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GLEICHHEIT/4542: Neue Zusammenstöße zwischen Indien und Pakistan in Kaschmir


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Herausgegeben vom Internationalen Komitee der Vierten Internationale

Neue Zusammenstöße zwischen Indien und Pakistan in Kaschmir

Von K. Ratnayake
11. Januar 2013



Am Dienstag warf Indien dem pakistanischen Militär vor, an der Demarkationslinie (Line of Control, LoC) zwischen den beiden Ländern im umstrittenen Norden Kaschmirs zwei indische Soldaten getötet zu haben. Indien behauptet, der Angriff habe sich im Sektor Mendhar in Poonch, 220 Kilometer westlich der Stadt Jammu ereignet.

Das ist bereits die zweite Meldung innerhalb von zwei Tagen über Gefechte in Kaschmir zwischen Indien und Pakistan. Am Sonntag warf Pakistan dem indischen Militär vor, einen Vorposten im Distrikt Bagh im pakistanischen Teil Azad Kaschmir überfallen zu haben. Das pakistanische Militär behauptete, es habe einen toten und einen verwundeten Soldaten gegeben. Indien leugnete, die LoC überquert zu haben, erklärte jedoch, es habe sich um eine Vergeltungsaktion für einen Artillerieangriff der pakistanischen Seite gehandelt.

Der Sprecher des indischen Militärs Rajesh Kaila erklärte zu dem Gefecht am Dienstag: "Es gab ein Feuergefecht mit pakistanischen Truppen. Wir haben zwei Soldaten verloren, einer der Toten wurde schwer verstümmelt. Die Eindringlinge waren reguläre [pakistanische] Soldaten, sie waren 400 bis 500 Meter auf unser Territorium vorgedrungen. Kaila erklärte, das "Eindringen" sei eine "schwere Eskalation" gewesen. Pakistanische Truppen hätten dichten Nebel ausgenutzt.

Der indische Außenminister Salman Kurshid verurteilte in einer Fernsehansprache die "Schändung" der Leiche des toten Soldaten als einen "grauenhaften, völlig inakzeptablen Akt." Er erklärte, er werde mit dem Verteidigungsministerium "nach sorgfältiger Erwägung aller Details" über eine angemessene Reaktion diskutieren.

Auch der indische Verteidigungsminister A.K. Anthony erklärte, die Ermordung der beiden Soldaten durch pakistanische Truppen sei "eine schwere Provokation". Er fügte hinzu: "Die Art, wie die Leichen der indischen Soldaten behandelt wurden, ist unmenschlich." Er behauptete, es gäbe deutliche Hinweise darauf, dass pakistanische Truppen daran beteiligt waren. Er verabschiedete sich früher als geplant von einem Treffen in Kolkata und kehrte nach Neu-Delhi zurück.

Der indische Staatssekretär im Außenministerium Ranjan Mathai berief den pakistanischen Hochkommissar Salman Bashir ein, um "scharf zu protestieren" und eine Untersuchung zu fordern.

Das pakistanische Militär dementierte jedoch alle Behauptungen Indiens. In seiner Stellungnahme hieß es: "Das wirkt wie Propaganda, mit der Indien die Aufmerksamkeit der Weltöffentlichkeit von dem Überfall indischer Truppen auf einen unserer Posten am Sonntag ablenken wollte, bei dem einer unserer Soldaten getötet wurde." In einem Telefongespräch zwischen führenden Militärs beider Seiten behauptete Pakistan, die Angelegenheit untersucht zu haben, und keine Hinweise auf einen Wahrheitsgehalt der indischen Beschuldigungen gefunden zu haben.

Da sich die beiden Länder gegenseitig Vorwürfe machen, lassen sich die Ereignisse schwer unabhängig klären. In den 55 Jahren seit der Teilung des indischen Subkontinents zwischen dem hinduistischen Indien und dem muslimischen Pakistan gab es immer wieder Grenzzwischenfälle. Es werden jedoch nur selten Soldaten getötet und es kommt auch kaum zur Verletzung des anderen Staatsgebiets.

Kurshid verurteilte den Angriff und erklärte: "Das [Gefecht vom Dienstag] ist eindeutig ein Versuch, den Dialog [zwischen den beiden Ländern] zum Scheitern zu bringen. Wir müssen Mittel finden, den Dialog nicht zu sabotieren oder zu zerstören."

Damit meinte er den brüchigen "Verständigungsdialog" zwischen den beiden Ländern, der im letzten Februar wieder aufgenommen worden war. Diese Gespräche begannen im Jahr 2003. Davor standen die beiden Länder mehr als ein Jahr lang kurz vor einem Krieg, nachdem im Jahr 2002 ein Terroranschlag auf das indische Parlament verübt worden war. Die Gespräche wurden im Jahr 2008 nach einem Terroranschlag in Mumbai eingefroren.

In den letzten Jahren und vor allem seit der Wiederaufnahme der Verhandlungen behaupteten Islamabad und Neu-Delhi, es gäbe Fortschritte in Gesprächen über Handel, Wirtschaftsbeziehungen und vertrauensbildende Maßnahmen im Bereich der atomaren Aufrüstung. Bisher ist jedoch noch kein vorzeigbares Ergebnis zustande gekommen.

