Schattenblick →INFOPOOL →MEDIEN → ALTERNATIV-PRESSE

GLEICHHEIT/2335: Banken fordern weitere Milliarden vom Staat


World Socialist Web Site
Herausgegeben vom Internationalen Kommitee der Vierten Internationale (IKVI)

Banken fordern weitere Milliarden vom Staat

Von Peter Schwarz
22. Januar 2009


Nur drei Monate nach der Verabschiedung des 480-Milliarden-Euro-Pakets für die Banken wächst der Druck auf die Bundesregierung, weitere Milliarden locker zu machen, um die Spekulationsverluste der Banken auf die Öffentlichkeit abzuwälzen.

Hintergrund der neuen Geldforderungen sind Meldungen über Rekordverluste deutscher und internationaler Großbanken, die sich in den vergangenen Tagen häuften.

In den USA meldete die Citigroup, einst die größte Bank der Welt, im letzten Quartal 2008 Verluste von 8,3 Mrd. Dollar; sie wird jetzt in zwei Banken aufgespalten. Merrill Lynch, das von der Bank of America übernommene Investmenthaus, verlor im selben Zeitraum 15,3 Mrd. Dollar, die Bank of America selbst weitere 2,4 Mrd. Um den Zusammenbruch der Bank of America zu verhindern, greift ihr die US-Regierung mit einer zusätzlichen Kapitalspritze von 20 Mrd. Dollar und Staatsgarantien von 118 Mrd. Dollar unter die Arme.

In Großbritannien erwartet die Royal Bank of Scotland (RBS) für 2008 einen Gesamtverlust von 28 Mrd. Pfund (31 Mrd. Euro), den größten Verlust in der britischen Wirtschaftsgeschichte. Regierungschef Gordon Brown, der sich im Oktober noch als "Retter der Banken" hatte feiern lassen, reagierte am Montag mit einem weiteren "Rettungspaket", dessen Gesamtkosten auf 350 Mrd. Pfund geschätzt werden. Sie kommen zu den 500 Mrd. Pfund hinzu, die bereits im Oktober bewilligt wurden.

In Irland hat die Regierung am Freitag die drittgrößte Bank des Landes, die Anglo Irish Bank, verstaatlicht, um sie vor dem Konkurs zu retten.

In Deutschland verzeichnete die Deutsche Bank im letzten Quartal 2008 einen Rekordverlust von 4,8 Mrd. Euro. Für das Gesamtjahr 2008 beläuft sich das Minus auf 3,9 Mrd. Euro. Im Vorjahr hatte die Bank noch 6,5 Mrd. Euro Gewinn erzielt.

Die roten Zahlen der Deutschen Bank trafen die Wirtschaft als Schock, hatte ihr Chef Josef Ackermann doch stets behauptet, sein Institut sei solide und besser gegen die Krise gerüstet als andere. Nun stellt sich heraus, dass die Deutsche Bank aufgrund ihrer hohen Abhängigkeit vom Investmentbanking besonders hart von der internationalen Finanzkrise betroffen ist.

Das Eigenkapital der Deutschen Bank ist gemessen an der Bilanzsumme extrem gering. Ihr Verschuldungsgrad ist deutlich höher als der ihrer Konkurrenten. Das verhalf ihr in der Vergangenheit zu einer hohen Eigenkapitalrendite, doch angesichts hoher Verluste droht ihr nun rasch das Geld auszugehen. So ist sie nicht mehr in der Lage, den verabredeten Kauf der Postbank aus eigenen Mitteln zu bezahlen. Stattdessen finanziert sie die Übernahme mit eigenen Aktien, so dass der bisherige Eigentümer Deutsche Post und über ihn der Bund nun Miteigentümer der Deutschen Bank werden.

Auch bei der schwer angeschlagenen Immobilienbank Hypo Real Estate haben sich neue Löcher aufgetan. Der staatliche Bankenrettungsfonds Soffin erhöhte deshalb den Garantierahmen für die Bank in dieser Woche von 30 auf 42 Mrd. Euro.

