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GLEICHHEIT/2743: Bundeswehr-Ehrenmal in Berlin eingeweiht


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Herausgegeben vom Internationalen Komitee der Vierten Internationale

Bundeswehr-Ehrenmal in Berlin eingeweiht

Von Bernd Reinhardt
20. Oktober 2009


Im November 2008 hatte Bundespräsident Horst Köhler auf dem Berliner Forum Sicherheitspolitik Impulse 21 im Kreis hoher Militärs befriedigt festgestellt, dass die "Neuorientierung der Bundeswehr von der Territorialverteidigung zur Armee im Einsatz (...) insgesamt gelungen" ist. Ein Problem sei noch die fehlende Unterstützung der Bevölkerung.

Als im Juni diesen Jahres drei Bundeswehrsoldaten bei Kampfhandlungen in Afghanistan starben, kritisierte das Militär den mangelnden öffentlichen Rückhalt. Soldaten seien frustriert, fühlten sich im Stich gelassen. Indirekt warf man der Regierung vor, die Vorschriften und Regeln für zivile Einsätze, die bisher den Eindruck erwecken sollten, es gehe in Afghanistan weitgehend um Aufbauhilfe, behinderten die Soldaten zunehmend in Kampfsituationen. Wiederholt wurde die mangelhafte Ausrüstung der Truppen kritisiert.

Nachdem der Wehrbeauftragte Reinhold Robbe (SPD) in der Bild-Zeitung von der Kirche, den Gewerkschaften und der Wirtschaft ein öffentliches klares Bekenntnis zur Bundeswehr gefordert hatte, zeichneten Kanzlerin Merkel und Verteidigungsminister Jung mehrere Soldaten mit dem 2008 eingeführten Tapferkeitsorden aus, ein Novum seit Ende des Zweiten Weltkriegs.

Anfang September präsentierte sich die Bundeswehr gegenüber der schockierten Öffentlichkeit erstmals als "Armee im Kampf", als ein deutscher ISAF-Offizier in Afghanistan zwei amerikanische Bomber anforderte, um zwei manövrierunfähige Tanklaster zu vernichten, wobei zahlreiche Zivilisten umkamen. Während laut einer Umfrage die Mehrheit der Bevölkerung für einen sofortigen Abzug deutscher Soldaten plädierte, stellten sich Kanzlerin Merkel und Verteidigungsminister Jung demonstrativ hinter das Militär.

Die Einweihung eines zentralen Ehrenmals der Bundeswehr am 8. September, nur wenige Tage nach diesem Massaker, ist ein weiterer Schritt Richtung Militarismus. Er bekräftigt die gewachsene Bedeutung militärischer Gewalt als legitimes politisches Mittel der offiziellen deutschen Außenpolitik. Dem entsprachen die Gäste auf der Einweihungsfeier.

Neben Bundespräsident Köhler bemühten sich Vertreter der Verfassungsorgane, aber auch hohe Vertreter der katholischen und evangelischen Kirche sowie parlamentarische "Volksvertreter" auf das Gelände des Verteidigungsministeriums. Verteidigungsminister Jung bedankte sich ausdrücklich. Die Bundeswehr brauche "gesellschaftlichen Rückhalt".

Durch Polizei und den Innenhof des symbolträchtigen Bendlerblocks, wo einst Hitler-Attentäter Stauffenberg von den Nazis hingerichtet wurde, vor zahlreichen Demonstranten auf der Straße abgeschottet, bekräftigte Köhler die Notwendigkeit einer kämpfenden Bundeswehr im Ausland. "Unsere Freiheit und Sicherheit verlangen Einsatz - von uns genauso wie von den vielen Nationen, die unsere Werte teilen. Das ist der Grund, warum es in unserem Land eine Armee gibt." Es sei wichtig, "unsere Bereitschaft, völkerrechtliche Mandate für Militäreinsätze mitzuprägen, und unsere Bereitschaft, solche Einsätze dann auch mit Soldaten zu unterstützen, soweit uns das möglich ist."

Eine öffentliche Diskussion, "welchen Einsätzen der Bundeswehr das Parlament zustimmt, wie sie dafür ausgerüstet ist und welche Ziele und Fristen ihr dabei gesetzt sind", sollte geprägt sein "von Anteilnahme und Respekt, von Sorge und Anerkennung für die Bundeswehr und ihren Dienst. Dieser Verantwortung dürfen wir uns nicht entziehen." Das Ehrenmal, so Köhler, sei ein Ort, "an dem deutlich wird: Die Menschen in Deutschland stehen zu ihrer Bundeswehr."


