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GEGENWIND/849: Munition für die bewaffneten Kampfdrohnen der Bundeswehr


Gegenwind Nr. 376, Januar 2020
Politik und Kultur in Schleswig-Holstein & Hamburg

KRIEG UND FRIEDEN
Munition für die bewaffneten Kampfdrohnen der Bundeswehr

von Siglinde Cüppers


Seit 2010 bedienen Soldat*innen aus Jagel Großdrohnen vom Typ Heron 1 über Afghanistan. Die gesammelten Daten, meist Bilder, werden dort für den NATO geführten Krieg benutzt. Seit 2016 sind Bundeswehrsoldat*innen aus Jagel mit ihren Großdrohnen in Mali am Krieg beteiligt. Die dort gesammelten Daten werden via Satellit "in Echtzeit" nach Geisdorf bei Bonn übermittelt und gelangen per Glasfaserkabel weiter nach Jagel. Dort werden sie von Bildauswerter*innen der Bundeswehr aufgearbeitet, damit sie für militärische Lagebilder in Mali verwendet werden können. Per Satellit gelangen sie wieder nach Mali. Wer sie dort benutzt, ist bisher nicht veröffentlicht. Sind es alle dort am Krieg Beteiligten einschließlich der Killer der französischen Operation Barkha?

Der Fliegerhorst Jagel soll 2021 über die bewaffneten Kampfdrohnen der Bundeswehr vom Typ G-Heron TP verfügen. Seit Februar 2019 werden Soldat*innen aus Jagel in Israel an dem neuen Flugroboter zu Drohnenpilot*innen und Waffensystemoffizier*innen ausgebildet. Das G vor Heron TP steht für Germany. Die G-Heron TP ist eine speziell für die Bundeswehr weiterentwickelte Baureihe. Mit 13 m Länge und 26 m Spannweite ist sie deutlich größer als die zurzeit in Afghanistan und Mali benutzte Heron 1. Bei einer Nutzlast von 1800 kg kann sie zusätzlich zur Allwettersensorik vielfilltig bewaffnet werden. Je nach Nutzlast kann eine G-Heron TP bis zu 26 Stunden in der Luft bleiben, ohne aufgetankt zu werden.


Täuschungsmanöver 1: Erst einmal ohne Munition?

Das Waffensystem G-Heron TP wird mit Rücksicht auf die SPD, die um den Verlust von Wählerstimmen fürchtet, erst einmal ohne Munition angeschafft, hieß es. Alle technischen Voraussetzungen für eine Bestückung mit Raketen oder "Subdrohnen" sind aber mitbestellt und werden eingebaut. Auch die Schulung für die Waffenbedienung ist vertraglich vereinbart und die Ausbildung wurde bereits eingeleitet. Die Munition kann innerhalb von zwei Monaten geliefert werden.


Täuschungsmanöver 2: Die Kampfdrohne G-Heron TP soll "nur" zum Schutz der Soldat*innen bewaffnet werden

Während ihres Besuches Anfang Dezember 2019 in Kunduz in Afghanistan teilte Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU) mit, dass sie dafür ist, in Afghanistan bewaffnete Drohnen zum Schutz von Bundeswehr-Feldlagern einzusetzen. Sie hatte sich bei einem Besuch im als besonders gefährdet geltenden Bundeswehr-Lager im afghanischen Kunduz der Position der Bundeswehr angeschlossen, das Lager mit bewaffneten Drohnen auszustatten. "Zum Eigenschutz" ist die Formel, mit der bewaffnete Kampfdrohnen der Bevölkerung verkauft werden sollen.

Die Bundeswehr und Regierung bezeichnen jeden Angriff der Bundeswehr als Verteidigung. Laut Grundgesetz darf die Bundeswehr nur zur Verteidigung da sein. Die Bundesregierungen definieren den Begriff Verteidigung einfach um. Der ehemalige Minister Struck sagte, die BRD würde am Hindukusch verteidigt.

In Afghanistan sind 1.300 Bundeswehrsoldat* innen als Teil der Nato-Ausbildungsmission "Resolute Support" im Einsatz. Bei ihrem Besuch in Kunduz sei die Ministerin immer wieder von Soldat* innen gedrängt worden, die Kampfdrohne G-Heron TP zum Selbstschutz der Soldat*innen zu bewaffnen, lanciert das Verteidigungsministerium. Dabei war auch ein Drohnenvideo mit praktischen Beispielen vorgeführt worden.

Der Vorsitzende des Bundeswehrverbandes, Andre Wüstner, unterstützte in Kunduz Forderungen nach einer Bewaffnung der Drohne G-Heron TP. "An einzelnen Brennpunkten, wie im Raum Kunduz, gibt es eine steigende Bedrohungslage. Darauf muss reagiert werden, wenn der Schutz der Soldaten weiterhin oberste Priorität haben soll", sagte Wüstner, der mit der Ministerin reiste. "Auch das Go für die Bewaffnung der Drohne Heron TP muss nun endlich erfolgen", sagte er der dpa.

