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GLEICHHEIT/3845: Griechenland wird gefleddert


World Socialist Web Site
Herausgegeben vom Internationalen Komitee der Vierten Internationale

Griechenland wird gefleddert

Von Barry Grey
21. September 2011


Die Europäische Union, die Europäische Zentralbank und der Internationale Währungsfond, die Interessenvertreter der internationalen Bankenwelt in Griechenland, fordern von der griechischen Arbeiterklasse weitere Sparmaßnahmen. Dies ist die Vorbedingung für die Zahlung der nächsten Tranche aus dem Bailout-Fond, und ohne dieses Geld ist Griechenland im nächsten Monat bankrott.

Am Freitag und Samstag trafen sich die europäischen Finanzminister in Polen. Sie lehnten die Auszahlung weiterer acht Milliarden Euro an Griechenland ab, da das Land sein Defizit nicht in dem geforderten Maß gesenkt habe. Griechenlands Wirtschaft befindet sich aufgrund der bisher durchgesetzten Massenentlassungen und Sozialkürzungen jetzt schon im Zusammenbruch.

Bei einer Geschäftskonferenz in Athen diktierte Bob Traa, der Vertreter des IWF in Griechenland, die Bedingungen. Seit 2008 hat sich die offizielle Arbeitslosenquote von acht auf sechzehn Prozent verdoppelt; die tatsächliche Zahl liegt bei fast dreißig Prozent. Dennoch forderte Traa weiteren drastischen Stellenabbau und Lohnsenkungen im öffentlichen Dienst, die Schließung von staatlichen Behörden und die sofortige Privatisierung von Staatsbetrieben.

Er beklagte, der griechische Staatsapparat sei "sehr" groß, und seine Beschneidung werde "zweifellos die Schließung ineffizienter Behörden, Entlassungen und Kürzungen der hohen Gehälter erfordern..."

Im selben Atemzug, in dem er die griechische Arbeiterklasse zur Armut verdammte, schürte er bei den Bankern und Großinvestoren die Erwartung auf gigantische Gewinne durch den Notverkauf von griechischem Staatsbesitz. "In Griechenland kann man viel Geld machen. (...) Das Privatisierungsprogramm ist nicht nur eine Strukturreform, sondern auch eine Möglichkeit, ausländische Direktinvestitionen ins Land zu holen, und damit Liquidität und Kapital."

Er ermahnte Griechenland, Staatsbetriebe rasch an Privatfirmen zu verkaufen, wenn es nicht zum Staatsbankrott kommen solle.

Die Banker und Spekulanten der Welt haben durch halbkriminelle Geschäftspraktiken die Krise verursacht, sich dann mit Steuergeldern retten lassen und die Staatskassen ausgeplündert. Wie ein Rudel Wölfe, das sich auf seine Beute stürzt, gehen sie jetzt daran, Griechenland unter sich aufzuteilen. Die Zerstörung einer kompletten Zivilgesellschaft dient ihnen zur privaten Bereicherung.

Die sozialdemokratische PASOK-Regierung fügt sich den neuen Forderungen der "Troika" aus EU, EZB und IWF, die den Bailout-Fond verwaltet. Premierminister Georgios Papandreou brach seinen Staatsbesuch in die USA ab und rief am Sonntag das Kabinett zu einer Katastrophensitzung zusammen. Danach kündigte Finanzminister Evangelos Venizelos weitere Kürzungen an. Er erklärte: "Alle wollen einen kleineren Staat."

Laut Pressemeldungen fordert die Troika unter anderem Folgendes:

• Die Streichung von weiteren zwanzigtausend Arbeitsplätzen bis 2015. Damit werden insgesamt hunderttausend Stellen gestrichen.

• Alle Einstellungen im öffentlichen Dienst in den Jahren 2010 und 2011 sollen mit sofortiger Wirkung rückgängig gemacht werden. Dies wird weitere 25.000 Arbeiter betreffen.

• Renten- und Lohnkürzungen für die Angestellten der staatlichen Versorgungsunternehmen, Rentenkürzungen bei Matrosen und Angestellten des staatlichen Telekommunikationsunternehmens, Nullrunden bei allen staatlichen Renten bis 2015.

• Die Schließung oder Zusammenlegung von 65 staatlichen Organen soll beschleunigt werden.

• Erhöhung der Verbrauchssteuer auf Heizöl.

• Steuererhöhungen für Tabakwaren, Alkohol und Luxusgüter.

