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GEGENWIND/822: 500 Flüchtlinge werden in Schleswig-Holstein aufgenommen - Die ersten kommen bald


Gegenwind Nr. 371 - August 2019
Politik und Kultur in Schleswig-Holstein & Hamburg

FLUCHT & ASYL
500 Flüchtlinge werden in Schleswig-Holstein aufgenommen:
Die ersten Flüchtlinge kommen bald

von Reinhard Pohl


Im Herbst 2018 hat die Landesregierung die Aufnahme von 500 besonders schutzbedürftigen Flüchtlingen beschlossen. Das war bereits im Koalitionsvertrag vereinbart worden, und der Landtag hatte noch mal eine gemeinsame Aufforderung formuliert. Im Landtag stimmten dann CDU, SPD, Grüne, FDP und SSW für die Aufnahme, die AfD enthielt sich - aber stimmte zumindest nicht dagegen, dass jetzt 500 Flüchtlinge zusätzlich kommen.

Die Aufnahme ist Teil eines größeren Programms, zu dem die EU aufgerufen hat: Die Mitgliedstaaten sollten, so die Kommission unter dem vorigen Präsidenten, doch 50.000 Flüchtlinge von der anderen Seite des Mittelmeers aufnehmen. Das würde die Zahl der Menschen, die auf ein Schlauchboot gezwungen würden, senken. Und die Aufnahmestaaten könnten so für eine gleichmäßige Aufnahme sorgen, also genau die Aufnahmekapazitäten schaffen, die dann auch benötigt werden.

Das wurde so beschlossen. Die Kommission plant dafür jetzt 50 Millionen Euro ein. Das Geld kommt aus dem Haushalt, also von allen 28 Mitgliedsstaaten. Ausgezahlt wird es an diejenigen, die freiwillig beim Aufnahmeprogramm mitmachen: Pro aufgenommenen Flüchtling werden 10.000 Euro ausgezahlt. Die Bundesregierung hat 9.700 Aufnahmen angemeldet, die Flüchtlinge sollen aus dem Libanon und Libyen kommen, wobei eventuell Flüchtlinge in den libyschen Lagern zunächst in den Niger evakuiert werden, um sie aus der Gefahrenzone zu bringen - und gleichzeitig aus der Reichweite der Milizen, die Plätze in den Schlauchbooten verkaufen. Diese Flüchtlinge werden auf die Bundesländer verteilt, also kommen dann ungefähr 340 nach Schleswig-Holstein, verteilt über mehrere Jahre.

Zusätzlich nimmt Schleswig-Holstein jetzt 500 auf, in diesem Jahr und in den nächsten drei Jahren (2020 bis 2022) jeweils 125. Sie kommen zunächst aus Ägypten, später wahrscheinlich auch aus Äthiopien. Die EU wird dafür also etwas mehr als 8 Millionen Euro überweisen.

Zunächst hat das Innenministerium jetzt ein Büro in Ägypten eingerichtet, das ständigen Kontakt mit dem UNO-Flüchtlingshilfswerk UNHCS hält. UNHCR sucht von den in Ägypten lebenden Flüchtlingen einige aus, die besonders verletzlich sind, also zum Beispiel alleinstehende oder alleinerziehende Frauen, Kinder ohne Eltern oder auch Menschen, die dringend eine Operation brauchen. Diese sollen vor allem eine syrische Staatsangehörigkeit haben, möglich sind auch die Staatsangehörigkeiten des Irak, Sudan, Südsudan, Eritrea und Somalia. Besonders wichtig für alle aus dem Jemen, die häufig Freunde oder Angehörige in Ägypten haben: Auch eine andere Staatsangehörigkeit ist möglich, wenn es "dringende humanitäre Gründe im Einzelfall" gibt, wie es im Erlass des Landes heißt.

Die Kriterien sind:
  • Flüchtlinge mit besonderen rechtlichen und physischen Schutzbedürfnissen
  • Flüchtlinge mit besonderem medizinischen Behandlungsbedarf
  • Flüchtlingsfrauen und -mädchen mit besonderer Risikoexposition
  • Flüchtlinge mit familiären Bindungen in Deutschland
  • Flüchtlingskinder und heranwachsende Flüchtlinge, die besonderen Risiken ausgesetzt sind
  • Flüchtlinge, die aus anderen Gründen keine Perspektive auf eine Eingliederung im derzeitigen Aufenthaltsstaat haben.

UNHCR schlägt vor, das Innenministerium in Kiel entscheidet dann gemeinsam mit dem BAMF, und dann wird das Visum zur Einreise gegeben. Dabei gibt es auch eine Sicherheitsüberprüfung. Hat ein Flüchtling keinen Pass, kann die Botschaft einen Ersatzpass ausstellen. Soweit eine Ausreisegenehmigung erforderlich ist, will man auch dabei helfen.

Hier in Schleswig-Holstein bekommen alle eine Aufenthaltserlaubnis nach § 23, Absatz 1 Aufenthaltsgesetz. Damit darf man zwar arbeiten, aber man hat keinen Anspruch auf einen Integrationskurs. Das war schon bei der Aufnahme der jesidischen Frauen vor einigen Jahren ein Problem, einige von ihnen können immer noch kein Deutsch. Allerdings kann man mit dieser Aufenthaltserlaubnis eine "Zulassung zum Integrationskurs" beantragen - das wird aber nur klappen, wenn eine Beratungsstelle dabei hilft. Das Innenministerium weist aber darauf hin, dass auch das Jobcenter die Leistungsempfänger zum Kurs verpflichten können - so könnte man die Beschränkung des Aufenthaltsgesetzes umgehen.

In den ersten drei Jahren sollen die Flüchtlinge eine Wohnsitzauflage erhalten, dürfen also nur umziehen, wenn sie eine der Voraussetzungen aus dem Aufenthaltsgesetz (§ 12a) erfüllen. Einen Familiennachzug soll es normalerweise nicht geben, weil Familien als Einheit aufgenommen werden - wenn doch, wäre das eine Ausnahmeentscheidung, weil das Aufenthaltsgesetz es bei diesem Aufenthaltstitel nur aus dringenden "humanitären Gründen" zulässt.

Hier in Schleswig-Holstein sollen sie in den ersten Wochen in einer Erstaufnahme leben, damit sie zur Ruhe kommen, dann werden sie auf die Kreise verteilt. Diese haben bereits zum 5. Juli zurückgemeldet, wie viele sie freiwillig übernehmen.

Wie kommen meine Freunde oder Verwandte ins Programm?

Wer Freunde oder Verwandte in Ägypten hat, die eine der genannten Staatsangehörigkeiten haben: Sie müssen sich bei UNHCR registrieren lassen und angeben, dass sie ins Aufnahmeprogramm von Schleswig-Holstein wollen. Entschieden wird das dann zwar vom Innenministerium in Kiel, das entscheidet aber nur über Akten, die von UNHCR vorgelegt wurden.

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Quelle:
Gegenwind Nr. 371 - August 2019, Seite 14 - 15
Herausgeber: Gesellschaft für politische Bildung e.V.
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veröffentlicht im Schattenblick zum 10. September 2019

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