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GEGENWIND/863: Vernetzte Operationsführung zur Kriegsführung der Bundeswehr


Gegenwind Nr. 378, März 2020
Politik und Kultur in Schleswig-Holstein & Hamburg

Vernetzte Operationsführung zur Kriegsführung der Bundeswehr

von Siglinde Cüppers


Durch die Vernetzte Operationsführung sollen Daten und Informationen über den militärischen Gegner gesammelt, an die beteiligten Teilstreitkräfte übertragen und ausgewertet werden, um darüber militärische Überlegenheit durch einen zeitlichen Vorsprung in der Entscheidungsfindung und dem Einsatz von Waffensystemen zu sichern. Die vernetzte Operationsführung ist ein Kernelement des Umbaus der Bundeswehr. Sie ist ein Informations- und Kommunikationsverband, der alle relevanten Truppenteile, Einrichtungen, Aufklärungs- und Waffensysteme umfasst über die Grenzen der Teilstreitkräfte hinaus.

In der Strategischen Leitlinie zur Digitalisierung der Bundeswehr des Bundesverteidigungsministeriums vom 31.3.2017 heißt es:

"Voraussetzung für die Befähigung der Bundeswehr zur Vernetzten Operationsführung (NetOpFü) ist ein durchgängiger und leistungsfähiger Informations- und Kommunikationsverbund. Dazu ist die Bereitstellung der erforderlichen IT-Services sowie die Anbindung und Vernetzung der relevanten Dienststellen im In- und Ausland, der stationären und verlegefähigen Einrichtungen sowie der mobilen Elemente in den Einsatzgebieten nach standardisierten Verfahren sicherzustellen. Ziel ist es, auf Grundlage eines Bundeswehrgemeinsamen digitalen Lagebildes Informationsüberlegenheit als Grundlage für Führungsüberlegenheit durch bessere und schnellere Planungs- und Führungsprozesse zu ermöglichen und mit Hilfe echtzeitgesteuerter Datenanalyse letztendlich zur Wirkungsüberlegenheit beizutragen."

Deswegen ist es wichtig sich damit auseinander zu setzen:

• Die vernetzte Operationsführung ist wesentliche Voraussetzung für die asymmetrische Kriegsführung und für die neokolonialen Kriege unverzichtbar.

• Sie wird in allen Kriegen der Bundeswehr tagtäglich angewendet.

• Sie umfasst alle Teilstreitkräfte, wird ständig ausgebaut und erweitert im Sinne einer lernenden Organisationsstruktur.

• Mit der Vernetzten Operationsführung können mutmaßliche militärische Gegner in Echtzeit erfasst werden und werden bereits bekämpft, bevor sie etwas tun: "Angriff ist die beste Verteidigung". Dadurch wird militärische Verteidigung abgeschafft.

• Sie setzt weitere Aufrüstung für alle Teilstreitkräfte voraus

• Vernetzte Operationsführung ist Strategie und Kriegsziel gleichzeitig.


Umsetzung der Vernetzten Operationsführung

In einem Krisen- oder Kriegsgebiet, in dem die Bundeswehr aktiv ist, sind Gegner diejenigen, die den eignen oder befreundeten Truppen nicht zugeordnet werden können. Die Waffensysteme zu Lande, auf Schiffen und in der Luft, Funkgeräte und Telefone der Gegner senden elektromagnetische Impulse aus, die von den Wullenweverantennenanlagen in Bramstedtlund, Daun und Gablingen empfangen werden. Diese Abhörstationen befinden sich in sicherer Entfernung zum Krisen- oder Kriegsgebiet. Sie können den Inhalt der Kommunikation und auch deren Standort bestimmen.

Unterwasserdrohnen können im Meeresboden versinken und unbemerkt vom Gegner auf das Aussenden der elektromagnetischen Impulse eines gegnerischen Schiffe warten, ohne dass sie vom Gegner entdeckt werden.

