Schattenblick →INFOPOOL →MEDIEN → ALTERNATIV-PRESSE

GLEICHHEIT/2431: IWF-Direktor warnt vor Krieg


World Socialist Web Site
Herausgegeben vom Internationalen Komitee der Vierten Internationale (IKVI)

IWF-Direktor warnt vor Krieg

Von Joe Kishore
26. März 2009
aus dem Englischen (25. März 2009)


Vergangenen Montag warnte Dominique Strauss-Kahn, amtierender Direktor des Internationalen Währungsfonds (IWF), die "erschreckende" globale Wirtschaftssituation könne leicht zu sozialen Aufständen und Krieg führen. Es war dies nur das jüngste Statement einer ganzen Reihe besorgter Äußerungen von führenden Wirtschaftspolitikern auf dem internationalen politischen Parkett.

Der IWF sagt einen Rückgang der globalen Wirtschaft um ein Prozent voraus, was in Strauss-Kahns Worten "der erste Rückschlag der Weltwirtschaft seit über fünfzig Jahren" wäre. Der IWF-Direktor sprach vor einem Treffen der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) im schweizerischen Genf.

Die Wirtschaftskrise, erklärte Strauss-Kahn, werde "für viele Länder eine dramatische Arbeitslosigkeit bringen. Das kann zu sozialen Unruhen führen, die die Demokratie bedrohen, und in manchen Fällen könnte es auch zu Krieg führen."

Ohne bestimmte Länder zu nennen, wies Strauss-Kahn außerdem warnend darauf hin, dass in einigen Weltregionen "das Risiko eines Finanzkollapses existiert".

Die Folgen des Wirtschaftszusammenbruchs für die weltweite Arbeiterklasse stecken erst in den Anfängen. Die ILO sagte im Januar voraus, 2009 würden weltweit bis zu fünfzig Millionen Arbeitsplätze vernichtet. Dies ist wahrscheinlich eine Unterschätzung, da die Wirtschaftskrise seit einigen Monaten immer stärker an Fahrt gewinnt.

Strauss-Kahn befürchtet, eine weitere Verschlechterung der Wirtschaft könnte dazu führen, dass die Politik der herrschenden Elite massenhafte Opposition hervorruft. Er forderte die kapitalistischen Mächte auf, zu verhindern, dass die Krise eine "Wüstenei an Arbeitslosigkeit" hinterlässt. Die großen Architekten des kapitalistischen Systems der letzten Jahrzehnte wissen ganz genau, dass sie eine ökonomische Katastrophe angerichtet haben, die soziale Aufstände hervorbringen kann.

Obwohl Strauss-Kahn die Kriegsgefahr nicht näher erläuterte, äußerte er sich im Kontext verhärteter Konflikte zwischen den Großmächten, die sich kurz vor dem G-20-Gipfel nächsten Monat in London nicht mehr über die Wirtschaftspolitik einigen können.

Am Donnerstag wiederholte der deutsche Präsident und ehemalige IWF-Chef Horst Köhler einen Teil der Bedenken von Strauss-Kahn, als er die Teilnehmerländer des G-20-Gipfels ermahnte, gemeinsam einen Rettungsplan für die Weltfinanzordnung vorzulegen. "Ich bleibe dabei: Die Dimension der Krise heute verlangt ein Bretton Woods II", sagte Köhler, und die Vereinten Nationen müssten das überwachen. "Auf den internationalen Finanzmärkten muss die staatliche Ordnungsfunktion neu definiert und durchgesetzt werden", sagte Köhler. Die Wirtschafts- und Finanzkrise sei "eine Bewährungsprobe für die Demokratie". Viele Bürger seien besorgt. "Die kommenden Monate werden sehr hart."

Viele Staatschefs und Leute wie Strauss-Kahn haben wahrscheinlich noch das Ergebnis des letzten Finanzkrisentreffens der führenden Politiker der Welt in London im Kopf. Das war bei der Konferenz in London im Jahre 1933, und damals gelang es den Großmächten nicht, einen koordinierten Ansatz zur Lösung der Großen Depression zu finden. Das Scheitern der Konferenz beschleunigte protektionistische Maßnahmen auf Kosten der jeweiligen Nachbarstaaten, was den Zusammenbruch beschleunigte und nationale Gegensätze verschärfte. Dies führte schließlich zum Ausbruch des Zweiten Weltkriegs.

Wie 1933 verkünden die Politiker auch heute die Notwendigkeit internationaler Koordination. Aber gleichzeitig verteidigen sie die nationalen Interessen ihrer jeweiligen Finanz- und Wirtschaftseliten mit Klauen und Zähnen.

