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GLEICHHEIT/3725: Zwei Streiks in China von Polizei brutal unterdrückt


World Socialist Web Site
Herausgegeben vom Internationalen Komitee der Vierten Internationale

Zwei Streiks in China von Polizei brutal unterdrückt

Von John Chan
1. Juli 2011


In Guangdong, einer Provinz im Süden Chinas, haben die Behörden zwei größere Streiks durch die Polizei beenden lassen. Die Streikenden konnten keinerlei Zugeständnisse bei Löhnen oder Arbeitsbedingungen erreichen, und das gewaltsame Ende der Streiks zeigt, dass das Regime im Industriebereich nicht die geringste Unruhe tolerieren kann. Zu groß ist die Angst, dass sich ein Streik, wie letztes Jahr bei Honda, zu einem Flächenbrand ausweiten könnte.

Erst vor drei Wochen hatten Wanderarbeiter aus der Kleidungsindustrie in Zengcheng, einem Bezirk der Provinzhauptstadt Guangzhou, mehrere Tage lang protestiert. Im Kampf gegen Polizeiübergriffe, Behördenwillkür und steigende Preise zerstörten sie mehrere staatliche Gebäude und lieferten sich Schlachten mit der Bereitschaftspolizei.

Anfang letzter Woche traten in Guangzhou viertausend Arbeiter einer südkoreanischen Handtaschenfabrik in den Streik, der nach vier Tagen beendet wurde, als die Polizei sechs Arbeiter verhaftete. Die Fabrik Simone Limited beliefert internationale Luxusmarken wie Michael Kors, DKNY, Burberry und Kate Spade. Achtzig Prozent der Belegschaft sind Wanderarbeiterinnen aus dem Landesinneren.

Wie die in Hongkong ansässige South China Morning Post berichtet, nahmen die Arbeiter in Hualon ihren Streik vergangenen Montag auf; sie forderten bessere Bezahlung und ein Ende der miesen Behandlung durch die Geschäftsleitung. "Außerhalb des Geländes wurde eine starke Polizeipräsenz beobachtet, und Arbeiter behaupten, mindestens eine Frau und ein Mann seien am Dienstag von lokalen Sicherheitsleuten zusammengeschlagen worden", schreibt die Zeitung. "Im Umkreis des Fabrikgeländes staute sich der Verkehr, und im Internet wurden auf Microblogs Bilder veröffentlicht."

Arbeiter sagten der Zeitung, ihr durchschnittlicher monatlicher Lohn betrage nur eintausendeinhundert Yuan (117 Euro), was in den industriellen Satellitenstädten von Guangzhou als Mindestlohn gilt. Wegen der rasant steigenden Preise forderten sie eine Erhöhung auf eintausenddreihundert Yuan. Ein 26-jähriger Arbeiter aus der Provinz Hunan erklärte: "Von unserem Lohn zieht die Firma noch zweihundert Yuan für Sozialversicherungen und hundert Yuan für Nahrungsmittel ab, wenn wir auf dem Gelände essen. Dieser elende Fraß ist für den menschlichen Verzehr nicht geeignet, aber wir haben keine andere Wahl."

Wie die Arbeiter berichteten, müssen sie zwölf Stunden am Tag stehen, haben nur alle vier Stunden eine Toilettenpause und dürfen außerhalb der Pausen kein Wasser trinken. Ein junger Arbeiter aus Chongqing sagte, die Geschäftsleitung behandle die Arbeiter, "als seien wir keine Menschen", und fügte hinzu: "Die Geschäftsführer gehen auf die Frauentoiletten, wann es ihnen gefällt. Wir sind so wütend, uns reicht's jetzt."

Die meisten Arbeiter kehrten am Donnerstagmorgen an die Arbeit zurück, ohne dass die Geschäftsleitung Zugeständnisse gemacht hätte, aber neunhundert streikten weiter. Am Donnerstagnachmittag kam es zu einem Handgemenge, und mindestens sechs Streikende wurden von der Polizei abgeführt. Die Direktion von Simone Limited versandte Drohbriefe, worin sie allen Arbeitern, die nicht an die Arbeit zurückkehrten, mit Kündigung drohte.

Die South China Morning Post berichtet: "Eine zwanzigjährige Arbeiterin wurde von mehreren Männern am Nacken gepackt, hochgerissen und weggeschleppt. Sie hatte einen Beamten, der sie fotografierte, aufgefordert, dies zu unterlassen." Ihr achtzehnjähriger Kollege erzählte der Zeitung: "Das sind Verbrecher: Sie fotografieren uns und prügeln uns, wie's ihnen gerade gefällt." Ein junger Arbeiter wurde von mehreren Beamten durch die Menge gejagt und zu Boden geworfen, ehe er abgeführt wurde.

