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GLEICHHEIT/4247: Drohender Bankencrash in Spanien - Innereuropäische Spannungen nehmen zu


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Herausgegeben vom Internationalen Komitee der Vierten Internationale

Drohender Bankencrash in Spanien:
Innereuropäische Spannungen nehmen zu

Von Andre Damon
9. Juni 2012



Am 7. Juni hatten die europäischen Regierungschefs alle Hände voll zu tun, um einen Zusammenbruch des spanischen Bankensystems zu verhindern.

Die Ratingagentur Fitch hatte Spanien zuvor von A auf BBB herabgestuft. Das ist die niedrigste Stufe, die noch als investitionswürdig gilt. Fitch kündigte außerdem an, Spaniens Staatsanleihen auf Ramsch-Status herunterzustufen, falls das Land keine weiteren Gelder auftreiben sollte.

Die Financial Times meldete am Mittwoch, dass Vertreter der Europäischen Union an einem Rettungspaket für die spanischen Banken arbeiteten. In dem Bericht hieß es, eine direkte Rettungsaktion der notleidenden Banken durch die EU sei wohl ausgeschlossen, obwohl sie gefordert worden war. Stattdessen sollen die Gelder vermutlich durch die spanische Regierung oder ihren Bankenrettungsfonds kanalisiert werden.

Fitch verkündete nicht nur Spaniens Herabstufung, sondern gab auch bekannt, dass die Kosten für die Reparatur des Bankensektors zwischen 60 und 100 Milliarden Euro liegen würden. Die Financial Times meldete, ein Rettungspaket in Höhe von etwa 80 Milliarden Euro werde diskutiert.

Die Zeitung erklärte, das Rettungspaket sei nicht mit so schwerwiegenden Überwachungsmechanismen verbunden wie jenes für Griechenland und Portugal. Darin zeigt sich die Befürchtung, dass Spanien, sollte es durch die Rettungspakete genauso geschädigt werden wie Griechenland, ganz Europa mit sich in den Abgrund reißen könnte, und dass ein weiteres Rettungspaket wie das griechische zu massivem Widerstand gegen die rechte Regierung des spanischen Premierministers Mariano Rajoy und zu deren Destabilisierung führen könnte. (Das griechische Rettungspaket ist mit umfassenden Sparforderungen und einer de-facto-Entmündigung der Regierung verbunden.)

Rajoy hatte die Staaten der Eurozone aufgefordert, Spaniens Bankensystem zu stützen, da nicht sicher sei, ob Spanien das nötige Geld für das Rettungspaket in Höhe von neunzehn Milliarden Euro auftreiben könne, das die viertgrößte Bank des Landes, Bankia, letzten Monat beantragt hat.

Am Donnerstag stiegen die Aktienkurse aufgrund von Spekulationen, dass ein Rettungspaket für die spanischen Banken vorbereitet würde, und weil der Vorsitzende der Federal Reserve, Ben Bernanke, und der Präsident der Europäischen Zentralbank, Mario Draghi bestimmte Andeutungen gemacht hatten. Sie hatten gesagt, sie wollten eine weitere Verschlechterung der wirtschaftlichen Bedingungen durch eine Lockerung der Geldmarktpolitik verhindern.

In einer Rede vor dem US-Kongress sagte Bernanke am Donnerstagmorgen, die Fed sei bis zu ihrem Treffen am 19. und 20. Juli " zum Handeln bereit", und fügte hinzu: "Momentan kann ich wirklich nicht sagen, dass wir irgendetwas ausschließen."

Derweil breitet sich in Asien der Wirtschaftsabschwung aus. Die chinesische Zentralbank hat am Donnerstag zum ersten Mal seit 2008 den Leitzins gesenkt. Das Wachstum des Landes ging im ersten Quartal auf 8,1 Prozent zurück, 2010 waren es noch 10,4 Prozent. Aktuelle Daten deuten darauf hin, dass die chinesische Wirtschaft im zweiten Quartal noch langsamer wachsen wird.

Chinas Zinssenkung trug auch zu einem Wettrennen auf den asiatischen und europäischen Aktienmärkten bei. Der Index FTSE All World verzeichnete ein Wachstum von einem Prozent, was der größte Anstieg seit Dezember ist.

Am Donnerstagmorgen verkaufte das spanische Finanzministerium Staatsanleihen im Wert von 2,07 Milliarden Euro, aber zu höheren Zinssätzen als bei der letzten Ausgabe im April. Die spanische Regierung veröffentlichte vor kurzem Zahlen, laut denen das Land im ersten Quartal Kapital in Höhe von hundert Milliarden Euro verloren hat.

