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GLEICHHEIT/3807: US-Zentralbank hat Großbanken heimlich Billionen Dollar geliehen


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Herausgegeben vom Internationalen Komitee der Vierten Internationale

US-Zentralbank hat Großbanken heimlich Billionen Dollar geliehen

Von Barry Grey
24. August 2011


Wie Bloomberg News am Sonntag enthüllte, hat die amerikanische Zentralbank (Fed) auf dem Höhepunkt der Finanzkrise amerikanischen und europäischen Großbanken heimlich Billionen Dollars geliehen. Das Geld wurde vom Vorstand der Federal Reserve von 2007 bis 2010 in Form von kostenlosen Darlehen ausgehändigt. Der Bloomberg-Artikel stützt sich auf eine unabhängige Untersuchung bisher unter Verschluss gehaltener Fed-Dokumente. Er trägt die Überschrift: "Wall Street-Aristokratie erhielt Fed-Darlehen im Wert von 1,2 Billionen".

Diese Schlagzeile ist insofern irreführend, als dies nur der höchste Betrag ist, den die Fed an einem Tag ausgezahlt hat. Er ist Teil von sieben Notfallprogrammen, mit denen die Fed zur Abdeckung der Schulden der Wall Street-Elite beitrug. Die Zahl von 1,2 Billionen ist zweifellos niedriger als die Gesamtsumme, welche die Fed für Darlehen im Rahmen dieser Programme ausgab. Manche Banken haben auch mehrmals Geld von der Fed angefordert.

Es geht dabei um weit größere Summen, als die Banken vom US-Finanzministerium erhalten haben. Der nationale Rettungsfonds namens Troubled Asset Relief Program (TARP) belief sich auf eine Gesamtsumme von 700 Milliarden Dollar. Davon erhielten die zehn größten amerikanischen Banken Gelder in Höhe von insgesamt 160 Milliarden. Laut Bloomberg erhielten dieselben Banken außerdem von der Fed knapp 700 Milliarden Dollar als Krisendarlehen.

In dem Artikel wird Robert Litan zitiert, ein ehemaliger Justizbeamter, der schon in den 1990ern der Kommission angehörte, welche die Sparkassenkrise (Savings-and-Loans) untersuchte. Er sagte: "Das sind riesige Zahlen. (...) Das bedeutet, dass die amerikanische Finanzaristokratie ohne das Geld der Fed pleite gegangen wäre."

Die Bloomberg-Reportage beleuchtet die Art und Weise, wie der amerikanische Kapitalismus die öffentlichen Kassen plündert, um die Finanzelite zu retten. Das ist unter Obama nicht anders als unter Bush. Er zeigt auch, um was für kolossale Summen es dabei geht. Geld spielt keine Rolle, wenn der Reichtum der Parasiten gefährdet ist, die mit ihrem Schneeballsystem den Finanz- und Wirtschaftskollaps überhaupt verursacht haben: Es ist ja das Geld der Steuerzahler. Aber wenn es darum geht, Millionen Familien zu helfen, deren Häuser zwangsversteigert werden, oder Arbeitsplätze für die Arbeitslosen zu schaffen, dann heißt es: "Es ist kein Geld vorhanden!"

Der Artikel weist darauf hin, dass der Höchstbetrag von 1,2 Billionen Dollar, den die Fed am 8. Dezember 2008 zahlte, ungefähr jener Gesamtsumme an Krediten (1,27 Billionen Dollar) entspricht, die in der Hypothekenkrise ausgefallen sind. Damals verloren viereinhalb Millionen Hausbesitzer ihre Häuser, weil sie die Hypotheken nicht zahlen konnten, und zwei Millionen Grundstücke wurden zwangsversteigert.

Wie die europäischen Regierungen versucht auch Obama, die Kosten für den Staatsbankrott vollständig auf die Arbeiterklasse abzuwälzen. So sollen alle sozialen Errungenschaften, die die Arbeiter im Verlauf des zwanzigsten Jahrhunderts erkämpft haben, wieder abgeschafft werden.

