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GEHEIM/281: 25 Jahre "Geheim" - Michael Opperskalski blickt zurück und nach vorne - Teil 4


GEHEIM Nr. 4/2010 - 13. Dezember 2010

25 JAHRE GEHEIM (TEIL IV)
...kein bisschen heiser

GEHEIM-Mitgründer Michael Opperskalski blickt zurück und nach vorne


Mit der Veröffentlichung der 0-Nummer vor 25 Jahren betrat GEHEIM die bundesdeutsche Medienlandschaft, wurde auch international bekannt und geachtet. Die bisherigen drei Teile dieser Serie haben versucht, die wechselvolle Geschichte unseres Magazins nachzuzeichnen. Wer diese Geschichte versteht, erkennt bereits die Konturen für die Zukunft. Wie sagt doch ein Sprichwort: Wer die Geschichte nicht erklären kann oder aber seine eigene verleugnet, der hält keinerlei Schlüssel für die Gegenwart oder gar die Zukunft in der Hand.

Seit 1985 hat sich nicht weniger als die Welt verändert. Das einst starke sozialistische Lager gibt es nicht mehr. Es wurde im so genannten "Kalten Krieg" zerschlagen. Diese historische Niederlage ging auch an vielen Befreiungsbewegungen und Staaten der so genannten Dritten Welt nicht spurlos vorüber. Jede tatsächliche gesellschaftliche Alternative zu Ausbeutung, Unterdrückung, zu Krieg und Abhängigkeit versank hinter den turbulenten Ereignissen Ende der 80er/zu Beginn der 90er Jahre. Außerdem: der "Kalte Krieg" mochte zwar der Vergangenheit angehört haben, wurde jedoch durch viele heiße Kriege abgelöst. Jugoslawien, Tschetschenien, Afghanistan, Irak oder Kongo sind wirklich nur einige Stichworte...

In Washington, der Hauptstadt des Imperiums, wurde über den Sieg im "Kalten Krieg" gejubelt. Nun schienen die USA die letzte verbliebene Supermacht zu sein, die unter Präsident George Bush sen. in dieser Konsequenz die so genannte "Neue Weltordnung" ausrief. Das sei nun das Ende der Geschichte, philosophierte der nordamerikanische Philosoph Fukojama.


20 Jahre danach...

Nun sind 20 Jahre vergangen und die so genannte "Neue Weltordnung" ist auch nicht mehr die, die sich die Strategen in Washington und Langley ausgemalt haben. Das US-Imperium wankt politisch, ökonomisch, geostrategisch und auch militärisch. Nicht nur, dass sich der Widerstand gegen diese "Neue Weltordnung" aus Ausbeutung, Unterdrückung, Abhängigkeiten und Kriegen systematisch und auf allen Ebenen verstärkt, immer stärkere Konkurrenten machen dem schwächer werdenden Imperium Nr. 1 den Rang streitig. Europa spielt immer deutlicher und aggressiver global mit. Und dabei spielt Deutschland eine herausragende Rolle. Nichts ist in Stein gemeißelt. Auch die so genannte "Neue Weltordnung" nicht...

Dies sind die Hintergründe für die Entwicklungen und die Perspektiven von GEHEIM. Erinnern wir uns noch einmal daran, was wir 1985 in der 0-Nummer unseres Magazins zu seinen Aufgaben schrieben:

Warum GEHEIM?

Geheim ist in der Bundesrepublik vieles, was eigentlich nicht geheim sein dürfte. Vor allem, ist geheim, was der Staat über seine Bürger sammelt. So sind die umfangreichen Dateien von Verfassungsschutz, Bundeskriminalamt, Militärischem Abschirmdienst oder Bundesnachrichtendienst Verschlusssache für die betroffenen Bürger und die kritische Öffentlichkeit.

Nur Skandale oder die akribische Recherche einiger engagierter Journalisten schwemmen hin und wieder einiges an die Öffentlichkeit: so die "Zersetzerkartei" des MAD, die Affäre Langemann, Mitarbeiter des Verfassungsschutzes als Agents provocateurs in Krefeld, gescheiterte Anwerbungsversuche von Gewerkschaftern für den Verfassungsschutz, Lauschangriffe, Geheimdienstmaterial für die Berufsverbieter. (...)

Gezielt unterwandern V-Leute die Friedens- und Protestbewegung, die gerade in den letzten Jahren immer stärker wurde.

Aber nicht nur die Daten von Aktivisten landen in den Karteien der Sicherheits- und Geheimdienste. Der Staat wünscht generell den "gläsernen Bürger", der einfacher zu verwalten und zu kontrollieren ist. In diese Richtung gehen der geplante maschinenlesbare Personalausweis und die gescheiterte, aber noch nicht ad acta gelegte Volkszählung.

Nicht nur der Staat und seine Sicherheitsorgane haben ihre Dateien. Die großen Krankenkassen und Versicherungen sowie viele andere Unternehmen haben ihre eigene computerisierte Datenerfassung. Auch dies geschieht weitgehend unkontrolliert und - dank einer rasanten technischen Entwicklung - immer raffinierter. (...)