Weitere schlechte Konjunkturnachrichten erhöhten den Druck für eine Unterstützung der spanischen Banken. In Griechenland stieg die Arbeitslosenquote laut Meldungen des statistischen Amtes von 21,4 Prozent im Februar auf 21,9 Prozent im März. Im März 2011 lag sie noch bei 15,7 Prozent. In Frankreich erreichte die Arbeitslosenquote im ersten Quartal zehn Prozent, im vorherigen waren es noch 9,8 Prozent.

Jedes Abkommen, das die europäischen Mächte zur Unterstützung des spanischen Bankensektors abschließen, wird nur eine notdürftige Improvisation sein. Es wird grundlegende Problem genauso wenig beseitigen wie alle vorherigen Maßnahmen, und wird den Weg für den Ausbruch der nächsten Krise ebnen. Gleichzeitig wachsen die Spannungen zwischen den europäischen Großmächten.

Der britische Premierminister David Cameron reiste am Donnerstag nach Berlin, um Bundeskanzlerin Merkel zu stärkeren Maßnahmen gegen einen Zusammenbruch der EU zu drängen. Cameron forderte eine Erhöhung des EU- Rettungsfonds, Zinssenkungen und die Bündelung von Schulden der Eurozone durch Eurobonds, d.h. einen gemeinsamen Schuldenberg aller Länder, die an der Gemeinschaftswährung teilnehmen.

Stunden vor dem Besuch signalisierte Merkel ihre Unnachgiebigkeit in diesen Fragen. Sie forderte "finanzielle Integration" als Vorbedingung für eine weitere Hilfe Deutschlands. Damit meint sie, die Länder müssten Befugnisse über Staatshaushalte und politische Entscheidungen an die EU abgeben, die dann weitere Haushaltskürzungen und Angriffe auf die Arbeiterklasse durchsetzen würde.

In einem Kommentar in der Süddeutschen Zeitung wurde der Hauptinhalt der deutschen Politik klar auf den Punkt gebracht: Es geht darum, europäische Staaten dazu zu bringen, ihre Souveränität und die Kontrolle über ihre Sozialpolitik an die EU, sprich an Deutschland als stärkste Wirtschaftsmacht der EU, abzugeben. Die Zeitung schreibt: "Wenn der Euro und das in der Geschichte beispiellose Projekt eines vereinigten Europas gerettet werden soll, müssen die zwei mächtigsten Staaten ihre wertvollsten Schätze aufgeben: Deutschland sein Geld und Frankreich seine Souveränität."

Der wachsende Konflikt in den herrschenden Kreisen über die richtige Vorgehensweise in der Eurokrise macht den bürgerlichen Kommentatoren große Sorge. Ein gutes Beispiel dafür ist der Kommentar von Martin Wolf in der Financial Times vom Dienstag mit dem Titel: "Panik ist nur allzu rational geworden."

Wolf warnt: "Der Westen ist in einer unterdrückten Depression [...] ein weiterer Abschwung entwickelt sich, vor allem in der Eurozone. Derweil machen die Entscheidungsträger schwere Fehler."

Mit Blick auf den Bankrott der österreichischen Kreditanstalt im Jahr 1931, der zur Auflösung des weltweiten Finanzsystems führte, schreibt Wolf: "Wovor man jetzt Angst haben muss, ist, dass eine Serie von Banken- und Staatspleiten einen ähnlichen Zusammenbruch in der Eurozone verursachen könnte, denn sie ist am ehesten das heutige Äquivalent zum Goldstandard."

Er fügte hinzu: "Wenn sich die mit guten Kreditratings weigern, jene zu unterstützen, die unter Druck stehen, weil sie sich nicht selbst retten können, wird das System mit Sicherheit auseinanderbrechen."

Wolf zeigt, dass die herrschenden Klassen der Welt verwirrt und fast gelähmt sind. Sie sehen keinen Ausweg aus der größten Krise des Kapitalismus seit der Großen Depression. Sie sind untereinander gespalten über die Frage, wer die Kosten für die Rettung des Euro trägt, während andere Fraktionen offen die Vorzüge eines Zusammenbruchs der Eurozone durchrechnen.

Trotz dieser wachsenden Spannungen sind sich die herrschenden Klassen Europas und Amerikas darin einig, dass die Arbeiterklasse für die Krise zahlen muss.

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Quelle:
World Socialist Web Site, 09.06.2012
Drohender Bankencrash in Spanien:
Innereuropäische Spannungen nehmen zu
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veröffentlicht im Schattenblick zum 12. Juni 2012