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GLEICHHEIT/2497: Krieg in Pakistan verschärft internationale Spannungen


World Socialist Web Site
Herausgegeben vom Internationalen Komitee der Vierten Internationale

Krieg in Pakistan verschärft internationale Spannungen

Von Peter Symonds
12. Mai 2009
aus dem Englischen (11. Mai 2009)


Vergangenen Donnerstag hielt der chinesische Botschafter in Islamabad eine Rede, die auf die Verantwortungslosigkeit der Obama-Regierung in Zentralasien hinwies. Washington steht hinter der Ausweitung der Kampfhandlungen in Pakistan. Die Obama-Regierung übt Druck auf Islamabad aus, eine umfassende Militäroffensive gegen die islamischen Aufständischen im Swat-Tal und in benachbarten Gebieten zu führen. Dies destabilisiert nicht nur ganz Pakistan, sondern es verschärft die Spannungen in der ganzen, höchst unruhigen Region.

Vor pakistanischen Wirtschaftsführern wies der chinesische Botschafter Luo Zhaohui besorgt auf den wachsenden "Einfluss von außen" in der Region hin. Seine Bemerkungen zielten vor allem auf die USA, als er sagte, China sei über die Politik der USA und über die Anwesenheit einer großen Zahl ausländischer Truppen im benachbarten Afghanistan besorgt. Luo bekräftigte zwar die Unterstützung Chinas für den "Kampf gegen den Terror", erklärte jedoch, die Strategie der USA bedürfe "einer Korrektur". Er fügte hinzu: "Für China sind diese Fragen wichtig."

Luo machte seine ungewöhnlich offenen Bemerkungen nur einen Tag nach dem Gespräch von US-Präsident Obama mit dem chinesischen Präsidenten Hu Jintao. Sicher wurden bei dem Gespräch zahlreiche Themen behandelt, aber Pakistan stand zweifellos ganz oben auf der Tagesordnung. Das erste öffentlich bekannt gemachte Telefongespräch, das die beiden Politiker führten, stand im Zusammenhang mit Obamas Treffen mit den Präsidenten Afghanistans und Pakistans über die amerikanische Strategie in diesen beiden Ländern. Hu soll zwar angeblich seine Kooperation zugesagt haben, aber Luos Bemerkungen sind Ausdruck der unterschwelligen Furcht Chinas vor dem wachsenden Einfluss der USA in Südasien.

Der Dreiergipfel vergangene Woche in Washington signalisierte eine starke Zunahme der militärischen Gewalt in Afghanistan und Pakistan. Auf starken Druck der USA hin hat die pakistanische Armee eine Großoffensive gegen islamistische Kämpfer im Swat-Tal begonnen. Der Offensive sind schon Hunderte Menschen zum Opfer gefallen, und sie hat Hunderttausende Zivilisten zur Flucht gezwungen. Auf dem Gipfel ging es aber um mehr als militärische Kooperation. Es wurden auch umfassende Pläne diskutiert, beide Länder wirtschaftlich und strategisch enger in die amerikanische Einflusssphäre zu integrieren.

China, das seit langem enge Beziehungen zu Pakistan unterhält, ist über diese Entwicklung offensichtlich beunruhigt. Botschafter Luo sagte vor den Geschäftsleuten, es seien mehr als sechzig chinesische Firmen an 122 Projekten in Pakistan beteiligt. Er hob die "enge Zusammenarbeit" mit Pakistan in der Frage der Sicherheit von über 10.000 chinesischen Ingenieuren und technischen Experten im Land hervor. Peking hat in der Vergangenheit schon auf Vergeltungsmaßnahmen gegen pakistanische Kämpfer bestanden, die an der Entführung und Ermordung chinesischer Bürger beteiligt gewesen sein sollen. Es forderte auch ein militärisches Vorgehen gegen die islamischen Uiguren, die als Separatisten aus Chinas Westen in Pakistan Zuflucht suchen.

Vor allem betrachtet Peking Islamabad als wichtigen Partner in seiner eigenen regionalen Strategie. China hatte nach dem chinesisch-indischen Grenzkrieg von 1962 nicht geringe Mittel investiert, um Pakistan als Gegengewicht zu Indien aufzubauen. Pakistan ist der größte Käufer chinesischer Waffen. Von 2003 bis 2007 war Pakistan, dem Pentagon zufolge, Abnehmer von 36 Prozent der chinesischen Rüstungsexporte. Technische Hilfe aus China war für Pakistans Nuklearwaffenprojekt und sein ballistisches Raketenprogramm entscheidend.

Im Gegenzug erhielt China die Erlaubnis, in der Küstenstadt Gwadar in Belutschistan einen großen Militär- und Handelshafen zu bauen. Der Hafen ist Dreh- und Angelpunkt von Pekings "Perlenketten-Strategie", deren Ziel es ist, sich für seine wachsende Marine die Nutzung von Häfen entlang der zentralen Schifffahrtslinien im Indischen Ozean zu sichern. Dabei geht es vor allem darum, die Öl- und Gasversorgung aus dem Nahen Osten und Afrika zu sichern. Demgegenüber sind die USA bestrebt, ihre militärische Vorherrschaft, besonders auch die ihrer Marine, zu erhalten. Sie nehmen China zunehmend als wirtschaftlichen und strategischen Rivalen wahr.

