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GLEICHHEIT/4724: NSA-Informant geht an die Öffentlichkeit


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Herausgegeben vom Internationalen Komitee der Vierten Internationale

NSA-Informant geht an die Öffentlichkeit und entlarvt "Unterdrückungsarchitektur" der US-Regierung

Von Thomas Gaist
12. Juni 2013



Der ehemalige CIA-Angestellte Edward Joseph Snowden enthüllte am Sonntag, dass er die jüngsten Informationen preisgegeben habe, die an den Guardian und die Washington Post gelangten. Die Informationen legten offen, dass die National Security Agency (NSA) unter der Obama-Regierung systematische Polizeistaatsüberwachung betreibt.

Der 29 Jahre alte Snowden hat als Undercover Geheimdienstagent gearbeitet. Er bezeichnete das ungeheure Überwachungsprogramm als eine "Architektur der Unterdrückung", die praktisch unbegrenzte Ziele verfolgt: "Es ist darauf erpicht, sich Kenntnisse über jede Unterhaltung und jede Art von Verhalten auf der Welt zu verschaffen ".

Snowden hat ein Spionageprogramm der Regierung ans Licht gebracht, dass die Speicherung von detaillierten Telefondaten von fast jedem Bürger der Vereinigten Staaten beinhaltet sowie ein Programm für Internetspionage, dass den ganzen Globus umspannt und auf enger Zusammenarbeit mit wichtigen Technologiefirmen wie Microsoft und Google basiert.

Den von Snowden bekanntgemachten Daten zufolge spioniert die NSA nicht nur die Daten von Millionen US-Bürgern Tag für Tag aus, sondern auch vom Rest der Welt. Mit dem Programm mit der Bezeichnung "Boundless Informant" (Grenzenloser Informant) sammelt die NSA innerhalb von nur einem Monat nicht weniger als drei Milliarden Metadaten von Personen und Unternehmen in Europa. Alle europäischen Staaten wurden überwacht, aber aus einer farblich gestalteten Grafik ergibt sich, dass die größte Volkswirtschaft des Kontinents, Deutschland, von dem amerikanischen Programm am intensivsten überwacht wird.

Das amerikanische Spionageprogramm hat enorme internationale Bedeutung. In einem Kommentar zu den Enthüllungen äußerte sich die britische Financial Times besorgt über die Folgen der amerikanischen Spionage für Diplomatie und das Wirtschaft, während der Observer sich über die Heuchelei Obamas empörte, der kürzlich Überwachungsaktionen der chinesischen Regierung scharf kritisierte.

In einem Interview mit Glenn Greenwald vom Guardian erläuterte Snowden im Detail die ungeheuren Spionagefähigkeiten der amerikanischen Dienste: "Die NSA hat eine Infrastruktur aufgebaut, die es ihr erlaubt, praktisch alles abzufangen. Mit diesen Fähigkeiten wird der größte Teil der gesamten Kommunikation auf dem Erdball aufgezeichnet, ohne dass ein konkreter Anlass dafür vorliegt."

"Die NSA zielt ausdrücklich auf die Kommunikation von jedermann ab... Ich hatte von meinem Schreibtisch aus ganz sicher die Vollmacht, jeden abzuhören, von dir selbst oder deinem Buchhalter bis hin zu einem Bundesrichter oder selbst dem Präsidenten, wenn ich eine persönliche Email-Adresse hatte."

"Ich möchte nicht in einer Gesellschaft leben, in der so etwas möglich ist", sagte Snowden dem Guardian. "Ich möchte nicht in einer Welt leben, in der alles, was ich sage und tue, aufgenommen wird. Ich bin ich nicht bereit, das zu unterstützen. Unter solchen Bedingungen will ich nicht leben".

Snowden arbeitete zuletzt für Booz Allen Hamilton, einem Rüstungslieferanten in Hawaii, hat sich aber inzwischen nach Hongkong geflüchtet. Zu seiner Motivation für die Enthüllung des unter der Obama-Regierung praktizierten Data Mining fügte Snowden hinzu: "Jetzt verstehen die Menschen überall, wie schlimm die Dinge schon stehen - und es wird schon allenthalben darüber gesprochen."

Snowden wies die Behauptung zurück, es werde vorwiegend im Ausland spioniert: "Die NSA lügt regelmäßig bei ihren Angaben vor Kongressausschüssen über den Umfang ihrer Überwachungsaktivitäten in Amerika... Wir sammeln mehr elektronische Kommunikationsdaten von Amerikanern, als von Russen."

"Wir hacken jeden überall", fügte er hinzu.