Bloomberg konnte sich erst nach Monaten Zugang zu den Fed-Dokumenten verschaffen. Die Nachrichtenagentur berief sich auf den Freedom of Information Act (Gesetz zur Informationsfreiheit), doch die Fed weigerte sich, Informationen über ihr Darlehensprogramm herauszugeben. Der Oberste Gerichtshof lehnte den Einspruch mehrerer großer Wall Street-Banken ab. Der Rechtsstreit gipfelte schließlich letztes Jahr in der Verabschiedung des Dodd-Frank Acts, eines Bundesgesetzes, welches das Finanzmarktrecht reformiert. Dieses zahnlose Gesetz schreibt allerdings nur vor, dass die Fed die Identität ihrer Darlehenskunden und die geliehenen Beträge erst zwei Jahre im Nachhinein offenlegen muss.

Die Geheimhaltungspolitik der Fed hat zwei Gründe. Zum einen will sie den Banken helfen, ihre tatsächliche Finanzlage zu verbergen. Bloomberg führt das Beispiel der Bank Morgan Stanley an, der größten Empfängerin von Notkrediten, die im September 2008 in einer Presseveröffentlichung schrieb, sie verfüge über "große Kapital- und Liquiditätspositionen", wobei sie die Tatsache verschwieg, dass nahezu ihr gesamtes Geld aus einem Darlehen der Fed in Höhe von 107,3 Milliarden Dollar stammte.

Zweitens will die Fed vor der amerikanischen Bevölkerung verheimlichen, in welchem Ausmaß öffentliche Gelder an die Banker verteilt werden.

Bis heute, fast drei Jahre nach dem Crash an der Wall Street und den Bailouts der Regierung, wurde keine ernsthafte Finanzreform durchgesetzt, kein Bankenmonopol wurde gebrochen, geschweige denn von der Regierung beschlagnahmt, kein einziger Großbanker wurde verhaftet, und kein einziger Verantwortlicher für die schlimmste Wirtschaftskrise seit der Großen Depression wurde zur Rechenschaft gezogen. Im Gegenteil, die Banken verzeichnen Rekordgewinne, und die Managergehälter sind in die Höhe geschossen, obwohl die Banken immer noch auf wertlosen Hypothekenpapieren in Milliardenhöhe sitzen.

Gleichzeitig wird die Massenarbeitslosigkeit benutzt, um die Löhne und Zusatzleistungen der Arbeiter zu kürzen und deren Ausbeutung zu verschärfen. Es herrscht größere soziale Ungleichheit als je zuvor.

Die Plünderung der Gesellschaft zu Gunsten der Finanzelite löst die Probleme nicht, die zu dem wirtschaftlichen Desaster geführt haben. Wie die jüngste Entwicklung zeigt, folgt auf die Krise ein noch gefährlicheres Entwicklungsstadium. Die Wirtschaft ist weltweit im Niedergang begriffen, die amerikanische Kreditwürdigkeit wird herabgestuft, die globalen Finanzmärkte sind in Turbulenzen, in Europa herrscht eine Staatsschuldenkrise und die Finanzmärkte erhöhen ständig ihren Druck auf europäische und amerikanische Großbanken.

Die Bank of America steht schon wieder am Rande des Zusammenbruchs, obwohl sie 45 Milliarden Dollar aus dem nationalen Rettungsfond TARP, dreihundert Milliarden Dollar an Garantien für ihre Schulden und über neunzig Milliarden Dollar an Fed-Darlehen erhalten hat. Der Wert ihrer Aktien ist dieses Jahr um fast die Hälfte gefallen, allein in diesem Monat um dreißig Prozent. Die Versicherungspreise für Bankanleihen stiegen auf ein höheres Niveau als die von Lehman Brothers eine Woche vor dem Zusammenbruch von 2008. Letzte Woche kündigte die Bank of America die Entlassung von 3.500 Mitarbeitern an, die noch zu den 2.500 dieses Jahr bereits Entlassenen hinzukommen. Weitere zehntausend Entlassungen könnten in den kommenden Monaten noch folgen, wie das Wall Street Journal meldet.