Die Probleme der Arbeiter bleiben ungelöst. Ein neunzehnjähriger Arbeiter erklärte, sie hätten einfach nur eine Lohnerhöhung gefordert, wie in vielen nahegelegenen Fabriken auch. Ein 29-jähriger Arbeiter, dessen Daumen bei einem Unfall vor zwei Monaten zerquetscht worden war, klagte, das Unternehmen habe sich geweigert, die Kosten für die medizinische Behandlung zu übernehmen. Man unterstelle, er habe sich vorsätzlich verletzt, um Schadensersatz zu fordern.

Zur gleichen Zeit, als die Polizei vergangenen Donnerstag den Streik bei Simone auflöste, wurden andere Polizei-Hundertschaften zu Citizen Watch geschickt, der [Uhren-]fabrik in Dongguan, einer weiteren großen Industriestadt von Guangdong. In dieser Fabrik, die einem japanischen Besitzer gehört, sollte ein zehntägiger Streik von zweihundert Arbeitern beendet werden. Dem Asiaweek Magazin aus Hong Kong zufolge wurden die Arbeiter unter strenger polizeilicher Bewachung gezwungen, die Arbeit wieder aufzunehmen.

Der Streik war ausgebrochen, nachdem die Geschäftsführung die Angestellten dazu gezwungen hatte, ohne Überstundenausgleich am Wochenende zu arbeiten, da der vorangegangene Mittwoch, an dem ein Stromausfall die Produktion lahmgelegt hatte, zum "freien Tag" erklärt worden war. In den letzten Monaten kommt es immer wieder zu Stromausfällen, was den großen Unmut der Arbeiter noch steigert, weil sie regelmäßig zu fünf bis sechs Überstunden gezwungen werden. Ihre Löhne werden schon gekürzt, wenn sie beim Schichtwechsel nur ein paar Minuten zu spät kommen. Außerdem fehlt es an elementarer Sicherheitsausrüstung wie Handschuhen.

Am 13. Juni zogen gut tausend Arbeiter bei schwerem Regen vor das Gebäude der Stadtverwaltung von Changan und protestierten gegen die mangelnde Aufsicht über Citizen Watch, die sich weigern, die Arbeiterrechte einzuhalten. Eine Polizeihundertschaft wurde entsandt, und das Arbeitsministerium schaltete sich ein.

Nachdem vagen Versprechungen des Unternehmens, die Verschiebung von Arbeitstagen werde "verbessert", kehrten ungefähr sechshundert Beschäftigte an die Arbeit zurück. Am letzten Dienstag drohte die Geschäftsleitung, für jeden Streiktag den Lohn von drei Arbeitstagen einzubehalten, was die meisten Streikenden zurück an die Arbeit zwang. Rund zweihundert Arbeiter aus der Feinschliffabteilung streikten weiter, bis die Polizei am Donnerstag eingriff.

Die Tatsache, dass in keinem der beiden Streiks auch nur das geringste Zuggeständnis gemacht wurde, steht in scharfen Gegensatz zum Honda Streik des letzten Jahres. Damals hatte Honda auf einen Streik in seinem Getriebewerk in Foshan, Nahe Guangzhou, zuerst reagiert, indem es Lohnerhöhungen ablehnte und einen "Streikverzicht" von den Arbeitern verlangte. Um die Situation wieder unter Kontrolle zu bringen, bot das Unternehmen schließlich begrenzte Lohnerhöhungen an. Dieses Streikergebnis ermutigte die Arbeiter bei andern Honda-Abteilungen und in andern Auto- und Elektronikunternehmen zu ähnlichen Aktionen. Dies löste eine Streikwelle aus, welche die Regierung in Peking zwang, die Mindestlöhne im ganzen Land anzuheben.

Die Streiks vom letzten Jahr überraschten das stalinistische Regime in China weitgehend unvorbereitet. Heute aber, vor dem Hintergrund der revolutionären Erhebungen im Nahen Osten, dem neuerlichen Einbruch in der Weltwirtschaft und einer wachsenden Inflation in China, bleibt Peking nichts anderes übrig, als jede Bewegung unter den Arbeitern im Keim zu ersticken.

Während den Unruhen Anfang Juni in Zengcheng griffen sechstausend paramilitärische Polizisten mit gepanzerten Fahrzeugen bis zu zehntausend Arbeiter an und verhafteten offiziell mindestens neunzehn Arbeiter. Für Wanderarbeiter, die bereit sind, mutmaßliche Demonstranten zu denunzieren, setzte die Polizei letzte Woche "Belohnungen" von bis zu zehntausend Yuan in bar, sowie Ansprüche auf Stadtwohnungen, aus.


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Quelle:
World Socialist Web Site, 01.07.2011
Zwei Streiks in China von Polizei brutal unterdrückt
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veröffentlicht im Schattenblick zum 2. Juli 2011