Hauptursache für die ständig neuen Verluste der Banken ist die gewaltige Summe "toxischer Wertpapiere", die sich in ihren Bilanzen befinden. Früher ließen sich mit solchen Papieren hohe Spekulationsgewinne erzielen. Doch mit dem Platzen der Spekulationsblase sind sie unverkäuflich geworden. Niemand kann sagen, ob sie je wieder etwas wert sind.

Die Banken geben das wahre Ausmaß dieser vergifteten Papiere nur scheibchenweise bekannt. Sie hoffen, "dass sie, wenn sie ihre Verluste sukzessive bekannt geben, auch sukzessive neue staatliche Hilfen bekommen", wie der Finanzexperte Professor Hans-Peter Burghof der Berliner Zeitung erklärte. "Hätten sie es auf einen Schlag getan, wäre womöglich ein so gigantischer Betrag herausgekommen, dass ihn kein Politiker bewilligt hätte."

Die Verluste der Deutschen Bank lassen aber auf die Lage anderer Banken schließen. "Sie lassen ganz Übles ahnen für die nächsten Wochen und Monate", kommentiert die Financial Times Deutschland. "Wenn der Branchenprimus schon so tief im Krisensumpf steckt, wie wird es dann bei chronisch schwachen Kandidaten aussehen? Beim staatlichen Rettungsfonds Soffin stapeln sich dem Vernehmen nach bereits die Anträge von Instituten."

Laut einem Bericht des Spiegel hat eine Umfrage unter zwanzig großen Kreditinstituten ergeben, dass sie "toxische Wertpapiere" im Volumen von knapp 300 Mrd. Euro besitzen, von denen erst rund ein Viertel abgeschrieben worden ist. Der Rest stehe immer noch mit mittlerweile "illusorischen Werten" in den Büchern. Das Finanzministerium gehe sogar davon aus, dass der gesamte deutsche Bankensektor Risikopapiere mit einer Summe von bis zu einer Billion Euro in den Büchern führe. Dabei ist das nächste Risiko, das sich abzeichnet, ist in diesen Zahlen noch gar nicht berücksichtigt: der massenhafte Ausfall von Krediten aufgrund der wirtschaftlichen Rezession.

Das Finanzministerium, das die Umfrage in Auftrag gab, weigert sich, die vom Spiegel veröffentlichten Zahlen zu bestätigen. Wie die Banken selbst versucht es, das wahre Ausmaß der Krise zu verschleiern. Ein Grund dafür dürften die bevorstehenden Landtags, Europa- und Bundestagswahlen sein. Keine Regierungspartei hat ein Interesse daran, der Bevölkerung vor dem Wahltermin reinen Wein einzuschenken.

Hinter den Kulissen üben die Banken gewaltigen Druck aus, ihre Verluste auf die öffentlichen Kassen und über sie auf die Bevölkerung abzuwälzen. Bankenlobbyisten, allen voran Deutsche-Bank-Chef Josef Ackerman, werben seit Wochen für die Errichtung einer so genannten Bad Bank, einer Art staatlicher Müllkippe für schlechte Risiken. Auch der Bundesverband deutscher Banken, in dem die Privatbanken organisiert sind, und der baden-württembergische Ministerpräsident Günther Oettinger (CDU) unterstützen die Forderung nach einer staatlichen Bad Bank.

Eine solche Institution würde den Banken ihre toxischen Wertpapiere abkaufen. Sie wären damit ihre Altlasten los und könnten sich neuen Geschäften zuwenden. Das Risiko für den zu erwartenden Ausfall der Papiere läge bei den öffentlichen Kassen. Es wäre, wie es der Analyst Konrad Becker von der Privatbank Merck Finck ausdrückte, "der dreisteste Weg, Gewinne zu privatisieren und Verluste zu sozialisieren".

Laut Frankfurter Allgemeiner Zeitung geht es "um unvorstellbare Beträge. Allein zehn betroffene Banken in Deutschland könnten 1.000 Mrd. Euro in der 'Bad Bank' abladen." Bundesfinanzminister Peer Steinbrück schätzt, dass eine Bad Bank ein Startkapital von 150 bis 200 Mrd. Euro benötigen würde.