Die Aktien von Citigroup sind unter 28 Dollar gefallen. Das ist der Tiefstwert, den die Bank erreicht hatte, als sie im Januar 2009 ihre größten Darlehen von der Fed bekam.

Die geheimen Darlehen der Fed zeigen, welche korrupten Beziehungen in der Finanzbranche herrschen, und welche Kuhhändel mit Regulierungsbehörden und Ratingagenturen getätigt werden. Im April veröffentlichte der Permanente Untersuchungsausschuss des Senates einen Bericht darüber, wie der Crash vom September 2008 systemischen Betrug und kriminelle Machenschaften erst richtig hat aufblühen lassen.

Der Ausschussvorsitzende, Senator Carl Levin, ein Demokrat aus Michigan, sagte auf einer Pressekonferenz, der Senatsbericht enthülle, "(...) wie Finanzkonzerne vorsätzlich ihre Klienten und Investoren ausgenutzt haben, wie Kreditratingagenturen hochriskanten Papieren Bestnoten verliehen haben, und wie die Regulierungsbehörden untätig daneben saßen, anstatt die unsicheren und unvernünftigen Praktiken zu unterbinden. Von den ungezügelten Interessenkonflikten, die sich in jedem Kapitel dieser düsteren Geschichte zeigen, geht eine große Bedrohung aus."

In diesem Senatsbericht wird detailliert dokumentiert, wie Goldman Sachs und die Deutsche Bank hypothekenbasierte Papiere an Investoren verkauft und dabei falsche Angaben gemacht haben, und wie sie gleichzeitig auf den Ausfall dieser Papiere gewettet haben.

Der Bericht war allerdings schon am Tag seiner Veröffentlichung ein "totgeborenes Kind". Kein einziges Ausschussmitglied, auch Levin nicht, forderten eine strafrechtliche Untersuchung der illegalen Vorgänge, die in dem Dokument aufgelistet werden.

Stattdessen hat die Börsenaufsichtsbehörde SEC zivile Betrugsklagen gegen Goldman Sachs und die Hypothekenbank Countrywide Financial außergerichtlich geklärt. Damit hat sie verhindert, dass es zum Prozess in der Öffentlichkeit kommt, der die korrupten Geschäfte der Finanzkonzerne und Regierungsabsprachen ans Licht gezerrt hätte.

Die Regierung deckt die Banken auch weiterhin. Am Montag, einen Tag nach Veröffentlichung des Artikels, meldete die New York Times, die Obama-Regierung versuche, Ermittlungen des Staates New York zu stoppen, welche die schmutzigen Geschäfte der Banken mit Hypothekenpapieren hätten untersuchen können. In dem Artikel hieß es, dass Regierungsvertreter den Justizminister des Staates New York, Eric Schneidermann, drängten, seinen Widerstand gegen eine außergerichtliche Einigung mit der Wall Street aufzugeben. Durch diese Einigung sollte verhindert werden, dass die Regierung von New York gegen die Wall Street Banken ermitteln könnte.

Davor hatte bereits ein Whistleblower der SEC enthüllt, dass diese Behörde Tausende von Dokumenten vernichtet hatte, die bei Ermittlungen über die Praktiken der großen Wall Street-Unternehmen angefallen waren.

Diese Fakten zeigen, dass dies weder eine vorübergehende Krise, noch eine Ausnahmesituation ist. Das Versagen des kapitalistischen Systems zeigt sich ganz offen. Die Kriminalität und Habgier seiner Banker, Unternehmer und Politiker bringt die Verkommenheit des gesamten Systems zum Ausdruck. Der einzige Ausweg für die Arbeiterklasse ist der Kampf für den Sozialismus.


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Quelle:
World Socialist Web Site, 24.08.2011
US-Zentralbank hat Großbanken heimlich Billionen Dollar geliehen
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veröffentlicht im Schattenblick zum 25. August 2011