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GLEICHHEIT/3105: Finanzkrise - Reiche werden noch reicher


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Herausgegeben vom Internationalen Komitee der Vierten Internationale

Finanzkrise: Reiche werden noch reicher

Von Elisabeth Zimmermann
15. Juni 2010


Trotz der tiefsten Finanz- und Wirtschaftskrise seit den 1930er-Jahren sind die Reichen weltweit noch reicher geworden. Das geht aus einer Studie der Unternehmensberatung Boston Consulting Group (BCG) hervor.

Im vergangen Jahr stiegen die weltweiten Vermögenswerte von Privatanlegern, die in Bargeld, Aktien, Wertpapieren oder Fonds angelegt sind, um 11,5 Prozent auf eine Gesamtsumme von 111,5 Billionen Dollar. Damit wurden die Verluste aus dem Krisenjahr 2008 mehr als wettgemacht.

2008 waren die globalen Vermögenswerte im Vergleich zum Jahr 2007 um mehr als zehn Prozent gesunken, auf etwa 100 Billionen Dollar. Jetzt haben die Vermögen der Reichen und Superreichen wieder dasselbe Niveau erreicht wie vor Ausbruch der internationalen Finanzkrise mit der Lehmann-Pleite im September 2008 - mit steigender Tendenz.

Nach Weltregionen aufgeteilt verzeichnete Nordamerika mit einem Plus von 4,6 Billionen Dollar (15 Prozent) den größten absoluten Vermögenszuwachs. In Europa wuchsen die privaten Vermögen mit acht Prozent geringer; Europa blieb aber mit einem Gesamtvolumen von 37,1 Billionen Dollar vor Nordamerika (35,1 Billionen) die reichste Region der Welt.

In der Region Asien-Pazifik (einschließlich Australien und Neuseeland; ohne Japan) wuchsen die privaten Vermögenswerte fast doppelt so stark wie im globalen Durchschnitt: um 22 Prozent auf 17,1 Billionen Dollar. Japan verzeichnete dagegen lediglich einen Vermögensanstieg von drei Prozent auf 14,9 Billionen Dollar. In Lateinamerika wuchsen die privaten Vermögen ebenfalls überdurchschnittlich, allerdings auf niedrigerem Niveau: um 16 Prozent auf 3,4 Billionen Dollar.

Während weltweit Millionen Arbeiter als Folge der Finanzkrise ihren Arbeitsplatz verloren, in Arbeitslosigkeit und Armut absanken und die Armen noch ärmer wurden, hat sich die herrschende Finanzelite an der Krise obszön bereichert.

Das unterstreicht eine weitere Zahl, die der Dollarmillionäre. Sie ist im vergangenen Jahr weltweit stark angestiegen. Laut der BCG-Studie leben die meisten Millionäre in den USA (4,7 Millionen), gefolgt von Japan (1,2 Millionen), China (670.000), Großbritannien (485.000) und Deutschland (430.000). Es folgen Italien (300.000), Schweiz (285.000), Frankreich (280.000), Taiwan (230.000) und Hongkong (205.000).

Mit einem Anstieg von 35 Prozent wuchs die Zahl der Millionärshaushalte in Singapur am stärksten, gefolgt von Malaysia (33 Prozent), der Slowakei (32 Prozent) und China (31 Prozent). In Deutschland stieg die Anzahl der Millionärshaushalte im letzten Jahr um 23 Prozent.

Auf diese Millionäre, die weltweit weniger als ein Prozent aller Haushalte ausmachen, konzentrierten sich 2009 38 Prozent aller Vermögensanlagen.

Ein wesentlicher Grund für den Anstieg der Vermögenswerte der Reichen und Superreichen sind die Bankenrettungspaket im Umfang von mehreren Billionen Dollar, mit denen die Regierungen die Finanzinstitute vor dem Zusammenbruch bewahrten. Nun werden die so entstandenen Löcher in den öffentlichen Haushalten auf Kosten der sozial Abhängigen und Arbeiter wieder gestopft.

Das ist die Bedeutung der Sparprogramme, die derzeit in zahlreichen Ländern beschlossen werden. Allein in Deutschland sollen nach den Plänen der Regierung im nächsten Jahr fünf Milliarden Euro bei Arbeitern, Arbeitslosen, Hartz IV-Empfängern und Rentnern eingespart werden, während die Reichen und Wohlhabenden völlig ungeschoren davon kommen.

Die Umverteilung des gesellschaftlichen Reichtums von unten nach oben hat nicht erst im Herbst 2008 begonnen. Sie findet seit drei Jahrzehnten statt und ist durch die Finanzkrise lediglich verschärft und beschleunigt worden.

In Deutschland hat vor allem die rot-grüne Regierung von Schröder und Fischer die Umverteilung der Vermögen und Einkommen stark beschleunigt. So senkte sie den Spitzensatz bei der Einkommenssteuer von 53 auf 42 Prozent; später wurde er für Reiche dann wieder moderat auf 45 Prozent erhöht. Mit der Einführung der Hartz-Gesetze und den damit verbundenen Arbeitsmarktreformen schuf sie die Voraussetzungen für einen riesigen Niedriglohnsektor. Inzwischen arbeiten fast sieben Millionen Menschen im Niedriglohnbereich.

Nach Schröders Rücktritt entlastete die Große Koalition dann nochmals die Kapitalbesitzer. Dank der Abgeltungssteuer müssen Besserverdienende für ihre Kapitaleinkünfte weniger an den Staat abführen als zuvor. Das DIW (Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung) stellt in seinem Bericht über das Krisenjahr 2009 fest: "Reiche werden reicher. Arme bleiben arm.... Ostdeutschland verarmt zusehends. Erbschaftssteuerreform und Abgeltungssteuer fördern die Ungleichheit."

Laut DIW standen 2007 zwei Drittel der Bevölkerung ohne oder mit minimalen Vermögen da. Die reichsten zehn Prozent besaßen dagegen 60 Prozent der gesamten Vermögen in Deutschland, mit steigender Tendenz.

Laut Berechnungen des gewerkschaftsnahen Instituts IMK summieren sich die Verluste für den Staat durch die seit 1998 beschlossenen Steuerreformen auf jährlich 50 Milliarden Euro. Die Frankfurter Rundschau folgert daraus: "Ohne diese permanenten Steuerentlastungen bräuchte der Finanzminister heute kein Sparpaket. Hätte die Politik nicht immer wieder die mittleren und oberen Einkommen begünstigt, müsste sie heute nicht bei Arbeitslosen und Familien kürzen."

Siehe auch:
Merkels Sparprogramm erinnert an Weimar
(10. Juni 2010)

Sparprogramme in ganz Europa
(29. Mai 2010)


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Quelle:
World Socialist Web Site, 15.06.2010
Finanzkrise: Reiche werden noch reicher
http://wsws.org/de/2010/jun2010/reic-j15.shtml
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veröffentlicht im Schattenblick zum 16. Juni 2010