In politischen Kreisen gibt es erheblich Vorbehalte dagegen, die Verluste der Banken derart unverschämt offen auf die Steuerzahler abzuwälzen. Finanzminister Steinbrück (SPD) lehnte eine Bad Bank mit den Worten ab: "Wie soll ich mit einem solchen Vorschlag vor den Deutschen Bundestag treten? Das Publikum würde uns für verrückt erklären."

Doch die Banken verfügen über ein großes Erpressungspotential. "Die Erpressbarkeit der Gesellschaft gegenüber der Bankenlandschaft ist gewaltig", meint der bereits zitierte Finanzexperte Burghof. "Ohne den Zahlungsverkehr der Banken können wir unsere Wirtschaft nicht am Laufen halten." Und das Risiko einer großen Bankenpleite wolle nach den Erfahrungen mit Lehman Brothers niemand mehr eingehen.

Auch der im Oktober beschlossene "Rettungsschirm" für die Banken könnte sich schon bald als zu klein erweisen. Er stellt insgesamt 400 Mrd. Euro zur Garantie neuer Bankanleihen zur Verfügung. Doch allein die zehn größten deutschen Banken müssen in den nächsten zwölf Monaten 400 Milliarden Euro aufbringen, um alte Anleihen zu tilgen. In den kommenden drei Jahren sind es sogar 900 Milliarden Euro.

Normalerweise erfolgt die Tilgung durch die Aufnahme neuer Anleihen. Doch der Anleihenmarkt ist beinahe ausgetrocknet. Haben deutsche Banken im letzten Quartal 2008 noch neue Anleihen im Wert von 30 Mrd. Euro verkauft, so sind es seit Beginn dieses Jahres erst 4 Mrd. Ohne neue Anleihen vergeben die Banken aber keine Kredite, was wiederum die Rezession verschärft.

Es ist daher abzusehen, dass die Regierung dem Druck der Banken nachgeben und ihnen weitere Milliarden zur Verfügung stellen wird. Die gewaltigen Haushaltslöcher, die so entstehen, werden dann durch Kürzungen bei den Sozialausgaben und anderen gesellschaftlichen Leistungen wieder eingespart.

Unter anderem wird diskutiert, die Banken gegen Ausfälle zu versichern, wie dies die britische Regierung in ihrem jüngsten Rettungspaket tut, anstatt ihnen die wertlosen Papiere mit einer Bad Bank abzukaufen. Der Staat müsste dann nicht sofort riesige Summen vorstrecken. Der Endeffekt bliebe aber derselbe: Die Kosten für die Schrottpapiere der Banken würden auf die Öffentlichkeit abgewälzt. Die Banken wären ihre faulen Papiere los und könnten wieder hohe Profite machen.

Ein Ausweg aus der Krise ist nur möglich, wenn die Verantwortlichen für das Finanzdesaster zur Rechenschaft gezogen, die Macht der Finanzoligarchie gebrochen, die Banken enteignet, in den Dienst der ganzen Gesellschaft gestellt und demokratisch kontrolliert werden. Doch nicht eine Partei, die derzeit im Bundestag sitzt, ist dazu bereit. Im vergangenen Oktober haben sie alle, ein schließlich der Linkspartei, das "Rettungspaket" für die Banken unterstützt und als "unumgänglich" bezeichnet. Es gibt keinen Zweifel, dass sie auch jetzt wieder vor dem Druck der Banken kapitulieren werden.


*


Bitte senden Sie Ihren Kommentar an: wsws@gleichheit.de!.

Copyright 1998-2009 World Socialist Web Site - Alle Rechte vorbehalten


*


Quelle:
World Socialist Web Site, 22.01.2009
Banken fordern weitere Milliarden vom Staat
http://wsws.org/de/2008/jan2009/bank-j22.shtml
Deutschland: Partei für Soziale Gleichheit
Postfach 040144, 10061 Berlin
Tel.: (030) 30 87 24 40, Fax: (030) 30 87 26 20
E-Mail: info@gleichheit.de
Internet: www.wsws.org/de


veröffentlicht im Schattenblick zum 23. Januar 2009