Es gehe dabei um aktiven Selbstschutz der Soldat*innen. Bislang könnten die in Kunduz stationierten Bundeswehr-Soldat*innen zwar Raketenstellungen von Angreifern entdecken, seien dann aber davon abhängig, "dass befreundete Kräfte die entsprechende Stellung ausschalten". Bis dahin müssten die Soldaten in Schutz gehen und wüssten über Stunden nicht, ob ein Angriff erfolge.


Die Bundeswehr will mit Kampfdrohnen angreifen können

Auch "weiche Ziele", Menschen sollen zerstört werden

Angriff ist die beste Verteidigung, heißt es in der Logik von Militärs. Bereits am 6.11.2018 zitierte "Report Mainz" aus dem als vertraulich eingestuften Vertrag zwischen dem Verteidigungsministerium und Airbus, dass im Anforderungsprofil für die Drohnen detaillierte Einsatzszenarien beschrieben sind. So heißt es zum Beispiel, "die G-Heron TP müsse in der Lage sein, die identifizierten Bodenziele mit vom RPA mitgeführter SP zu bekämpfen" (Anm.: RPA = Remotely Piloted Aircraft, unbemanntes, ferngesteuertes Luftfahrzeug, SP ist die Abkürzung für 'Special Payload' - gemeint ist damit Munition).

Weiter zitiert "Report Mainz" aus dem brisanten Papier: "Außerdem müsse die G-Heron TP laut Vertrag in der Lage sein, mindestens einmal am Tag die 'präzise Bekämpfung von mindestens zwei leichtgepanzerten (ungepanzerten) Fahrzeugen oder weichen (Personen)-Zielen nacheinander in einer Mission' leisten zu können."

"Report Mainz" ist in dem vertraulichen Vertragswerk auch noch auf einen anderen entlarvenden Punkt gestoßen. So soll zwischen Airbus und dem Verteidigungsministerium die "Durchführung von Flügen im Rahmen von Training und Ausbildung inklusive Trainingsflüge zum SP-Einsatz (innerhalb spezieller Luft/Bodenschießplätze)" bereitgestellt werden - also Trainingsflüge für spätere bewaffnete Einsätze.


Die Bundeswehr hat den Krieg in Afghanistan verloren

Seit 2002 ist die Bundeswehr im Kriegseinsatz in Afghanistan. Im März 2020 steht der nächste Einsatz zur Verlängerung an.

Bis zum Sommer 2015 hieß die Begründung für den Krieg der Bundeswehr in Afghanistan "Terrorismusbekämpfung". Seit Sommer 2015 heißt es "Fluchtursachenbekämpfung".

Der Kriegseinsatz konnte Terrorismus nicht verhindern - im Gegenteil, die Aufständischen in 'Afghanistan werden immer mehr und stärker. Viele Menschen in Afghanistan empfinden die Bundeswehr als Besatzungsmacht, die sie unterdrückt. Mit jedem weiteren Bundeswehreinsatz flohen die Menschen vor dem Krieg, der Not und der Gewalt und der Perspektivlosigkeit. Der 18 Jahre dauernde Bundeswehreinsatz hat die gesellschaftlichen Strukturen des Landes weiter geschwächt und dazu beigetragen, die Lebensgrundlagen der Menschen weiter zu zerstören. Der Krieg der Bundeswehr in Afghanistan konnte zu einem zivilgesellschaftlichen Aufbau nichts Positives beitragen, nur das Desaster verschlimmern.

Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) schätzt bei einem "realistischen Szenario", von einigen weiteren Jahren des Kriegseinsatzes der Bundeswehr die Kosten der deutschen Beteiligung auf 26 bis 50 Milliarden Euro. Die große Spanne erklärt sich nach Angaben des DIW aus "Unsicherheitsfaktoren". Die "Unsicherheitsfaktoren" sind Folgekosten getöteter oder im Einsatz verletzter Soldaten, ihrer psychologischen Betreuung, die logistischen Kosten des Abzugs und der im Einsatz zerstörten oder beschädigten Geräte, sowie Opportunitätskosten durch unterbliebene Erfolge oder Investitionen in anderen Bereichen wie Drogenbekämpfung, Bildung und Forschung.

Der beste Schutz für die Soldat*innen und Soldaten und die Menschen in Afghanistan ist der Abzug der Bundeswehr.

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Quelle:
Gegenwind Nr. 376, Januar 2020, Seite 25-26
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veröffentlicht im Schattenblick zum 18. Februar 2020

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