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GLEICHHEIT/4245: Die Akzeptanz der Monarchie - Das Jubiläum und der Konformismus


World Socialist Web Site
Herausgegeben vom Internationalen Komitee der Vierten Internationale

Die Akzeptanz der Monarchie:
Das Jubiläum und der Konformismus

Von Paul Bond und Julie Hyland
8. Juni 2012



In Zeiten wirtschaftlicher und sozialer Krisen greift die herrschende Klasse Großbritanniens auf die Monarchie als Symbol nationaler Einheit zurück. Die Feierlichkeiten zum diamantenen Jubiläum von Elizabeth Windsor zeigen, wie schon die königliche Hochzeit im letzten Jahr, wie angepasst viele führende kulturelle Persönlichkeiten heute sind.

Das Publikum, das die königliche Flotte auf der Themse beobachtete, war in noch größerer Zahl als bei der Hochzeit im letzten Jahr erschienen. Dennoch kann man kaum von landesweitem Enthusiasmus sprechen. Obwohl die Presse versucht, das Land als von patriotischem Fieber gepackt darzustellen, fällt es schwer, Beweise dafür zu finden. Es gab relativ wenige Straßenfeste, die meisten davon in besseren Wohngebieten. Viele Menschen scheinen den erzwungenen zusätzlichen Feiertag lieber ausgenutzt zu haben, um Ausflüge zu machen. Sie werden dabei finanzielle Einbußen erleiden, denn für diesen Tag wird kein Lohn gezahlt.

Zur Zeit des silbernen Jubiläums im Jahr 1977 war der antimonarchistische Song, "God Save the Queen" von den Sex Pistols, auf dem ersten Platz in den Charts, obwohl BBC ihn verboten hatte. Wenn überhaupt, ist die Antipathie gegenüber der königlichen Familie heute noch weiter verbreitet. Aber angesichts des diamantenen Jubiläums zeigte sich kein künstlerischer Widerstand in irgendeiner Form.

Besonders aufschlussreich in dieser Hinsicht war die Kunstgala an der Royal Academy. Neben Persönlichkeiten, die schon lange mit dem politischen Establishment verbunden sind - Tom Stoppard, Ronald Harwood - erschienen auch viele, die früher den Eindruck vermittelten, gegen das Establishment zu sein. Einige, wie der Schauspieler Robert Lindsay, sind eng mit der Labour Party verbunden, andere, wie die Künstlerin Tracey Emin und die Designerin Vivienne Westwood, haben ihren Platz in den höchsten Rängen der Gesellschaft, die sie früher angeblich bekämpften, eingenommen.

Anwesend waren auch Künstler, die gelegentlich eine gewisse Sozialkritik ausdrücken. Potter Grayson Perry beispielsweise, hat durch sein Werk begrenzte Einblicke in die sozialen Bedingungen in Zeiten politischer Krise gegeben, und der Filmregisseur Mike Leigh beschreibt seine Filme bisher als "subversiv" und behauptet, sie zeigten "die Dinge, wie sie sind".

Der Autor David Hare, der noch vor drei Jahren, während der Bankenkrise von 2008, ein Stück mit dem Titel "Wie der Kapitalismus zum Stillstand kommt" geschrieben hatte, war nicht in der Royal Academy. Aber in einem Artikel im Guardian lobte er die Monarchie als eine der drei tragenden britischen Säulen. Er schreibt: "Wir sind dankbar, dass es eine britische Bürgerin gibt, die nicht der Gnade der Marktkräfte und der schamlosen Bereicherung ausgeliefert ist, auch nicht einer Regierung ohne Philosophie oder intellektuelle Ausrüstung, der der Wille fehlt, diese Marktkräfte zu kontrollieren."

Solche Kommentare zeigen, wie dünn und zurückhaltend die oppositionelle Haltung ist, die viele führende Künstler einnehmen. Hare erklärte seine Besinnung auf die Vorzüge der Monarchie in Begriffen politischer Verzweiflung, er spricht vom "verbliebenen Idealismus, der noch auf den Schultern der Queen ruht", der aber "weiß Gott, wenig andere Plätze hat".

Westwood, die nur drei Monate vor ihrem Auftritt gegen Steuerhinterziehung bei Occupy London im vergangenen Jahr noch 350.000 Pfund Steuern hatte nachzahlen müssen, drückte es direkter aus. "Früher dachte ich, die Queen repräsentiert die ganze politische Heuchelei Englands", erklärte sie, aber dann habe sie begriffen, dass "die königliche Familie über der Politik steht. Ich denke, sie ist ein Fundament der Gesellschaft, und [die Queen] leistet großartige Arbeit".

Mit anderen Worten, egal wie kritisch sie sich äußert, wenn es hart auf hart kommt, steht sie zu Königin und Vaterland. Diese unterwürfige Reaktion auf das Jubiläum kann nicht mit persönlicher Feigheit oder Mängeln erklärt werden, sie spricht für ein allgemeines Phänomen.