Die amerikanisch-chinesischen Spannungen, die sich an Pakistan entzünden, sind ein Beispiel für die zutiefst destabilisierende Rolle, die Washington mit seiner aggressiven Interventionspolitik spielt: Erst hat es Afghanistan unterworfen, und jetzt ist es bemüht, Pakistan immer direkter unter seine Fuchtel zu bekommen. Der sich verschärfende Konflikt in Pakistan ist ein direktes Ergebnis der US-Invasion in Afghanistan. Die Bush-Regierung zwang Pakistan, diese Invasion zu unterstützen, und drohte andernfalls damit, Pakistan selbst zum militärischen Zielobjekt der USA zu nehmen. Sowohl in Afghanistan wie in Pakistan wächst der Widerstand. Er bedroht nicht nur die amerikanische Besatzung Afghanistans, sondern könnte auch einen regelrechten Bürgerkrieg in Pakistan auslösen.

Für den US-Imperialismus sind auch unter einer Obama-Regierung die Katastrophen, die er selbst angerichtet hat, nur der Anlass für eine Ausweitung seiner strategischen Interessenpolitik in der ganzen Region. Dies gilt in erster Linie für das ölreiche Zentralasien. Washington stört damit das prekäre strategische Gleichgewicht in der ganzen Region und droht die anderen Großmächte mit in den Strudel zu reißen.

China betrachtet die amerikanischen Pläne in Zentralasien und die Anwesenheit einer großen Zahl ausländischer Truppen in Afghanistan mit Argwohn, doch es steht mit seinen Befürchtungen nicht allein. Seit dem Zusammenbruch der Sowjetunion 1991 versuchen die USA, militärische und wirtschaftliche Verbindungen zu den neuen, zentralasiatischen Republiken aufzubauen. Washington nutzte die Invasion in Afghanistan, um zum ersten Mal Militärstützpunkte in Zentralasien zu errichten.

Afghanistan und Pakistan boten auch die Möglichkeit einer alternativen Pipelineroute, um die Energiereichtümer aus der Region abzuführen. China und Russland, die diese Region als ihren Hinterhof betrachten, schlossen sich daraufhin in der Schanghai-Gruppe (Shanghai Cooperation Group) zusammen, um der Ausdehnung des amerikanischen Einflusses entgegenzuwirken.

Auch der Nachbar Indien beobachtet die Entwicklung in Pakistan mit gespannter Aufmerksamkeit. Neu-Delhi billigt es zwar stillschweigend, wenn Washingtons von Islamabad verlangt, den Krieg gegen "Terror" verstärkt zu führen. Doch sorgt sich Indien, ein engerer Anschluss Pakistans an Amerika könnte die amerikanisch-indische Partnerschaft in ihrer Bedeutung herabmindern, die sich erst in der zweiten Hälfte der 1990er Jahre entwickelt hat. Die Schwächung des Rivalen Pakistan, gegen den Indien drei Kriege geführt hat, wird von Neu-Delhi zweifellos begrüßt. Aber Pakistans Verwandlung in einen US-Klienten, oder noch schlimmer, sein völliges Versinken im Chaos, würde das indische Establishment mit neuen Unwägbarkeiten konfrontieren.

Die gesamte Region ist nach wie vor ein potentielles Pulverfass. Die Konfrontation des Kalten Krieg zwischen dem Sowjetblock und den Westmächten hat neuen Spannungen und Rivalitäten Platz gemacht. Vorsichtige Annäherungsschritte Indiens und Pakistans, die ihre langjährigen Streitpunkte, wie den Kampf um Kaschmir, zu bereinigen begannen, sind praktisch zum Stillstand gekommen. Versuche Indiens und Chinas, ihre Beziehungen zu verbessern, kommen kaum voran. Beide beargwöhnen sich ständig misstrauisch und intrigieren in Nepal, Sri Lanka und Burma gegeneinander.

Eine besonders explosive Zutat in diesem reaktionsfreudigen Gebräu ist der Versuch des US-Imperialismus, seine militärische Überlegenheit zu nutzen, um seinen langfristigen wirtschaftlichen Niedergang wettzumachen. Die Amtsübernahme der Obama-Regierung hat die Spannungen nicht vermindert. Sie stellt eine neue, aggressive Wende im Krieg in Afghanistan und Pakistan dar. Die Bemerkungen des chinesischen Botschafters in der vergangenen Woche sind ein weiteres Zeichen dafür, dass Washingtons Schritte nicht ohne Antwort bleiben werden.


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Quelle:
World Socialist Web Site, 12.05.2009
Krieg in Pakistan verschärft internationale Spannungen
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veröffentlicht im Schattenblick zum 13. Mai 2009