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GLEICHHEIT/4775: Viele Tote und Verletzte bei Unterdrückung durch ägyptische Junta


World Socialist Web Site
Herausgegeben vom Internationalen Komitee der Vierten Internationale

Viele Tote und Verletzte bei Unterdrückung durch ägyptische Junta

Von Alex Lantier
30. Juli 2013



Die Zahl der Todesopfer bei der Unterdrückung der Anhänger des abgesetzten islamistischen Präsidenten Ägyptens, Mohammed Mursi, durch die Armee hat am Wochenende dramatisch zugenommen. Washington hat seine Zustimmung zu der blutigen Unterdrückung signalisiert.

Schwer bewaffnete Einheiten der Sicherheitskräfte haben am Samstag im Zusammenspiel mit Junta-freundlichen Schlägern versucht, Sit-Ins von Anhängern der Muslimbrüder (MB) aufzulösen. Einige dieser Sit-Ins dauern schon seit kurz nach dem Putsch vom 3. Juli an, durch den Mursi gestürzt worden war. YouTube Videos von Aktionen der Sicherheitskräfte zeigen Bereitschaftspolizei und Scharfschützen, die mit Gewehren auf Demonstranten schießen, die hinter Bäumen und Betonbarrieren Schutz suchen

Vertreter des Gesundheitsministeriums bezifferten die Zahl der Todesopfer der Polizeiaktionen vom Wochenende mit achtzig, bei landesweit 792 Verletzten. Das Gesundheitsministerium zählt allerdings nur Opfer, die in staatliche Krankenhäuser und Leichenhallen eingeliefert werden. Viele Verwundete und Ermordete werden aber nur in spontan errichteten Feldlazaretten und Leichenhallen in der Nähe der Protestaktionen der Islamisten aufgenommen. Vertreter der MB schätzen die Zahl der Todesoper auf 200 bei ca. 5.000 verletzten Demonstranten.

Der Chirurg Ismail Hasheesh, der freiwillig in einem Feldlazarett bei einem Proteststandort in Kairo half, sagte zu Al-Ahram: "Überall in dem Hospital lagen Leichen. Fast alle Fälle, die bei uns eingeliefert wurden, befanden sich in kritischem Zustand. Einige waren schon tot, andere lagen in den letzten Zügen."

Der Verantwortliche für medizinischen Nachschub in einem anderen Kairoer Feldlazarett, Dr. Mohammed Lofty, sagte: "Die Verwundungen waren sehr präzise zugefügt, was darauf schließen lässt, dass sie von Scharfschützen stammten. Es gab Einschusslöcher genau zwischen den Augen oder direkt im Hinterkopf. Die Schüsse waren nicht abgegeben worden, um zu verletzen, sondern um zu töten."

Ärzte berichteten, dass Scharfschützen der Polizei auch Sanitäter ins Visier nahmen, die Verletzte aus der Kampfzone zu evakuieren versuchten. "Niemand sollte sehen müssen, was wir heute gesehen haben. Es war wie in einer Kriegszone. Die ganze Gegend war so voll mit Leichen, dass wir uns nicht richtig bewegen konnten", sagte Dr. Amr Gamal.

Die Junta kündigte am Sonntag an, dass sie eine Verschärfung der Unterdrückung vorbereite. Sie werde der Armee die Vollmacht erteilen, Zivilisten festzunehmen. Anonyme Staatsvertreter sagten Al-Ahram, das "könne das Vorspiel zu einer umfassenden Unterdrückung der Anhänger Mohammed Mursis sein".

Das Massaker in Ägypten findet mit Unterstützung der Obama-Regierung statt, die am Freitag signalisierte, sie heiße die Unterdrückung gut. Die Sprecherin der US-Außenministeriums Jen Psaki gab bekannt, dass Washington weiter darauf verzichte, den Begriff Putsch für die Machtergreifung des Militärs und die Verhängung des Kriegsrechts zu benutzen. Durch diesen terminologischen Trick vermeidet die Obama-Regierung, entsprechend amerikanischem Recht Hilfe an Regimes zu stoppen, die durch einen Militärputsch an die Macht gekommen sind. Dadurch kann sie die Militärhilfe an die ägyptische Armee in Höhe von 1,3 Mrd. Dollar im Jahr weiter auszahlen.

"Unsere nationalen Sicherheitsinteressen beeinflussen unsere Haltung zur Ägypten-Hilfe", erklärte Psaki. "Die Weiterführung der Hilfe an Ägypten entsprechend unseren Gesetzen ist wichtig für unser Ziel, einen verantwortungsvollen Übergang zu einer demokratischen Regierung zu fördern und steht in Übereinstimmung mit unseren nationalen Sicherheitsinteressen. Ägypten ist eine tragende Säule der regionalen Friedens- und Sicherheitsarchitektur. Die Vereinigten Staaten haben ein nationales Sicherheitsinteresse an einem stabilen und erfolgreichen demokratischen Übergang in Ägypten."