Diese Gefechte haben ihren Ursprung in der Rivalität, die zwischen den beiden Ländern seit der kommunalistischen Teilung des indischen Subkontinents in ein hinduistisches Indien und ein muslimisches Pakistan besteht. Die gefährlichen kommunalistischen Spannungen werden seither benutzt, um die Bevölkerung von ihrer Wut auf die kapitalistische Herrschaft abzulenken.

Als Reaktion auf den angeblichen Zusammenstoß am Dienstag forderte der Parteichef der hinduistisch-chauvinistischen Bharatiya Janata Party (BJP), Arun Jaitley, dass Indien im Streit mit Pakistan klare Linien ziehen müsse. Er fügte hinzu: "Die brutale Art, wie die pakistanische Armee zwei indische Soldaten getötet hat, muss Indien eine Warnung sein."

Kaschmir ist ein Brandherd zwischen beiden Ländern. Nachdem Kaschmir im Krieg von 1947 in zwei Staaten geteilt wurde, haben Indien und Pakistan zwei weitere Kriege geführt, einen im Jahr 1965 um Kaschmir, den anderen 1971 um Ost-Pakistan, das spätere Bangladesch.

Die BBC meldete, dass indische Fernsehsender und Presseorgane den Vorfall vom Dienstag mehrfach mit den Ereignissen von Kargil verglichen hätten. Das ist ein wichtiger Vergleich. Im Jahr 1999 nutzten Truppen des pakistanischen Militärs und Sezessionisten aus Kaschmir das schwere Winterwetter aus, um in die Kargil-Höhen einzudringen und überraschten so das indische Militär. Zwischen den Armeen Pakistans und Indiens brachen Kämpfe aus und die beiden Länder gerieten erneut an den Rand eines Krieges.

Das pakistanische Militär unternahm dieses Abenteuer ohne das Wissen das damaligen Premierministers Nawaz Sharif in Islamabad. Da Washington damals unter Präsident Bill Clinton jedoch seine Politik gegenüber Asien und vor allem Indien änderte, drängte es Pakistan dazu, seine Truppen von den Kargil-Höhen zurückzuziehen, obwohl das pakistanische Militär darüber sehr verärgert war.

Da Kaschmir auch an China und Afghanistan angrenzt, ist es ein geopolitisch sehr wichtiges Gebiet. Die amerikanische "Schwerpunktverlagerung" auf Asien und seine militärische Aufrüstung in der indisch-pazifischen Region zielen darauf ab, China einzukreisen, und haben die Spannungen in der Region verschärft. Die USA versuchen, ihre strategische Partnerschaft mit Indien zu stärken und benutzen Pakistan für ihren Krieg in Afghanistan, mit dem sie ihre Präsenz in Zentralasien verstärken wollen.

Die Gefechte zeigen, wie explosiv die Lage in der Region ist. Ein Konflikt wäre nicht nur auf Südasien beschränkt, sondern alle Großmächte der Region könnten miteinbezogen werden, was auch internationale Folgen hätte.

Die USA veröffentlichten sofort eine Stellungnahme zu den jüngsten Gefechten in Kaschmir. Der Pressesekretär des Pentagons George Little erklärte vor der Presse, die USA hofften, dass "unsere Partner in Pakistan und Indien in der Region Frieden und Stabilität wahren können." Er fügte hinzu, Washington strebe einen gemeinsamen Kampf gegen Terroristen an.

Zuvor hatte die Sprecherin des Außenministeriums Victoria Nuland beide Seiten dazu gedrängt, "Schritte zu unternehmen, die Feuergefechte zu beenden und an der Demarkationslinie wieder normale Handelsbeziehungen und den Reiseverkehr aufzunehmen.

Die sogenannte Partnerschaft gegen den Terrorismus ist nichts anderes als eine militärische und politische Intervention Washingtons, um seine Interessen durchzusetzen. Sie hat die Region, und auch Südasien destabilisiert und dabei nicht "Frieden und Stabilität" hervorgebracht, sondern verheerende Konflikte.

Im Hintergrund gibt es noch andere Entwicklungen. Die indische Presse meldet regelmäßig, dass chinesisches Militär im pakistanischen Teil Kaschmirs anwesend sein soll. Ein führender General des nördlichen indischen Befehlsabschnitts erklärte, das chinesische Militär baue in diesem Gebiet Infrastruktur auf. Daraus entstehen Befürchtungen darüber, was passieren könnte, wenn es zwischen Indien und Pakistan zu einem Krieg kommt.

China leugnete, eine Militärpräsenz im pakistanisch kontrollierten Teil Kaschmirs zu unterhalten.

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Quelle:
World Socialist Web Site, 11.01.2013
Neue Zusammenstöße zwischen Indien und Pakistan in Kaschmir
http://www.wsws.org/de/articles/2013/jan2013/indi-j11.shtml
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veröffentlicht im Schattenblick zum 12. Januar 2013