Auf die Frage nach effektiven Gegenmaßnahmen gegen die Überwachung antwortete Snowden: "Sie haben keine Ahnung, was alles möglich ist. Ihre Fähigkeiten sind beängstigend. Wir können Spionageprogramme in Computer einbauen. Sobald Sie sich ins Netz einwählen, kann ich Ihren Computer identifizieren. Sie werden niemals sicher sein, egal welche Schutzmechanismen Sie ergreifen."

Snowden meinte, ihm gehe es darum, die Öffentlichkeit vor der enormen Ausdehnung der Macht des Staates zu schützen. "Unserer Regierung zu erlauben, ihrer Bevölkerung mit Vergeltung zu drohen, wenn sie ihr Fehlverhalten bekannt macht, läuft dem Interesse der Öffentlichkeit zuwider", sagte er. "Es ist wichtig der Regierung zu signalisieren, dass wir uns nicht einschüchtern lassen."

Snowden erklärte, das er "ein sehr komfortables Leben geführt habe", aber "bereit sei, das zu opfern, weil er der Regierung nicht mit gutem Gewissen erlauben könne, die Privatsphäre, die Freiheit des Internets und grundlegende Freiheiten der Menschen in aller Welt durch eine massive Überwachungsmaschinerie zu zerstören, die sie insgeheim aufgebaut hat."

Snowden machte klar, dass er aufgrund seines Vorgehens um seine Sicherheit fürchte: "Ja, ich könnte von der CIA verschleppt werden. Es kann gut sein, dass sich Leute an meine Fersen heften. Sie arbeiten eng mit mehreren Ländern zusammen. Oder sie könnten die Triaden [Verbrechersyndikate in China] beauftragen. Oder irgendeinen ihrer Agenten oder Zuträger."

Die Befürchtungen Snowdens sind völlig gerechtfertigt, wenn man bedenkt, wie Whistleblower unter der Obama-Regierung verfolgt werden. Das US-Militär geht im Moment gerichtlich gegen Bradley Manning vor, weil er Dokumente an WikiLeaks weitergeleitet hat, die die enorme Kriminalität des US-Militärs im Ausland belegen.

Zu der Äußerung des Journalisten Steve Clemons, er habe Geheimdienstvertreter sagen hören, dass der Reporter und der Informant der Geschichte entführt und zum Verschwinden gebracht werden sollten, sagte Snowden: "Nun, ich bin ein Spion, und so reden sie. Wenn wir im Büro über den Umgang mit Verbrechen debattierten, dann gab es keine Fürsprecher für ein ordentliches Verfahren, sondern für entschiedenes Handeln. Sie sagten, es sei besser, jemanden aus einem Flugzeug zu werfen, als diesen Kerlen auch nur einen Tag lang einen Auftritt im Gericht zu gewähren. Da herrscht allgemein eine autoritäre Denkweise."

Snowden kündigte an, Schutz bei ausländischen Regierungen zu suchen: "Ich werde bei allen Regierungen um Asyl nachsuchen, die an Meinungsfreiheit glauben und gegen die weltweite Verletzung der Privatsphäre sind", sagte Snowden der Washington Post.

Vertreter der Obama-Regierung haben bereits gedroht, den Informanten zu verhaften und vor Gericht zu zerren, der die Inlandsspionage öffentlich gemacht hat. Der nationale Geheimdienstdirektor, James Clapper, sagte auf NBC: "Das ist jemand, der aus irgendwelchen Gründen das heilige Vertrauen dieses Landes missbraucht hat... Ich hoffe wir werden seiner habhaft werden."

Obama wischte jüngst in einer Rede die Medienberichterstattung über die Überwachungsprogramme als "Hype" beiseite. Er erklärte, das systematische Ausspionieren von Telefondaten und der Internetnutzung sei nicht mehr als eine "maßvolle Beeinträchtigung" von Verfassungsrechten.

Snowden sagte, er habe "beobachtet, wie Obama genau die Politik weiter vorangetrieben hat, von der ich eigentlich erwartet hatte, dass sie [nach dem Ende der Bush-Regierung] zurückdrängt werde". "Das machte mich noch entschlossener."

"Sie bedrohen den Kern der Demokratie", sagte Snowden

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Quelle:
World Socialist Web Site, 12.06.2013
NSA-Informant geht an die Öffentlichkeit und entlarvt "Unterdrückungsarchitektur" der US-Regierung
http://www.wsws.org/de/articles/2013/06/12/nsa-j12.html
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veröffentlicht im Schattenblick zum 13. Juni 2013