Nazi-Wehrmacht und Bundeswehr

Schon bei ihrer Gründung 1955 standen "die Menschen in Deutschland" nicht hinter der Bundeswehr. Kaum jemand wollte nach dem Zusammenbruch des Dritten Reiches jemals wieder eine Waffe in die Hand nehmen. Die Initiative kam von oben. In Absprache mit den Westalliierten setzte die konservative Adenauer-Regierung im Zuge des bevorstehenden NATO-Beitritts, die Wiederbewaffnung durch.

Ganz ungeniert stützte sie sich dabei auf Kräfte der alten Nazi-Wehrmacht, von denen einige Wenige, als die militärische Niederlage Deutschlands absehbar war, sich im Namen "deutscher Interessen" gegen Hitler gestellt hatten. Erster Oberbefehlshaber der neuen, "demokratischen" Bundeswehr wurde Hans Speidel, wie auch der erste Generalinspekteur Adolf Heusinger ein ehemaliger Nazi-General. Das Erkennungssymbol des neuen Heeres orientierte sich an der Auszeichnung, die nur Jahre vorher von den Nazis als Durchhalteorden massenhaft verliehen worden war, dem Eisernen Kreuz. 1958 stammten 12.900 Offiziere der Bundeswehre aus der ehemaligen Nazi-Wehrmacht.

Für die Teilstreitkräfte des Heeres wurden Ehrenmäler neu errichtet oder alte aus der Nazizeit umfunktioniert, wobei man die weit verbreitete Opposition der Bevölkerung berücksichtigte. So gedachte das Marine-Ehrenmal Laboe (1936) bereits ab 1954 nicht mehr der Gefallenen des Ersten Weltkriegs sondern sehr allgemein und international, wie die Homepage des Marinebunds es formuliert: den "auf den Meeren gebliebenen Seeleute aller Nationen". Auch das 1961 neu erbaute "Ehrenmal der Luftwaffe und der Luftfahrt" dämpfte das Militärische durch die Einbeziehung des Zivilen.

Seitdem die Bundeswehr 1961 einen Wehrersatzdienst zugebilligt hatte, nahm die Anzahl der Wehrdienstverweigerer stetig zu. Ende der sechziger Jahre, zur Zeit der Massenproteste gegen den Vietnamkrieg, der von der Bundesregierung aber auch von Gewerkschaften wie der DAG und der ÖtV unterstützt wurde, kam es teilweise zu Befehlsverweigerungen sowie zu öffentlichen Wehrpass- und Uniformverbrennungen. In jener Zeit wäre eine staatliche Gedenkstätte für die Armee nicht vorstellbar gewesen.

Mit dem UNO-Beitritt 1973 betrat die BRD, wenn auch im Rahmen amerikanischer Besatzung, die Bühne der Weltpolitik. Ein Jahr vorher, zwei Jahre nach Willi Brandts berühmten Kniefall im ehemaligen Warschauer Ghetto, wurde unter Verteidigungsminister Georg Leber (SPD) das "Ehrenmal des deutschen Heeres" auf der symbolträchtigen Festung Ehrenbreitstein, Koblenz eingeweiht. Es ehrte die Soldaten, die im Ersten und Zweiten Weltkrieg "ihr Leben für Deutschland" gaben und zierte sich selbstbewusst mit dem Tatzenzeichen des Eisernen Kreuzes.

Auch wenn dieses ursprünglich auf die Befreiungskriege gegen Napoleon zurückgeht, stand es nie in einer demokratischen Tradition. Das Ziel der preußischen Heerführer war die Rettung der Monarchie unter der Vorherrschaft Preußens. Das eiserne Kreuz half 1871 im Deutsch-Französischen Krieg die Pariser Kommune niederzuschlagen, sein Symbol zierte die kaiserlichen Kriegsschiffe im afrikanischen Kolonialkrieg, deutsche Flugzeuge im Ersten Weltkrieg und Hitlers Panzer im "Kampf gegen den Bolschewismus". Es prangt auf Fahrzeugen der Bundeswehr in Afghanistan, und auch der von Merkel und Jung jüngst verliehene Tapferkeitsorden hat das Eiserne Kreuz zur Grundlage.


Scheitern des Pazifismus

In der Friedensbewegung der 70er Jahre lag auch die Wiege der Grünen. In diesem und dem folgenden Jahrzehnt demonstrierten Tausende in Sorge um eine zunehmende Kriegsgefahr. Das waren die Bewegungen gegen die Stationierung von Atomraketen, gegen das Wettrüsten zwischen USA und UdSSR.

Die große Schwäche dieser Massenbewegung bestand aber damals schon in ihrer pazifistischen Ausrichtung. Krieg als solchen abstrakt ablehnend, lehnte sie die kapitalistische Grundlage dieser Kriege nicht ab. Nach dem Abzug der amerikanischen Besatzungstruppen in den neunziger Jahren, gingen die Grünen vor dem Hintergrund wachsender innen- und außenpolitischer Spannungen allmählich von der Verteidigung des Kapitalismus im Allgemeinen zur Verteidigung des deutschen Kapitalismus im Konkreten über. Sie öffneten 1999, im ersten Regierungsjahr der rot-grünen Regierung unter dem demagogischen Ruf des grünen Außenministers Fischer "nie wieder Auschwitz" das Tor zu den ersten Kampfeinsätzen der Bundeswehr im Kosovo.