Am Dienstag schrieb US-Präsident Barack Obama in einer weltweit in vielen großen Zeitungen veröffentlichten Kolumne: "Die Führer der G 20 haben nun eine Verantwortung, mutige, umfassende und koordinierte Maßnahmen zu ergreifen, die nicht allein eine Erholung anstoßen, sondern zudem eine neue Ära ökonomischen Engagements einleiten, damit sich eine Krise wie diese niemals wiederholen kann."

Die USA verlangen von den europäischen Ländern weiter größere Konjunkturprogramme, während Europa - besonders Deutschland und Frankreich - verlangen, dass sich der Gipfel auf die Erarbeitung neuer Finanzmarktregeln konzentriere. Auch Obama äußerte sich vage über neue Finanzmarktregeln, aber er schrieb, dass die Großmächte "zu schnellen Maßnahmen greifen [müssen], um das Wachstum zu stimulieren" und dass die Anreize des Staates "robust und nachhaltig sein [sollten], bis die Nachfrage wiederhergestellt ist".

Der französische Premierminister François Fillon argumentierte am Montag, Frankreich habe schon ausreichend große Konjunkturprogramme aufgelegt, und es müsse "vermieden werden, eine staatliche Schuldenblase zu produzieren". Die europäischen Großmächte lehnen größere Konjunkturprogramme teilweise aus Sorge um die Inflation und die Stabilität des Euro ab.

Entgegen Obamas Äußerungen über "koordinierte Maßnahmen" verfolgt die US-Regierung eine Politik, die man fast als finanziellen Präventivkrieg bezeichnen kann. Die Regierung gibt Billionen Dollar aus, um die Wall Street und amerikanische Banken zu retten. Die amerikanische herrschende Klasse will die immer noch privilegierte Rolle des Dollar nutzen und diese Rettungsprogramme durch die massenhafte Ausgabe von Schuldverschreibungen auf den internationalen Märkten finanzieren. Dadurch saugt sie verfügbare Finanzmittel auf und macht es für andere Länder schwieriger und teurer, ihre eigenen Programme zu finanzieren.

Die Vereinigten Staaten sind dazu übergegangen, in großem Umfang Geld zu drucken - teilweise, um die Schulden zu finanzieren, die durch die Rettungsprogramme für die Banken gemacht wurden. Diese potentiell inflationäre Politik macht die anderen Großmächte, vor allem China, extrem nervös. China besitzt Dollar-Guthaben von mehr als einer Billion Dollar.

Der Chef der chinesischen Zentralbank sprach sich am Montag für die Schaffung einer neuen internationalen Leitwährung aus, die den Dollar als Weltreservewährung ersetzen solle. Am Dienstag nannte Li Xiangyang von der chinesischen Akademie der Sozialwissenschaften die neue Politik der Fed, US-Schatzbriefe aufzukaufen, "unverantwortlich".

Hinter den politischen Differenzen stecken konkurrierende Interessen. Finanziell steht Gewaltiges auf dem Spiel. Weltweit sind seit Beginn dieser Krise schon Papierwerte im Umfang von Dutzenden Billionen Dollar vernichtet worden. Die Summe aller Vermögen der Weltmilliardäre hat sich ungefähr um die Hälfte vermindert. Wie sollen diese Verluste aufgeteilt werden?

Strauss-Kahn und Köhler mögen sich koordiniertere Maßnahmen erhoffen, um die sozialen Konflikte zu entschärfen, aber die beteiligten Klasseninteressen folgen zwangsläufig einer ganz bestimmten Logik. Einerseits wird die herrschende Klasse in jedem Land rücksichtslos versuchen, die Last der Wirtschaftskrise der Arbeiterklasse aufzuhalsen. Das ist jetzt schon der Fall, und überall werden Arbeitsplätze vernichtet, Löhne gekürzt und Sozialprogramme beschnitten. Andrerseits wird die Wirtschaftskrise den Kampf um Ressourcen zwischen den Großmächten verschärfen, und dieser Kampf kann im Rahmen des kapitalistischen Systems letztlich nur durch Krieg ausgefochten werden.

Siehe auch:
Keine Einigung auf G-20-Gipfel der Finanzminister
(17. März 2009)

Der Wirtschaftszusammenbruch von 2008 und seine
revolutionäre Bedeutung (27. Februar 2009)


*


Bitte senden Sie Ihren Kommentar an: wsws@gleichheit.de!.

Copyright 1998-2009 World Socialist Web Site - Alle Rechte vorbehalten


*


Quelle:
World Socialist Web Site, 26.03.2009
IWF-Direktor warnt vor Krieg
http://wsws.org/de/2009/mar2009/iwf-m26.shtml
Deutschland: Partei für Soziale Gleichheit
Postfach 040144, 10061 Berlin
Tel.: (030) 30 87 24 40, Fax: (030) 30 87 26 20
E-Mail: info@gleichheit.de
Internet: www.wsws.org/de


veröffentlicht im Schattenblick zum 27. März 2009