedenen Seiten auf den Städteappell (siehe Kasten) angesprochen wird.

KASTEN www.icanw.delican-staedteappelII

"Unsere Stadt/unsere Gemeinde ist zutiefst besorgt über die immense Bedrohung, die Atomwaffen für Städte und Gemeinden auf der ganzen Welt darstellt. Wir sind fest überzeugt, dass unsere Einwohner und Einwohnerinnen das Recht auf ein Leben frei von dieser Bedrohung haben. Jeder Einsatz von Atomwaffen, ob vorsätzlich oder versehentlich, würde katastrophale, weitreichende und langanhaltende Folgen für Mensch und Umwelt nach sich ziehen. Daher begrüßen wir den von den Vereinten Nationen verabschiedeten Vertrag zum Verbot von Atomwaffen 2017 und fordern die Bundesregierung zu deren Beitritt auf."

Wir werden sammeln und in einem der folgenden Gegenwind berichten, welcher Kommunalpolitiker sich wie zu diesem Städteappell verhalten hat, wer bereit war, ihn einzubringen und wer dafür und dagegen stimmte. Denn jeder Wähler sollte wissen, wie seine politischen Vertreter sich in dieser Frage positionieren.

Weitere Informationen finden Sie:

www.bundeswehrabschaffen.de
www.atomwaffenfrei.de
www.ican.de
www.dfg-vk.de

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Quelle:
Gegenwind Nr. 367 - April 2019, Seite 17 - 18
Herausgeber: Gesellschaft für politische Bildung e.V.
Schweffelstr. 6, 24118 Kiel
Redaktion: Tel.: 0431/56 58 99, Fax: 0431/570 98 82
E-Mail: redaktion@gegenwind.info
Internet: www.gegenwind.info
 
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veröffentlicht im Schattenblick zum 12. April 2019

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