Zwischen den USA und Europa, sowie zwischen den europäischen Staaten nehmen die Streitigkeiten zu, ob der Bailout fortgesetzt werden soll, oder ob man Griechenland bankrott gehen und aus dem Euro austreten lassen soll. Ersteres würde bedeuten, dass die Kosten der Banken auch weiterhin mit Steuergeldern gedeckt werden. Letzteres würde zu einer sozialen Katastrophe in Griechenland führen, und möglicherweise zu einer neuen Finanzkrise, die noch weitaus größer wäre als die jetzige. Vor drei Jahren löste der Börsenkrach an der Wall Street die aktuelle Krise aus, die bereits zu einer ganzen Reihe von Staatsbankrotten und Bankeninsolvenzen geführt hat.

Beide Möglichkeiten führen allerdings zur Verarmung der Arbeiterklasse und zur Abschaffung all ihrer sozialen Errungenschaften.

Der internationalen Bourgeoisie ist vollkommen bewusst, welche Auswirkungen die Krise hat, und welche Maßnahmen erforderlich sind, um die Arbeiterklasse dafür zur Kasse zu bitten. Am Montag zitierte die BBC den Vorsitzenden der Athener Handelskammer, Konstantin Michalos: "Wenn wir eine Arbeitslosenquote von zwanzig Prozent erreichen, besteht die Gefahr, dass sich die sozialen Spannungen entladen werden."

Daraus werden politische Schlüsse gezogen und Vorkehrungen getroffen. Am Montag erschien in der Onlineausgabe des Wall Street Journal ein Blogeintrag mit der Überschrift: "Griechenland darf die Rolle des Militärs nicht unterschätzen."

Der Text beginnt so: "Politische Instabilität und Rebellion haben sich über die ganze nordafrikanische Mittelmeerküste und bis nach Syrien ausgebreitet; warum sollte das nicht weitergehen? Warum nicht auch bis nach Griechenland? Man sollte sich daran erinnern, dass die griechischen Generäle 1967 einen Staatsstreich inszenierten und das Land als Junta regierten. Die Demokratie wurde erst 1975 wiederhergestellt. So lange ist das gar nicht her."

Weiter heißt es da: "Das Militär ist in Griechenland immer noch eine sehr starke Kraft. Griechenland gibt einen größeren Prozentsatz seines Bruttoinlandsproduktes für das Militär aus als alle anderen EU-Länder, nämlich 3,2 Prozent. Der Durchschnitt in der EU liegt laut dem Stockholm International Peace Research Institute bei 1,6 Prozent.

Ohne eine weitere Geldspritze von EU, EZB und IWF rückt der griechische Staatsbankrott jeden Tag näher. Wenn Bürokraten nicht bezahlt werden, legen sie die Arbeit nieder und streiken. Aber was passiert, wenn das Militär nicht bezahlt wird?"

Der Autor erwähnt auch einen Bericht der CIA, der im letzten Juni veröffentlicht wurde. Laut diesem sei ein Staatsstreich in Griechenland möglich. Er schließt mit den Worten: "Ist ein Militärputsch in Griechenland wahrscheinlich? Vielleicht nicht. Aber die Möglichkeit darf nicht ausgeschlossen werden."

Die Arbeiterklasse muss das als Warnung verstehen, - und nicht nur die griechische. Auf der ganzen Welt führt die Bourgeoisie einen brutalen Klassenkrieg, um sich vor der schwersten Krise des Kapitalismus seit den 1930er Jahren zu retten. Wie damals, so ist auch heute das letzte Mittel der herrschenden Klasse gegen den Widerstand der arbeitenden Massen Diktatur und Krieg.

Die Arbeiterklasse hat nur einen Ausweg. Sie muss ihre immense Kraft für einen revolutionären Kampf gegen den Kapitalismus und für weltweiten Sozialismus nutzen. Dies erfordert den Bruch mit der bürgerlichen Politik und dem Würgegriff der Gewerkschaften, die als Polizeitruppe der herrschenden Klasse unter den Arbeitern agiert. Neue Massenkampforganisationen müssen aufgebaut werden. Das Internationale Komitee der Vierten Internationale muss zur revolutionären Führung aufgebaut werden, um die Arbeiter auf die zukünftigen Kämpfe vorzubereiten und ihnen ein sozialistisches und internationalistisches Programm an die Hand zu geben.


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Quelle:
World Socialist Web Site, 21.09.2011
Griechenland wird gefleddert
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veröffentlicht im Schattenblick zum 22. September 2011