Es ist bekannt, dass der CIA faktisch eine weitere schnelle Eingreiftruppe der USA ist. Er putschte nicht nur in Chile, und er führt nicht nur Krieg gegen Nicaragua. In den USA hat sich eine breite Bewegung gegen die schmutzige Arbeit des CIA entwickelt. In ihr spielen ehemalige CIA-Agenten wie Philipp Agee oder John Stockwell eine wichtige Rolle. Die beiden Magazine Covert Action Information Bulletin und CounterSpy sind kontinuierlich auf den Spuren der "schmutzigen Tricks" des CIA. Ihre wirkungsvolle Enthüllungsarbeit will die Reagan-Administration verhindern. Bereits seit 1982 verbietet das Identities Protection Act in den USA das Naming Names, d. h. die Veröffentlichung von Namen getarnt arbeitender CIA-Agenten. Versuche, auch andere Bereiche der Anti-CIA-Arbeit zu verbieten, sind in Vorbereitung. So soll der CIA generell von der Auskunftspflicht befreit werden, zu der jede US-amerikanische Regierungsstelle durch das Freedom of Information Act verpflichtet ist. Die Abschottung gegen jegliche Kritik und öffentliche Kontrolle soll total werden! Das kann natürlich nur eine Aufforderung sein, außerhalb der USA weiterzumachen.

GEHEIM soll Bespitzelungspraktiken, Polizeiwillkür und den stetigen Abbau demokratischer Rechte aufdecken sowie alle Versuche, den "gläsernen Bürger" zu schaffen und die Macht der bundesdeutschen Sicherheitsorgane zur Allmacht werden zu lassen. Damit wird GEHEIM ein Magazin zur Sicherung der Bürgerrechte, GEHEIM wird auch Tipps zur Selbsthilfe gegen Abhörpraktiken, Polizeiwillkür oder Unterwanderungsmethoden liefern.

Und GEHEIM soll das fortsetzen, was in den USA unmöglich gemacht werden soll, die Enttarnung von CIA-Agenten und die Anti-CIA-Arbeit insgesamt.

Daher muss GEHEIM von Journalisten und Organisationen getragen werden, die sich mit dieser Materie befassen und den Abbau demokratischer Rechte nicht ohne weiteres hinnehmen wollen.

Die vorliegende Nullnummer ist ein Angebot zur Diskussion, nicht nur über Form und Inhalt von GEHEIM. Nur bei positiver Resonanz und breiter Unterstützung wird es möglich sein, das Magazin 1985 zu starten. Die erforderliche Basis für GEHEIM zu sondieren ist vor allem Aufgabe dieser Nullnummer.

In diesem Sinne: GEHEIM ist nötig, damit weniger geheim bleibt.

Die Redaktion (1985, 0-Nummer)


Über das Hier, Heute und die Zukunft

Der Text dieses Editorials könnte, mit Aktualisierungen natürlich, im Kern auch heute, also 25 Jahre später, geschrieben worden sein. Damit sind natürlich Veränderungen, die sich im Gefolge der so genannten "Neuen Weltordnung" sowie des wissenschaftlich-technischen Fortschritts ergeben haben, vom Tisch gewischt. Der Abbau demokratischer Rechte im Kontext des Ausbaus immer auswuchernderer Repressionsorgane wird immer rasanter, umfassender, lässt im Gefolge immer reaktionärere bis hin zu neofaschistische Kräfte erstarken. Nicht nur in der BRD. Krieg wird immer selbstverständlicher zur Politik mit anderen Mitteln gemacht. Dabei geht es um Rohstoffe, Märkte, geostrategische Positionen. Diese Entwicklung treibt zudem auf immer schärfere Konfrontation unter den großen Mächten zu, die dem bisher dominierenden US-Imperium seine Position auf allen Ebenen streitig machen.

All dies benötigt Geheimdienste, Repressionsorgane, immer besser gerüstete und weltweit agierende Armeen. Hierfür werden Strategien und Taktiken benötigt. Vieles soll und muss in diesen Bereichen weiter geheim bleiben, auch wenn inzwischen einige Aktivitäten, die früher zum klassisch-operativen Bereich von Geheimdiensten gehörten, nun zum Beispiel von Stiftungen, auch aus der BRD, recht offen ausgeführt werden. Putsche mit eingeschlossen. Honduras ist da nur ein ganz aktuelles Beispiel.

Damit eben nicht geheim bleibt, was geheim bleiben soll, verliert GEHEIM seine Aufgaben nicht, muss sie jedoch zum einen erweitern, wie auch wieder internationalisieren, aber auch "der neuen Technik anpassen". Wir werden also nicht nur weiter versuchen, ordinäre Geheimdienstaktivitäten zu enthüllen. So auch das Naming Names von CIA-Agenten, aber auch versuchen, dieses auf die Schlapphüte von Partner/Konkurrentenorganisationen auszuweiten. Noch stärker werden wir versuchen, zu analysieren und Geheimdienstaktivitäten einzuordnen, den Fokus auf Stiftungen, so genannte "Nichtregierungsorganisationen (NGO's)", "humanitäre" Organisationen etc. zu legen und die stetigen Veränderungen in der so genannten "Neuen Weltordnung" zu dokumentieren. Damit haben wir ja in den letzten Heften begonnen. Viel Arbeit also, aber wir sind nicht heiser (geworden)...


Die ersten Teile der Artikelserie sind im Schattenblick zu finden unter:
www.schattenblick.de -> Infopool -> Medien -> Alternativ-Presse:
GEHEIM/266: 25 Jahre "Geheim" - Michael Opperskalski über die Entstehung des Magazins - Teil 1 und
GEHEIM/274: 25 Jahre "Geheim" - Michael Opperskalski über die Entstehung des Magazins - Teil 2
GEHEIM/278: 25 Jahre "Geheim" - Michael Opperskalski über die Entstehung des Magazins - Teil 3


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Quelle:
GEHEIM Nr. 4/2010, 13. Dezember 2010, Seite 5-6
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c/o Michael Opperskalski (v.i.S.d.P.)
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veröffentlicht im Schattenblick zum 8. Januar 2011