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GLEICHHEIT/3185: Loveparade - Demonstration vor dem Duisburger Rathaus


World Socialist Web Site
Herausgegeben vom Internationalen Komitee der Vierten Internationale

Loveparade: Demonstration vor dem Duisburger Rathaus
Hunderte fordern Sauerlands Rücktritt

Von unsern Korrespondenten
30. Juli 2010


21 Tote, über 500 Verletzte und Tausende traumatisierte Menschen - das war das Fazit der Loveparade vom vergangenen Samstag. Seither nimmt die Wut und Trauer in der Duisburger Bevölkerung mit jedem Tag zu. "Kulturhauptstadt 2010 - wir klagen an: Prestige, Profitsucht und Feigheit" steht auf einem Transparent im Unglückstunnel.

Am Donnerstag forderten etwa fünfhundert Personen vor dem Duisburger Rathaus den Rücktritt des Oberbürgermeisters, der die Loveparade trotz gravierender Sicherheitsmängel politisch durchgesetzt hatte. Viele Anwesende waren selbst auf dem Tanzfestival gewesen oder hatten Söhne und Töchter, die dort in der Todesfalle mit eingesperrt waren.

Zu der Aktion hatte ein einzelner Duisburger Einwohner aufgerufen. Markus Schröder berichtete, er habe am Samstag ahnungslos gefeiert. Später habe er erfahren: "Meine Nichte war mittendrin, wenige Meter von der Treppe entfernt." Am Sonntag sei er zur Pressekonferenz ins Rathaus gegangen, doch dort wäre er den Politikern "am liebsten an die Gurgel gesprungen". Kurzfristig habe er beschlossen, über das Internet und über Plakate im Tunnel und in der Stadtmitte zu dieser Demonstration aufzurufen.

Der World Socialist Web Site erklärt Schröder, für die Todesfalle an der Loveparade sei nicht einer allein verantwortlich gewesen, sondern viele: zunächst die Organisatoren, die nur einen Zugang als Ein- und Ausgang eingeplant hatten, aber auch die Polizei. "Die müssen doch frühzeitig gesehen haben, was da läuft", so Schröder. "Warum wurde die zweite Rampe nicht geöffnet? Warum war der Eingang, der direkt zum Hauptbahnhof führt, geschlossen? Das wäre der ideale Zugang gewesen. Doch dort befand sich der VIP-Bereich. Und VIPs sind ja wichtiger."

Am offenen Megaphon berichteten mehrere Jugendliche über ihre bitteren Erfahrungen vom Samstag. Andere fordern "endlich Antworten auf unsere Fragen". Die Behörden hätten letztlich alles abgesegnet und jeden mundtot gemacht, der dagegen war. Auf die Anklagebank gehörten der Oberbürgermeister, der Loveparade-Veranstalter Rainer Schaller, der ganze Stadtrat und die Polizei. Und immer wieder wurde der Rücktritt von OB Sauerland gefordert.

Ein junges Mädchen hielt ein Schild mit der Aufschrift: "Kapitalismus tötet". Auf die Frage, was sie damit meine, erklärte sie, es bringe gar nichts, wenn alleine OB Sauerland zurücktrete und dann alle zur Tagesordnung übergingen. Schuld sei die Profitgier, die stärker gewesen sei als alle Bedenken.

Am Megaphon kamen einige Unterstützer der World Socialist Web Site zu Wort. Sie wiesen darauf hin, dass sich in der Tragödie von Duisburg der Zustand der gesamten Gesellschaft widerspiegle. Alle Parteien - nicht nur die CDU, sondern auch SPD, Grüne und Linke - hätten kein Interesse an Wohlergehen und Sicherheit der jungen Menschen. "Diese Rücksichtslosigkeit ist typisch für ein Gesellschaftssystem, das nicht von den Bedürfnissen der Menschen, sondern von den Profitinteressen der Herrschenden ausgeht", sagte Marianne Arens von der WSWS.

Einige Anwesenden forderten, jegliche politische Stellungsnahmen raus zu halten. Unter ihnen waren SPD-Anhänger, die es nicht ungern sahen, wenn sich das Feuer der Kritik auf die CDU konzentriert, während die SPD sich mit ihrer neuen, rot-grünen Landesregierung aus der Schusslinie heraushält.

WSWS-Reporter verteilten ein Flugblatt mit der Überschrift: "Loveparade-Katastrophe: 'Kein Unglück, sondern ein Verbrechen'", in dem die gesellschaftlichen Hintergründe angesprochen werden. Es stieß auf viel Interesse und löste Diskussionen aus.

Renate aus Duisburg sagte, nachdem sie den Text gelesen hatte. "Es hat mir gut gefallen, was ihr schreibt. Ihr habt den Nagel auf den Kopf getroffen. Diese Menschen gehen über Leichen, und hinterher haben sie nicht einmal die Courage, zu ihrer Verantwortung zu stehen." Renate hat einen Sohn, der am Samstag mit im Gedränge war. "Ich konnte ihn stundenlang nicht erreichen", berichtete sie. "Zum Glück ist er unverletzt wieder nach Hause gekommen. Wenn ihm was passiert wäre, weiß ich nicht, was ich machen würde. Er ist mein einziger Sohn."

Helmut Herbst aus Duisburg-Rheinhausen erzählte, sein Neffe habe an der Loveparade schlimme Erfahrungen gemacht. "Er war mit seiner Freundin mitten drin und wollte an der Wand hochklettern, wurde aber vom Sicherheitspersonal wieder runtergezogen", sagte er. "Dadurch wurde mein Neffe im oberen Halsbereich verletzt. Es war offenbar völlig unausgebildetes Sicherheitspersonal vor Ort. Es ist schon traurig, dass dort junge, unausgebildete Leute als Ordner eingesetzt wurden, obwohl sie von der Materie keine Ahnung hatten."

Die Loveparade sei "zu einer Gelddruckmaschine verkommen", sagte ein anderer. "Die Politiker sind vor lauter Geldgier und Prestigesucht regelrecht verblendet, und das trifft alle Parteien. Wie kann man eine Großveranstaltung machen, bei der es keine Fluchtmöglichkeiten, überhaupt keinen Ausgang mehr gibt? Stellen Sie sich vor, es wäre im Tunnel noch Schlimmeres passiert. Die Katastrophe hätte noch viel größer sein können."


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Quelle:
World Socialist Web Site, 30.07.2010
Loveparade: Demonstration vor dem Duisburger Rathaus
Hunderte fordern Sauerlands Rücktritt
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veröffentlicht im Schattenblick zum 31. Juli 2010