Wenn die Auswertung der Inhalte militärisch relevant ist, werden sie mit den Auswertungen sensorischer Spionagesysteme wie Drohnen und dem ECR-Tornado (ECR = Electronic Combat and Reconnaissance = Elektronische Kampfführung und Aufklärung) verglichen. Drohnen und der ECR-Tornado liefern Bilder oder Videofilme aus großer Reichweite über das Gebiet, aus dem die elektromagnetischen Impulse oder die Kommunikation des Gegners kommen. Mit ihrer Sensorik können sie Personengruppen, Personen, militärische Ausrüstung, Gebäude und das Gelände sichtbar darstellen. Zusätzlich können Militärfahrzeuge und Panzer im Krisen- oder Kriegsgebiet geographische Besonderheiten sowie den Zustand von Straßen und Gelände ausspionieren. Auch die Informationen und Daten von langfristiger militärischer Spionage fließen in die Auswertung mit ein. Alle Informationen werden digitalisiert und gelangen über Satellitenverbindungen oder sichere und schnelle Datenleitung zur Auswertung.

Wenn sich ausspionierte Personengruppen oder Personen aus dem Krisen- oder Kriegsgebiet entfernen, werden sie von den militärischen Spionagesystemen verfolgt und wenn nötig auch bekämpft. So kann sich die Reichweite des militärischen Einsatzes über ein Krisen- oder Kriegsgebiet hinaus erweitern.

Aus diesen in "Echtzeit" (Datenübertragung elektromagnetisch in Lichtgeschwindigkeit, Datenverarbeitung in weniger als zwei Sekunden) von den Teilstreitkräften (Marine, Heer, Luftwaffe, Cyber- und Informationsraum) sicher übermittelten und abgeglichenen Daten und Informationen können Lagebilder erstellt werden. Sie sind die Grundlage für die Entscheidung über die Größe des Einsatzgebietes und welche Kampfmittel und Waffen eingesetzt werden.

Alle ausgewerteten Daten und Informationen verschmelzen zu einer kollektiven Einheit (Entität), in der die Daten- und Informationsiage entscheidend ist für die weitere Spionagetätigkeit und den Waffeneinsatz und nicht mehr die einzelnen Teilstreitkräfte und ihre Befehlshaber. Die Teilstreitkräfte der Bundeswehr werden mit elektromagnetischen, digitalen und sensorischen Fähigkeiten aufgerüstet um die vernetzte Operationsführung zu verbessern. Sie werden mit einer einheitlichen Software ausgestattet, um einen umfassenden Informations- und Datentransfer und die Verarbeitung zu gewährleisten.

In der digitalen Kriegsführung ist die Fähigkeit, Informationen und Daten sammeln, sicher und schnell übertragen und auszuwerten zu können, für die Kampffähigkeit und Kampfstärke der Armee wesentlicher als die Anzahl der im Krisen- oder Kriegsgebiet befindlichen Soldatinnen und Soldaten. So sollen die eigenen menschlichen und materiellen Ressourcen vor Kampfhandlungen des Gegners geschützt werden, um eigene Verluste möglichst zu verhindern.

Um möglichst umfassende Informationen und Daten über einen militärischen Gegner zu bekommen, sind Sensoren notwendig, die sehen (Kameras), hören (Abhören), fühlen (Informationen über die Befahrharkeit des Geländes im Kampfgebiet) und riechen (Aufspüren von chemischen oder biologischen Kampfstoffen), entsprechend den menschlichen Sinnen. Je vielfältiger die Sensorik desto größer und sicherer ist der Daten- und Informationsgewinn.

Die Informations- und Datengewinnung ist von der Reichweite der Sensoren und der Reichweite ihrer Transportmittel abhängig. Je größer die Reichweite, desto mehr Informationen und Daten können über den Gegner gesammelt werden.

