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GEHEIM/257: Obama - Dummer August oder Prinz der Finsternis?


GEHEIM Nr. 3/2009 - 8. Oktober 2009

OBAMAS DOPPELGESICHTIGKEIT
Dummer August oder Prinz der Finsternis?
Ein Blick hinter die Masken, die der US-Präsident seit seinem Amtsantritt angelegt hat

Von Richard Franz


Vor und nach den US-Präsidentschaftswahlen prägte die Obama-Manie die deutsche Berichterstattung über den Mann, der aus dem politischen Nichts kam und quasi über Nacht bar eines jeden Backings Präsident der USA wurde. Nach fast zehn Monaten im Amt dürfte jeglicher Hoffnungsschimmer dahin sein, dass Barack Obama die Welt mit einer neuen Politik beglücken wird. Vielmehr muss man sich jetzt fragen, ob der Neue im Weißen Haus entweder die Rolle des "Dummen August" (das entspricht dem "Quotenschwarzen" im US-Fernsehen) spielen darf, hinter dessen Auftreten als "Prince Charming" die faktischen Kräfte des US-Establishment die neokonservative Machtpolitik eines George W. Bush gnadenlos fortführen. Oder ist Obama der "Prinz der Finsternis", der gerade zu teuflisch sein mediales und telegenes Auftreten einsetzt, um den alten Wein im neuen Schlauch besser als sein Amtsvorgänger zu verkaufen?

Die Doppelgesichtigkeit der Obama-Administration ist im letzten halben Jahr in ungeahnter Schnelle sichtbar geworden. Das scheint den hiesigen Medien irgendwie entgangen zu sein. Drei Beispiele belegen, wie gerechtfertigt die Frage nach Obamas Janusköpfigkeit ist.

Maske Nr. 1: Ende März 2009 verkündete US-Vizepräsident Joe Biden bei einem Treffen mit südamerikanischen Regierungschefs, dass die neue US-Administration die Kuba-Blockade fortsetzen werde. Knapp zwei Wochen später kündigte sein Boss auf dem 5. Amerika-Gipfel im Karibikstaat Trinidad und Tobago einen Neuanfang in den Beziehungen zu den südlichen Nachbarstaaten an. In die "neue Partnerschaft" schloss Obama ausdrücklich auch Kuba ein. Das war's dann auch. Seine Außenministerin Hillary Clinton liegt hingegen ganz auf Bidens Kurs und forderte am 5. Juli im Interview mit den venezolanischen Sender Globovisión von den Kubanern "freie Wahlen" und "Freilassung aller politischen Gefangenen". Als Maßstab für eine "neue" Beziehung zu Lateinamerika gilt eine veränderte Haltung zu Kuba. Diese lässt sich an drei Punkten festmachen: Aufhebung der Blockade, Freilassung der fünf kubanischen Patrioten und ein Gesprächsangebot auf Augenhöhe und ohne Vorbedingungen.

Maske Nr. 2: Dasselbe Doppelspiel wie in Sachen Kuba praktizierte Washington beim Staatsstreich in Honduras: Obama sieht den gestürzten Präsidenten Manuel Zelaya als das legitime Staatsoberhaupt an, aber seine Administration ruft weder den Botschafter zurück, noch kappt sie die Wirtschaftshilfe für die Putschistenregierung, sowie es ein US-Gesetz vorsieht. Dabei ist noch gar nicht berücksichtigt, dass rechte Putsche in Lateinamerika bisher noch nie ohne Wissen der US-Behörden abgelaufen sind.

Maske Nr. 3: Nachdem Anfang Juli verschiedene Agenturen meldeten, dass die Regierung in Tel Aviv einen Militärschlag auf den Iran vorbereitet, sagte Biden dem US-Fernsehsender ABC, Israel könne für sich selbst entscheiden, was es in Bezug auf Iran oder einen anderen Staat tue. "Ob wir zustimmen oder nicht, sie sind berechtigt, das zu tun." Einen Tag später titelte das Hamburger Nachrichtenmagazin Der Spiegel auf seiner Internetseite: "US-Präsident verweigert Israel Erlaubnis für Angriff auf Iran". Diesem Titel setzte Knut Mellenthin in seinem Artikel "Alle Optionen" (junge Welt, 9.7.2009) Obamas Aussage im CNN-Interview entgegen: "Ich glaube, Vizepräsident Biden hat eine grundsätzliche Tatsache festgestellt, daß wir nämlich nicht anderen Ländern diktieren können, was ihre Sicherheitsinteressen sind. Wahr ist ebenso, dass es die Politik der USA ist, den Versuch zu unternehmen, die Angelegenheit der iranischen Nuklearkapazitäten auf friedliche Weise durch diplomatische Kanäle zu lösen. Das ist unsere Politik, darüber habe ich während der letzten zwei Jahre gesprochen, wir wollen das fortsetzen. Wir haben den Israelis direkt gesagt, daß es wichtig ist, diesen Versuch zu unternehmen und die Sache in einem internationalen Rahmen auf eine Weise zu lösen, die keinen großen Konflikt im Nahen Osten schafft." Und weiter heißt es: "Ich habe immer wieder gesagt, dass wir, die Vereinigten Staaten, uns das Recht vorbehalten, und dass ich als Oberkommandierender der Streitkräfte mir das Recht vorbehalte, alle Aktionen durchzuführen, die erforderlich sind, um die Vereinigten Staaten zu schützen. Aber wir streben eine friedliche Lösung dieses Konflikts an und ich denke, das ist immer noch möglich. Doch letzten Endes sind es die Iraner, die an einem bestimmten Punkt die Gelegenheit ergreifen müssen, die wir ihnen anbieten." Diese Haltung entspricht auch seiner Order ans Pentagon, das er im Mai anwies, die militärischen Pläne gegen den Iran auf den neuesten Stand zu bringen.

Vielleicht muss man Obama noch ein letztes Quartal zugestehen, damit endgültig deutlich wird, was sein wahres Gesicht ist. Aber vielleicht sind das auch drei Monate zuviel. Nur eins ist bisher klar: Wer sich auf Obama und seine Administration verlässt, ist verlassen.


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Quelle:
GEHEIM Nr. 3/2009 - 8. Oktober 2009, Seite 21
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veröffentlicht im Schattenblick zum 31. Oktober 2009