Schattenblick →INFOPOOL →MEDIEN → ALTERNATIV-PRESSE

GLEICHHEIT/3911: Die Gewerkschaft UAW und die "Wiedergeburt" der amerikanischen Autoindustrie


World Socialist Web Site
Herausgegeben vom Internationalen Komitee der Vierten Internationale

Die Gewerkschaft UAW und die "Wiedergeburt" der amerikanischen Autoindustrie

von Jerry White
29. Oktober 2011


Der neue Tarifvertrag, den die Gewerkschaft United Auto Workers (UAW) mit General Motors, Ford und Chrysler abgeschlossen hat, und der für vier Jahre gültig sein wird, ist ein schwerer Schlag für die amerikanischen Autoarbeiter und wird auf der ganzen Welt zu Verschlechterungen bei Löhnen und Arbeitsbedingungen der Autoarbeiter führen.

Von der Wall Street wurden die Vereinbarungen gelobt, weil die Arbeitskosten so geringfügig ansteigen wie zuletzt im Jahr 1970. "Das ist die Wiedergeburt dieser Industrie," sagte Analyst Michael Robinet von IHS Global Insight der Zeitung Detroit News und begrüßte den "neuen Fokus" der Konzernleitungen und der United Auto Workers auf "Netto-Rentabilität anstatt, wie zuvor, auf die Erhaltung der Arbeitsplätze um jeden Preis."

Die Tarifverträge sind ein neuer Meilenstein in den Bestrebungen, die Wirtschaftskrise zu nutzen, um die Löhne der Arbeiter im ganzen Land zu senken. Diese Bestrebungen werden von der Obama-Regierung angeführt. Seit sie im Jahr 2009 die Autoindustrie zwangssaniert hat, hat die Regierung eng mit den Unternehmen und der UAW zusammengearbeitet, um durch die Verarmung der Autoarbeiter die Unternehmen wieder profitabel zu machen. Diese Entwicklung soll auf die Arbeiter im ganzen Land übertragen werden.

Sowohl der Inhalt des Tarifvertrages als auch die Art, wie er durchgesetzt wurde, zeigen, dass die UAW und die anderen offiziellen Gewerkschaften keine Arbeiterorganisationen sind, sondern korporatistische Syndikate.

Finanzanalysten lobten die UAW dafür, dass sie "Frieden geschlossen hat" und erkannt habe, dass garantierte Lohnerhöhungen und Verbesserungen der Lebensbedingungen der Vergangenheit angehören. Die UAW stimmte zu, dass Arbeiter nur dann einmalige Prämien erhalten sollen, wenn das Unternehmen Gewinn macht und die Arbeiter ihre Ziele bei Produktion und Qualität erfüllen.

Am Mittwochabend sagte UAW-Präsident Bob King im öffentlich-rechtlichen Fernsehen: "Unsere Ansichten haben sich geändert, wir verstehen, dass unsere Mitglieder am meisten vom langfristigen Erfolg dieser Firmen abhängig sind." King fuhr fort, die Autoindustrie sei das beste Beispiel dafür, dass "Unternehmen, Arbeiter und die Regierung zusammenarbeiten. Statt zu polarisieren und polarisierende Standpunkte einzunehmen, haben wir uns zusammen an den Verhandlungstisch gesetzt."

King ist der Sohn eines Personalvorstands bei Ford. An ihm zeigt sich die Wandlung der UAW in ein offenes Werkzeug der Konzernleitung und der Regierung. King und die Seinen setzen sich für den "langfristigen Erfolg" der Unternehmen ein und haben sie deshalb in den letzten fünf Jahren bei der Streichung von 150.000 Stellen und der Abschaffung von Errungenschaften unterstützt, die von Generationen von Autoarbeitern erkämpft wurden.

Um ihre hohen Gehälter und Spesenkonten zu schützen haben die UAW-Funktionäre die Konzernleitungen bei der Senkung von Löhnen unterstützt. In dem Fernsehinterview lobte King die Autokonzerne dafür, ihre Produktionen teilweise aus Mexiko, China und anderen Niedriglohnländern zurück nach Amerika verlagert zu haben. "Ohne die UAW wären viele dieser Investitionen in die ganze Welt gegangen, aber nicht in die Vereinigten Staaten von Amerika.

Für die zwanzigtausend neuen Arbeitsplätze, die angeblich in den nächsten vier Jahren entstehen sollen, werden allesamt Billiglöhne gezahlt werden, denen die UAW zugestimmt hat. In der Zwischenzeit werden die Niedriglohnarbeiter der UAW auch weiterhin jedes Jahr zehn Millionen Dollar durch Mitgliedsbeiträge einbringen.

Um die neuen Tarifverträge gegen den Widerstand der Arbeiter durchzusetzen, musste die UAW zu besonders drastischen und undemokratischen Maßnahmen greifen.

UAW-Funktionäre stellten "Nein"-Stimmen als irrationale und emotionale Reaktionen dar und sagten den Arbeitern, sie könnten in der gegenwärtigen Wirtschaftslage nichts Besseres herausholen. Nachdem der Vertrag an mehreren Ford-Standorten abgelehnt wurde, sagten UAW-Funktionäre, eine Ablehnung würde zum Streik führen, und Ford werde die Arbeiter durch Streikbrecher ersetzen.

