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GLEICHHEIT/4209: Griechenland - SYRIZA wird für Sparmaßnahmen gebraucht


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Herausgegeben vom Internationalen Komitee der Vierten Internationale

Griechenland: SYRIZA wird für Sparmaßnahmen gebraucht

Von Christoph Dreier
15.‍ ‍Mai 2012



In Griechenland werden Neuwahlen immer wahrscheinlicher. Nachdem die konservative Nea Dimokratia (ND) und die kleine Demokratische Linke (DIMAR) eine gemeinsame Koalition mit der sozialdemokratischen PASOK von einer Teilnahme der Koalition der Radikalen Linken (SYRIZA) abhängig gemacht haben, erklärte diese, dass sie zu einem solchen Bündnis nicht bereit sei.

In der letzten Woche waren sowohl der Vorsitzende der ND als stärkster Fraktion, als auch die nächstplatzierten SYRIZA und PASOK mit der Bildung von Regierungsmehrheiten gescheitert. Am Wochenende hatte sich der Präsident Karolos Papoulias dann zunächst mit den Vorsitzenden von PASOK, ND und SYRIZA und später einzeln mit den Vertretern der übrigen Parteien getroffen.

Nach den Treffen erklärte der Vorsitzende SYRIZAS, Alexis Tsipras, erneut, dass er unter den gegebenen Bedingungen zu keiner Koalition mit den beiden bisherigen Regierungsparteien ND und PASOK bereit sei, die in Griechenland das Spardiktat der EU umgesetzt haben.

Tsipras erklärte, eine Koalition mit den beiden Parteien würde bedeuten, den Willen der Wähler zu missachten, die mit einer überwältigenden Mehrheit Parteien gewählt haben, die sich gegen den Regierungskurs aussprachen. "Sie bitten SYRIZA nicht nur um Unterstützung, sondern bitten darum, dass wir Komplizen ihrer Verbrechen werden. Und das machen wir nicht", sagte er nach den Verhandlungen.

ND, PASOK und DIMAR hätten zusammen eine satte Mehrheit von 168 Sitzen, betonte Tsipras. "Sie können fortfahren, wenn sie wollen. Ihre Forderungen an SYRIZA, sich daran zu beteiligen, sind unüblich und unlogisch." Außerdem forderte er Papoulias auf, die Aufnahmen der Verhandlungen zu veröffentlichen, damit sich jeder selbst ein Bild machen könne.

Der Vorsitzende der DIMAR, Fotis Kouvelis, erklärte daraufhin, seine Partei sei nach wie vor nicht bereit, eine Koalition zu unterstützen, solange SYRIZA sich nicht daran beteilige. "Eine Regierung ohne SYRIZA hätte nicht den nötigen öffentlichen und parlamentarischen Rückhalt", sagte er.

Ähnlich hatte sich schon vergangene Woche der Chef der Konservativen, Antonis Samaras, ausgedrückt. Nach den Verhandlungen beschwerte er sich darüber, dass Tsipras sich nicht an einer Regierung beteiligte. "Ehrlich gesagt weiß ich nicht, wohin sie damit wollen", fügte er hinzu.

Der Präsident hat für Montagabend noch einmal die Führer der vier Parteien zusammengerufen, um ein letztes Mal über eine mögliche Koalition zu verhandeln. Tsipras erklärte daraufhin, er werde sich nur an solchen Gesprächen beteiligen, wenn auch die Rechtspopulisten und die Kommunistische Partei (KKE) daran teilnehmen könnten.

Augenscheinlich sind die herrschenden Eliten in Griechenland und der EU der Überzeugung, dass sie die wachsende Opposition der Bevölkerung gegen die Kürzungen am besten Mithilfe SYRIZAs in den Griff bekommen können, die bei den Wahlen mit 16,8 Prozent zweitstärkste Kraft geworden ist und sich im Wahlkampf deutlich gegen die Sparpolitik ausgesprochen hat.

Das Wahlergebnis spiegelt insgesamt die Ablehnung des EU-Spardiktats durch breite Bevölkerungsschichten wider. Nur noch ein gutes Fünftel der Wahlberechtigten stimmte für eine der beiden Regierungsparteien, die das Land seit dem Ende der Militärdiktatur 1974 dominiert und in den letzten Monaten gemeinsam die Regierung gestellt hatten. Dass sie nun trotzdem beinahe über eine gemeinsame Mehrheit verfügen, hängt mit dem undemokratischen Wahlsystem Griechenlands zusammen, das dem Erstplatzierten 50 zusätzliche Sitze garantiert.

Vertreter der EU haben derweil deutlich gemacht, dass sie nicht bereit sind, in irgendeiner Weise von den Sparvorgaben abzurücken, die bereits jetzt zu Massenarbeitslosigkeit und Armut geführt haben. Es mehren sich sogar die Stimmen, die Griechenland aus der Eurozone ausschließen wollen, was unmittelbar zu Hyperinflation und Massenelend führen würde.

In dieser zugespitzten Situation suchen die europäischen und griechischen Eliten nach Wegen, den Widerstand der Bevölkerung und insbesondere der Arbeiter unter Kontrolle zu halten. Eine Regierungsbeteiligung SYRIZAs könnte die anstehenden Kürzungen mit einigen kosmetischen Änderungen viel eher durchsetzen, als eine Regierung, die sich ausschließlich auf PASOK, ND und DIMAR stützt.

SYRIZA hat schon ihre Bereitschaft signalisiert, sich an einer Regierung zu beteiligen, die das EU-Diktat umsetzt. Bereits im Wahlkampf hatte sie erklärt, sie wolle die Eurozone unter keinen Umständen verlassen, sondern lediglich die Kürzungsvorgaben und Schuldentilgung neu verhandeln. Angesichts der kompromisslosen Haltung der EU ist das nur eine andere Formulierung für die Durchsetzung der Einsparungen.

In der vergangenen Woche war es dann SYRIZA, die Gespräche mit ND und PASOK über eine Regierungskoalition aufnahm, nachdem Samaras sein Verhandlungsmandat nach wenigen Stunden abgegeben hatte. Tsipras sprach sogar mit den extrem nationalistischen Rechtspopulisten von den Unabhängigen Griechen über eine mögliche Regierungsbeteiligung.

Erst als Umfragen veröffentlicht wurden, die SYRIZA bei Neuwahlen die Mehrheit und damit alle Möglichkeiten der Koalitionsbildung voraussagten, wurde ihr Kurs klarer. Tsipras erklärte nun, dass er nicht mit den beiden Regierungsparteien zusammenarbeiten werde und stattdessen für eine Koalition der Kürzungsgegner einstehe.

Oberstes Ziel einer solchen Koalition wäre die Erhaltung der EU, des Euro und des europäischen Kapitalismus. Sie würde mit der EU bestenfalls über einige kosmetische Korrekturen verhandeln, um ihr Diktat dann - getarnt mit linker Rhetorik und unter Nutzung ihrer Verbindungen zu den Gewerkschaften - gegen den Widerstand der Arbeiter durchzusetzen.

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Quelle:
World Socialist Web Site, 15.05.2012
Griechenland: SYRIZA wird für Sparmaßnahmen gebraucht
http://www.wsws.org/de/2012/mai2012/syri-m15.shtml
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veröffentlicht im Schattenblick zum 16. Mai 2012