Psaki machte mit ihrer Erklärung klar, dass die Obama-Regierung die fortgesetzte Unterstützung der ägyptischen Junta als wesentlich für ihre geostrategischen Interessen sieht. Sie gab der Armee damit praktisch grünes Licht für ihre Unterdrückungsaktion.

Das ägyptische Militärregime ist eine entscheidende Stütze für den US-Imperialismus im Nahen Osten. Es unterdrückt nicht nur die Arbeiterklasse und jede politische Opposition im eigenen Land, es hilft auch Israel und den Vereinigten Staaten, die Palästinenser im Gazastreifen zu isolieren, garantiert den USA die volle Nutzung des strategischen Suezkanals und unterstützt die Kriege Washingtons im Nahen Osten.

US-Außenminister John Kerry vergoss in einer Erklärung ein paar Krokodilstränen aus "tiefer Sorge" über die Unterdrückung, die Washington in Wirklichkeit unterstützt.

Kerry forderte "alle ägyptischen Führer auf, vom Abgrund zurückzutreten". Er gibt damit der Präferenz der Obama-Regierung Ausdruck, die Proteste zu einem Ende zu bringen und die MB in den Unterstützerkreis der neuen Junta einzubeziehen.

Die außenpolitische Repräsentantin der Europäischen Union, Catherine Ashton, landete Sonntagabend zu Gesprächen in Kairo, die angeblich das gleiche Ziel verfolgen, die MB zu zwingen, ihre Proteste zu beenden und eine Rolle in dem Militärregime zu akzeptieren. Sie wird heute mit hohen ägyptischen Vertretern zusammentreffen.

Die Unterstützung der USA für die Unterdrückung in Ägypten entlarvt die Behauptung, dass sie einen demokratischen Übergang im Nahen Osten anstreben. Ihr Ziel ist es, eine konterrevolutionäre Diktatur in Ägypten zu konsolidieren - entweder durch die Einbeziehung der MB, oder, wenn nötig, durch Massaker an ihren Anhängern. Ein solches Regime würde dann die Opposition der Arbeiterklasse zu zerschlagen versuchen und lebenswichtige Treibstoff- und Lebensmittelsubventionen kürzen und sich voll und ganz hinter die amerikanische Außenpolitik in der Region stellen.

Die Unterstützung der USA für die Unterdrückung in Ägypten zerstört auch die heuchlerischen Vorwände Washingtons und seiner europäischen Verbündeten für ihre imperialistischen Kriege gegen Libyen und Syrien, nachdem der ägyptische Diktator Mubarak 2011 gestürzt worden war. Die Nato-Mächte haben diese Länder angegriffen, weil sie schon seit langem im Visier des außenpolitischen Establishments der USA für einen Regimewechsel waren. Als Vorwand wurde die Behauptung herangezogen, Demonstranten zu schützen und die Demokratie zu fördern.

Washington und seine Verbündeten planen keine Vorschläge für "Flugverbotszonen" oder "humanitäre Interventionen" in Ägypten, obwohl das Militärregime, das sie unterstützen, Massaker an unbewaffneten Demonstranten begeht.

Diese Toten entlarven auch die bürgerlich liberalen und pseudolinken Parteien in Ägypten, die das Tamarod-Bündnis (Rebellen) unterstützen, das an dem Putsch beteiligt war. Zu diesen Organisationen gehören z.B. die Nationale Rettungsfront (NSF) ElBaradeis und die Revolutionären Sozialisten.

Tamarod diente dazu, die Opposition in der Arbeiterklasse und breiter Bevölkerungsschichten gegen Mursi zu kanalisieren. Dieser führte in seiner Amtszeit rechte Politik durch und lehnte sich an den US-Imperialismus an.

ElBaradei, jetzt Vizepräsident des Junta-Regimes, kritisierte zynisch "übermäßige Gewalt" gegen Demonstranten. Der ehemalige Chef der Atomwaffenkontrollbehörde der Vereinten Nationen spielte eine entscheidende Rolle bei den internationalen Verhandlungen zur Organisierung der Unterstützung der Imperialisten für den Putsch am 3. Juli. Nachdem die Regierung, der er angehört, Hunderte abgeschlachtet hat, erklärt ElBaradei jetzt: "Ich arbeite hart mit allen zusammen, um die Konfrontation friedlich zu beenden."

Die NSF hat ihr "tiefstes Bedauern" über die vielen Toten erklärt, fügte aber hinzu, "nicht anders zu können", als die Muslimbrüder für die Schüsse der Armee auf ihre Anhänger verantwortlich zu machen. Sie wirft der Bruderschaft vor, "die Spannungen zu verschärfen und noch mehr unschuldige Opfer zu provozieren".

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Quelle:
World Socialist Web Site, 30.07.2013
Viele Tote und Verletzte bei Unterdrückung durch ägyptische Junta
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veröffentlicht im Schattenblick zum 31. Juli 2013