Die Daten und Informationen gelangen digital, sicher und in "Echtzeit" von den Sensoren zu den Waffensystemen der einzelnen Teilstreitkräfte. Die Waffensysteme werden elektronisch ausgelöst.

Diese von der Sensorik in Echtzeit sicher übermittelten und abgeglichenen Daten und Informationen können zu einer Daten- und Informationseinheit verschmelzen (Entität). Durch den permanenten Daten- und Informationskreislauf, die Vernetzung und die Synchronisierung entstehen immer wieder neue militärische Lagebilder und Strategien.

Alle relevanten Daten und Informationen können über die nationalen Teilstreitkräfte hinaus auch innerhalb der Armeen der NATO vernetzt und synchronisiert werden.

Gemäß der Regel von Metcalfe, die belegt, dass der Nutzen eines Netzwerkes mit der Anzahl der Teilnehmer steigt, gibt es einen Rückkoppelungseffekt auf alle am Netzwerk beteiligten.


"NetOpFü" verändert die Bundeswehr

Über den Einsatz der Waffensysteme entscheidet nicht mehr ein militärischer Befehlshaber einer Teilstreitkraft, sondern die Daten- und Informationslage. Durch den Austausch von Daten und Informationen über die Grenzen der nationalen Streitkräfte hinaus sinkt die Bedeutung der einzelnen Teilstreitkräfte. Sie geben Entscheidungs- und Befehlsgewalt an das Netzwerk ab. Die Befehlsgewalt innerhalb der Teilstreitkräfte, zwischen den Teilstreitkräften und zwischen den NATO-Streitkräften wird dem digitalen Netzwerk untergeordnet. Denn wenn die Daten- und Informationslage es erfordert, bilden sich aus den Teilstreitkräften der NATO-Staaten internationale Streitkräfte, die untereinander vernetzt, einem gemeinsamen Kommando unterstellt, spezielle militärische Handlungen durchführen wie zum Beispiel die schnellen Eingreiftruppen der NATO. Obwohl sie aus den jeweiligen nationalen Teilstreitkräften kommen, unterliegen sie nicht mehr der Befehlsgewalt der Regierung des Landes, aus dem sie kommen.


Nachteile der digitalisierten Kriegsführung

Die Vernetzte Operationsführung ist abhängig von der Zuverlässigkeit, Sicherheit und Genauigkeit der Sensorik und der Kommunikationssysteme. Die erhobenen Daten und Informationen können durch den militärischen Gegner manipuliert werden, die Übertragung gestört oder verhindert werden. Aus verfälschten Informationen und Daten können Fehlentscheidungen entstehen. Sie sind erst spät erkennbar und schwer korrigierbar, da auch manipulierte Daten und Informationen in "Echtzeit" verarbeitet werden.

Die Transportmittel der Sensoren und die Mittel der Datenübertragung sind im digitalisierten Krieg Angriffspunkte des militärischen Gegners und müssen mit militärischem Aufwand geschützt werden.

Der digitalisierte Krieg ist mit permanenter Aufrüstung verbunden, weil der militärtechnologische Vorsprung gegenüber Russland und China abgesichert werden soll. Die Software für den Daten- und Informationstransfer und die Verarbeitung müssen mit den militärischen Partnern und ihren Waffensystemen kompatibel sein. Das treibt die Ausgaben für Rüstung in die Höhe.

Die vernetzte Operationsführung erweitert ständig die Informations- und Datenerfassung örtlich und zeitlich. So werden Kriegsgebiete erweitert, auch die Nachbarregionen zu Krisen- oder Kriegsgebieten.

Durch Automatisierung und Beschleunigung von Entscheidungen können Fehlentscheidungen nicht mehr korrigiert werden.

Information unter:
www.bundeswehrabschaffen.de

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Quelle:
Gegenwind Nr. 378, März 2020, Seite 13-15
Herausgeber: Gesellschaft für politische Bildung e.V.
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veröffentlicht im Schattenblick zum 24. März 2020

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