Bei Chrysler und GM berief sich die UAW auf das Streikverbotsabkommen, das sie im Jahr 2009 mit den Konzernen und der Obama-Regierung abgeschlossen hatte, um die Arbeiter zu bedrohen: Wenn sie gegen den Tarifvertrag stimmen, werde ein Vermittler einen noch schlechteren Tarifvertrag durchsetzen.

Wo solche Einschüchterungsmethoden keine Wirkung zeigten, reagierte die UAW mit dubiosen Auszählungsverfahren oder überging einfach den Willen der Arbeiter. Das fand darin seinen Höhepunkt, dass der internationale Vorstand der UAW die Ablehnung der Facharbeiter bei Chrysler einfach ignorierte und den Vertrag durchsetzte.

Die jüngsten Erfahrungen, und die Verrätereien der letzten drei Jahrzehnte zeigen, dass es den Arbeitern nicht möglich ist, sich mittels der UAW zu verteidigen. Sie widerlegen auch die "Dissidenten" und pseudolinken Organisationen wie die Autoworker Caravan, die Soldiers of Solidarity oder Labor Notes, die behaupten, die UAW könne reformiert und zum Kampf für die Interessen der Arbeiter gezwungen werden. Die UAW kann genauso wenig reformiert werden wie die faschistischen Arbeitersyndikate, die Mussolini und Hitler in den 1920er bzw. 1930er Jahren gründeten.

Es geht nicht einfach nur um die persönliche Verkommenheit der amerikanischen Arbeiterbürokratie. In allen Ländern unterstützen die Gewerkschaften Sparmaßnahmen und Angriffe auf die Arbeiterklasse. Der Grund dafür ist die pro-kapitalistische und nationalistische Orientierung der Gewerkschaften, die Investitionen anziehen wollen, indem sie mit Arbeitgebern und wirtschaftsfreundlichen Regierungen kollaborieren und versuchen, die Arbeitskosten soweit zu senken, dass sie mit Niedriglohnländern konkurrieren können.

Die Socialist Equality Party führt den Kampf für die unabhängige wirtschaftliche und politische Organisierung der Arbeiterklasse an. Wir rufen alle Autoarbeiter auf, mit der UAW zu brechen und Basiskomitees zu bilden, um für sichere und gutbezahlte Arbeitsplätze für alle Arbeiter zu kämpfen. Der "kauft amerikanisch"-Nationalismus der UAW muss abgelehnt werden, und die Arbeiter müssen über nationale Grenzen hinweg vereint werden, um sich gegen den Unterbietungswettbewerb bei Löhnen und Sozialleistungen zu wehren.

Die Handlungen der UAW hängen mit ihrer Verteidigung des Profitprinzips zusammen. Die grundlegenden Bedürfnisse und Rechte der Arbeiterklasse sind jedoch unvereinbar mit einem Gesellschaftssystem, das den Profit und den Reichtum einer winzigen Wirtschafts- und Finanzelite sichert.

Die Verteidigung der Interessen der Autoarbeiter und der Interessen der Arbeiterklasse als Ganzer erfordert einen politischen Kampf der Arbeiterklasse. Sie muss mit den Demokraten und Republikanern brechen, für eine Arbeiterregierung und für die sozialistische Umwandlung der Wirtschaft kämpfen. Dazu gehört die Verstaatlichung der Banken und wichtigsten Industrien, wie der Autoindustrie, die unter die demokratische Kontrolle der Arbeiterklasse gestellt und in öffentliches Eigentum überführt werden müssen.

Die Abstimmungen bei den "Großen Drei" finden vor dem Hintergrund wachsenden Klassenwiderstandes in den USA und weltweit statt. Die Wall-Street-Proteste, der Generalstreik der griechischen Arbeiter und die immer militanteren Kämpfe der Autoarbeiter von China und Indien bis hin zu Frankreich und Australien sind allesamt Vorboten für eine Periode sozialer Unruhen.

Ob diese Bewegungen Erfolg haben, hängt vom Aufbau einer neuen politischen Führung in der Arbeiterklasse ab. Wir rufen Autoarbeiter, und alle Arbeiter in den USA und der Welt auf, das Programm der Socialist Equality Party zu studieren und den Kampf für den Sozialismus aufzunehmen.


*


Bitte senden Sie Ihren Kommentar an: wsws@gleichheit.de!.

Copyright 1998-2011 World Socialist Web Site - Alle Rechte vorbehalten


*


Quelle:
World Socialist Web Site, 29.10.2011
Die Gewerkschaft UAW und die "Wiedergeburt" der amerikanischen Autoindustrie
http://www.wsws.org/de/2011/okt2011/uaw-o29.shtml
Deutschland: Partei für Soziale Gleichheit
Postfach 040144, 10061 Berlin
Tel.: (030) 30 87 24 40, Fax: (030) 30 87 26 20
E-Mail: info@gleichheit.de
Internet: www.wsws.org


veröffentlicht im Schattenblick zum 1. November 2011