Zeitnah wurden Soldaten-Ehrenmale dieser neuer Realität angepasst. Im Jahr 2000 erhielt das U-Boot Ehrenmal Möltenort, dessen Tradition über die Nazi- bis in die Weimarer Zeit reicht und bisher "aller Toten der U-Bootwaffe beider Weltkriege" gedachte, eine neue Inschrift, die ohne historischen Zeitrahmen aller "auf See gebliebenen deutschen U-Bootfahrer" gedenkt. Eine weitere Tafel brachte Kaiser-, Nazi- und Nachkriegszeit auf einen gemeinsamen Nenner: Sie ehrt deutsche U-Bootfahrer, die 1911, 1936 und 1966 - d.h. nicht im Rahmen von Kriegen, aber in Ausübung ihres Dienstes - tödlich verunglückten.

Auch das Ehrenmal des deutschen Heeres erfuhr ab 2006 eine wichtige Veränderung. Eine neue Stele würdigt die Bundeswehrsoldaten "die für Frieden Recht und Freiheit" ihr Leben ließen. Diese Formulierung hat das Berliner Ehrenmal übernommen.

Die Einweihung einer zentralen militärischen Gedenkstätte in der deutschen Hauptstadt spricht für gewachsenes Selbstbewusstsein und den hohen Stellenwert, den deutsche Eliten einer kämpfenden Bundeswehr für die Sicherung deutscher Interessen inzwischen beimessen. Dass man nicht gewillt ist, sich dabei aufhalten zu lassen, unterstreicht der gewählte Standort des Ehrenmals, nicht in Nähe des Parlaments, das über Einsätze entscheidet, sondern auf dem Gelände des Verteidigungsministeriums (die einzige Kritik der Grünen).

Wie die Bevölkerung für einen Krieg gewonnen werden soll, macht allerdings Regierung, Parlament, Militär, Kirche und Medien nach wie vor Bauchschmerzen. Die Zeit forderte bereits vor einem Jahr eine dringende Diskussion über eine überzeugendere "Ultima Ratio" die nicht nur auf "Dienen und Pflichterfüllung" bei der Beteiligung an einem Krieg beruht: "Doch welche ist dies? (...) sind es 'Frieden und Freiheit', wie es nun in dem Ehrenmal heißen soll, sind es die Demokratie oder die Menschenrechte? Oder sind es die Lehren aus der Vergangenheit (...)?" Innerhalb der Kirchen wird über die Kategorie "gerechter Krieg" diskutiert, und Militärgeneralvikar Wakenhut hat die Einführung eines Gedenk- und Ehrentages für gefallene Bundeswehrsoldaten vorgeschlagen.

Nach der Verwandlung der Grünen in eine Kriegspartei sind pazifistische Phrasen noch in der Linkspartei zu vernehmen, wenn auch mit abnehmender Tendenz. So lehnte die Linkspartei das Ehrenmal der Bundeswehr mit der Begründung ab, es fördere eine "Kriegermentalität". Auf einer parallel zur Einweihung stattfindenden Kundgebung gegen den Afghanistaneinsatz der Bundeswehr erklärte Gregor Gysi jedoch, er sei für ein Ehrenmal, das auch getötete Zivilisten mit einschließt, was eher an die schleichende Art und Weise erinnert, wie Soldatenehrenmale in Deutschland durch die Vermischung von Militärischem und Zivilen wieder salonfähig gemacht wurden.

Nationaler Patriotismus und Staatstreue gehören zu den Grundpfeilern der Partei, deren Wurzel auf die ehemalige Staatspartei der DDR, SED zurückgeht. Bezeichnenderweise hatte diese zur Bekräftigung ihrer speziell deutschen "sozialistischen" Interessen aus demselben Topf nationalistischer und undemokratischer Militär-Traditionen geschöpft wie die Bundeswehr der BRD. Die Tapferkeitsmedaille der DDR für einen eventuellen Krieg gegen die NATO, die sich unübersehbar am Eisernen Kreuz orientierte, schmückte das Bildnis des preußischen Generals Blücher.

Von der anfänglichen Opposition gegen den Afghanistaneinsatz ist die Linkspartei inzwischen abgerückt, um in die von Bundespräsident Köhler geforderte "öffentliche Diskussion" einzutreten.


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Quelle:
World Socialist Web Site, 20.10.2009
Bundeswehr-Ehrenmal in Berlin eingeweiht
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veröffentlicht im Schattenblick zum 21. Oktober 2009