Für viele Briten wird die gesellschaftliche Realität von brutalen Sparmaßnahmen bestimmt, die sie in die schlimmste wirtschaftliche Lage seit den 1930ern gebracht hat. Steigende Arbeitslosigkeit, wirtschaftliche Unsicherheit und Armut breiten sich weltweit aus. Nicht wenige Kommentatoren ziehen Parallelen zwischen der Periode des Zusammenbruchs des kapitalistischen Profitsystems in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts und heute.

Aber bei den räuberischen Forderungen der Finanzoligarchie ist kein Ende in Sicht. Sie besteht auf weitere Rettungsaktionen für die Banken und sich selbst, während der arbeitenden Bevölkerung immer weitere Opfer abverlangt werden.

Die herrschende Elite hat klargestellt, dass sie das königliche Jubiläum nutzen wird, um die allgemeine Unzufriedenheit über diese Lage zu ersticken. Premierminister David Cameron sagte: "Ich denke, als Land verstehen wir, dass wir in wirtschaftlich schwierigen Zeiten stecken. Aber ich glaube nicht, dass es der Bevölkerung schwer fällt, zu begreifen, dass das sechzigjährige Jubiläum Ihrer Majestät in diesen Zeiten etwas Großartiges ist."

In einem Leitartikel der Financial Times war zu lesen: "Als die Queen gekrönt wurde, war Großbritannien im Griff der Sparmaßnahmen. Der Anlass war eine willkommene Abwechslung vom alltäglichen Elend. Heute herrschen wieder schwere Zeiten in Großbritannien. Dieses Wochenende ist eine weitere Chance, dem Alltag zu entkommen, aber auch, eine Monarchin zu feiern, die Großbritannien auf einem geraden Kurs gehalten hat."

Für viele Vertreter des britischen künstlerischen Establishments herrschen natürlich keine "schweren Zeiten", und sie sind ihnen auch egal. Hare merkt zumindest an, dass die Festlichkeiten mit "der schlimmsten Wirtschaftskrise seit achtzig Jahren zusammenfallen. Schuld daran war, das sollten wir nicht vergessen, das Versagen der politischen Klasse, dem Land auch nur den kleinsten Schutz vor den zerstörerischen Machenschaften der City of London zu bieten."

Er erklärt weiter: "Seit dem Irakkrieg hat kein Ereignis den Menschen so sehr das Gefühl der Machtlosigkeit vermittelt." Hares Bemerkungen deuten auf das zentrale politische Merkmal der derzeitigen Lage. Es war die Labour-Regierung von Tony Blair, die den amerikanischen Präventivschlag gegen den Irak trotz massivem Widerstand der Bevölkerung unterstützte. Darin zeigt sich auf groteske Weise die völlige Verkommenheit der heutigen "Arbeiterbewegung".

In Großbritannien und anderen europäischen Ländern waren es die sozialdemokratischen Parteien, die nach dem Finanzzusammenbruch von 2008 eine massive Umverteilung zu den Superreichen organisierten und eine rigorose Sparpolitik durchsetzten, während die Gewerkschaften sich darauf konzentrierten, den Widerstand gegen diese Maßnahmen einzugrenzen und zu sabotieren.

Eine ähnliche Entwicklung haben die pseudolinken Organisationen durchgemacht, die 2003 die Antikriegsproteste anführten. Sie sind zu Unterstützern von Militärinterventionen in Libyen, Syrien und anderen Ländern geworden, die den imperialistischen Interessen dienen. Inzwischen treffen sich ihre Parteien, wie SYRIZA in Griechenland und die United Left Alliance in Irland, mit Vertretern der EU und des IWF, um im Rahmen ihrer Vorschläge zur Rettung des europäischen Kapitalismus kleinere "Korrekturen" an den Sparplänen zu diskutieren.

Anders, als Hare behauptet, drücken diese Verschiebungen nicht die Machtlosigkeit der Bevölkerung aus. Sie zeigen eher den gesellschaftlichen und politischen Graben, der zwischen den privilegierten Kleinbürgern und der Masse der arbeitenden Bevölkerung liegt, gleichzeitig unterstreichen sie den Bankrott der aktuellen Kritik an den bestehenden Bedingungen, denn diese ist weit davon entfernt, den revolutionären Sturz des Kapitalismus und seiner Institutionen zu fordern.

Die Lebensbedingungen sind untragbar geworden, und sie erfordern eine kompromisslose Reaktion. Gleichzeitig predigen diese Schichten Passivität, Konformismus und Versöhnung mit der herrschenden Elite und - in Großbritannien - mit der lebenden Verkörperung vererbter Privilegien, der Queen. Von der arbeitenden Bevölkerung wird also einmal mehr Ergebenheit und Unterwürfigkeit verlangt.

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Quelle:
World Socialist Web Site, 08.06.2012
Die Akzeptanz der Monarchie:
Das Jubiläum und der Konformismus
http://www.wsws.org/de/2012/jun2012/brit-j08.shtml
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veröffentlicht im Schattenblick zum 9. Juni 2012