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GLEICHHEIT/4540: Sparpolitik treibt Arbeitslosigkeit in Europa auf Rekordniveau


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Herausgegeben vom Internationalen Komitee der Vierten Internationale

Sparpolitik treibt Arbeitslosigkeit in Europa auf Rekordniveau

Von Stefan Steinberg
10. Januar 2013



Die gnadenlose Sparpolitik der europäischen Führungsschicht hat die Arbeitslosigkeit in ganz Europa auf ein Rekordniveau getrieben. Das zeigen die Zahlen, die die Statistikbehörde Eurostat am Dienstag bekanntgegeben hat.

In den siebzehn Ländern der Eurozone stieg die Arbeitslosigkeit im November auf 11,8 Prozent. 18,8 Millionen Arbeiter sind arbeitslos. Das ist die höchste Zahl seit der Einführung der Einheitswährung 1999.

Gegenüber dem Vormonat stieg die Arbeitslosigkeit in der Eurozone um 0,1 Prozent, und gegenüber dem gleichen Monat im Vorjahr um 1,2 Prozentpunkte. In den 27 Ländern der Europäischen Union steht sie bei 10,7 Prozent und hat zum ersten Mal die 26-Millionen-Marke überschritten.

Der größte Anstieg der Arbeitslosigkeit ist in den Ländern zu verzeichnen, die der Schockbehandlung des Internationalen Währungsfonds (IWF) und der Europäischen Union (EU) ausgesetzt sind. Die Arbeitslosigkeit in Griechenland ist im September auf 26 Prozent hochgeschossen, ein Anstieg von sieben Prozentpunkten gegenüber September 2011. An der Spitze der europäischen Arbeitslosenstatistik steht allerdings die viertgrößte Volkswirtschaft der Eurozone, Spanien, wo im September 26,6 Prozent der Beschäftigten als arbeitslos registriert waren.

Der Chefökonom des Britischen Direktoren-Instituts, Greame Leach kommentierte die jüngsten europäischen Statistiken mit den Worten: "Es ist klar, dass die wirtschaftliche Implosion in mehreren Mitgliedstaaten in beunruhigendem Tempo fortschreitet. (...) Die allgemeinen Zahlen sind schlimm genug, aber sie werden noch durch die politischen und menschlichen Folgen der beängstigenden Jugendarbeitslosigkeit in Spanien, Griechenland und Italien verstärkt."

Eurostat zufolge bewegen sich die Zahlen für die Jugendarbeitslosigkeit in Griechenland und Spanien im Bereich von über fünfzig Prozent und haben in Italien die Dreißig-Prozent Marke überschritten. Alle wichtigen ökonomischen Indikatoren weisen auf eine Wirtschaftslage hin, die sich in ganz Europa weiter verschlechtert und die Arbeitslosigkeit 2013 weiter in die Höhe treibt.

Die nackten Zahlen sagen nicht viel über das Leid und die Verzweiflung aus, die Dutzende Millionen Menschen in ganz Europa erfassen. Die unvermeidliche Folge von Rekordarbeitslosigkeit ist Rekordarmut in einigen der am höchsten entwickelten Länder Europas in einem Ausmaß, wie es seit den 1930er Jahren nicht mehr vorkam.

Ende letzten Jahres hat die spanische Regierung das Arbeitslosengeld drastisch gekürzt. Wie die Wohltätigkeitsorganisation Oxfam Aid in einem kürzlichen Bericht warnte, könnten diese Maßnahmen die Zahl der Menschen, welche unter die Armutsgrenze fallen, in den nächsten zehn Jahren auf achtzehn Millionen Menschen oder vierzig Prozent der Bevölkerung hochtreiben.

In Griechenland lebt heute schon nach offiziellen Schätzungen mehr als ein Drittel der Bevölkerung in Armut. Suppenküchen gehören in den großen Städten inzwischen zum täglichen Erscheinungsbild. In Teilen des Landes sind Tauschmärkte entstanden, auf denen auch Arme ohne jedes Einkommen Waren eintauschen können.

Ende Januar werden weitere Kürzungen der Einkommen von Rentnern und Beschäftigten des öffentlichen Dienstes in Kraft treten, die Teil des letzten von der Regierung in Athen beschlossenen Kürzungspakets sind. Schon bisher ist das Einkommen vieler Arbeiter um vierzig Prozent gefallen, und dadurch wird es noch weiter absinken.

Der Soziologe Aliki Mouriki vom Nationalen Zentrum für Sozialforschung warnt vor den politischen Folgen der Sparpolitik von EU und IWF: "Die Arbeitslosigkeit wird weiter wachsen, die Rezession wird schlimmer, und mehr Betriebe werden schließen. Die große Frage ist: Wer wird überleben? (...) Zorn und Verzweiflung nehmen zu. (...) Wenn die Menschen keinen Ausweg aus dieser schlimmen Lage sehen, wird es eine Explosion geben.

Die Herrschenden kalkulieren jedoch die Massenarbeitslosigkeit und verbreitete Armut bei ihren Plänen, die ein Wirtschaftskommentator als 'Perma-Austerität' bezeichnet, von vorneherein mit ein."

Ende letzten Jahres meinte Kanzlerin Angela Merkel, der Maßstab für die Löhne und Arbeitsbedingungen der europäischen Arbeiter sei die Lage in China. Eine riesige Arbeitslosenarmee wird geschaffen, die am Rande des Elends existiert, um die Löhne der noch Beschäftigten zu drücken und eine Superausbeutung durchzusetzen, wie sie in den Freihandelszonen in China existiert. Die extreme soziale Verwüstung und Armut, wie sie heute in Griechenland, Spanien und Italien herrschen, sollen nach ganz Europa exportiert werden.

Merkels eigene Regierung entwickelt Pläne für drastische Sparmaßnahmen in Deutschland, die 2014 nach der Bundestagswahl durchgesetzt werden sollen. Die Schuldenbremse, die die Neuverschuldung strikt begrenzt, wird alle Länder der Eurozone in die gleiche Richtung drängen.

Außerhalb der Eurozone hat der britische Premierminister Cameron klargemacht, dass die Regierung in Westminster ihr Programm der "schmerzhaften Fiskalpolitik" mindestens bis 2018 fortsetzen will. Eine wichtige Kürzung, die die konservativ-liberaldemokratische Regierung für dieses Jahr plant, ist eine Obergrenze für Sozialleistungen. Sie wird eine massive Kürzung der Einkommen der ärmsten Schichten der Gesellschaft bedeuten.

Alle diese Angriffe in Europa sind möglich, weil die Gewerkschaften mitspielen. Sie unterstützen die Bestrebungen der europäischen herrschenden Klasse, die Löhne und Bedingungen der Arbeiter einzudampfen, um die Ausbeutung der Arbeit auf chinesisches Niveau zu bringen.

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Quelle:
World Socialist Web Site, 10.01.2013
Sparpolitik treibt Arbeitslosigkeit in Europa auf Rekordniveau
http://www.wsws.org/de/articles/2013/jan2013/arbl-j10.shtml
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veröffentlicht im Schattenblick zum 11. Januar 2013