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GLEICHHEIT/5196: Japans Shinzo Abe verpackt Militarismus vor australischem Parlament in "Friedens"schwüre


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Herausgegeben vom Internationalen Komitee der Vierten Internationale

Japans Shinzo Abe verpackt Militarismus vor australischem Parlament in "Friedens"schwüre

Von Nick Beams
9. Juli 2014



Die gestrige Rede des japanischen Ministerpräsidenten Shinzo Abe vor dem australischen Parlament hat die militaristische Agenda hinter der Entscheidung seiner Regierung unterstrichen, den so genannten Pazifismusparagraphen der japanischen Verfassung neu zu interpretieren. Diese Neuinterpretation soll der Armee des Landes ermöglichen, gemeinsam mit ihren Verbündeten in den Kampf zu ziehen, wenn diese angegriffen würden.

In seiner ersten größeren Rede, seit die Neuinterpretation vor einer Woche bekanntgegeben wurde, verpackte Abe diesen Schritt in die Beschwörung von "Frieden", "Demokratie" und "Rechtsstaatlichkeit". Aber der wesentliche Inhalt war sowohl an Abes konkreten Verpflichtungen erkennbar, die er einging, wie auch an den diversen Code-Wörtern, die er benutzte. Japan wird seine Interessen in der Region und auf der Weltbühne machtvoll vertreten, sowohl gemeinsam mit Australien und den Vereinigten Staaten, wie auch unabhängig.

Er verwies mehrfach auf eine so genannte "neue Sonderbeziehung" zwischen Australien und Japan. Abe erklärte, die beiden Länder würden bei "gemeinsamen Sicherheitsinteressen" so eng zusammenarbeiten wie bei einem "Rugby-Gedränge".

Die Worte wurden mit Taten unterlegt. Neben der Unterzeichnung eines Freihandelsabkommens, dem ersten zwischen Japan und einem fortgeschrittenen kapitalistischen Land, unterzeichneten die beiden Länder auch ein Abkommen für den Austausch von Rüstungsgütern und -technologie. Ein Schlüsselaspekt der militärischen Zusammenarbeit wird der gemeinsame Bau einer U-Bootflotte für die australische Marine sein. Als technische Grundlage wird die dieselgetriebene japanische Soryu Klasse dienen. Das sind die größten und modernsten konventionellen U-Boote, die es derzeit gibt.

Abe versicherte, die Neuinterpretation der Verfassung durch seine Regierung, gegen die es in Japan breiten Widerstand gibt, sei ein "vorbeugender Beitrag zum Frieden". Tatsächlich aber zielt sie darauf ab, japanische Militäroperationen im ganzen Indischen und Pazifischen Ozean unter dem Vorwand der gegen China gerichteten "Pivot to Asia" Strategie der Obama-Regierung zu rechtfertigen.

"Wir wollen Japan zu einem Land machen, das sich für eine internationale Ordnung einsetzt, die dem Gesetz gehorcht", erklärte Abe. "Wir wollen, dass die großen Meere vom Pazifischen bis zum Indischen Ozean und die Himmel über ihnen, offen und frei sind."

Abes Äußerungen käuen die Euphemismen wieder, mit denen Washington seine militärische Aufrüstung in Asien gegen China rechtfertigt. Angeblich sind die territorialen Ansprüche Pekings im Ostchinesischen Meer eine Bedrohung für die "Freiheit der Meere" und für die "Herrschaft des Rechts".

Zur Begründung für die Neuinterpretation der Verfassung sagte Abe, Japan sei lange "mit sich selbst beschäftigt" gewesen, sei aber jetzt entschlossen, eine aktivere Rolle im Kampf für den Frieden zu spielen. Die Beziehung zu Australien werde auch bedeuten, dass die beiden Länder "Hand in Hand mit den Vereinigten Staaten gehen werden, einem Verbündeten unserer beiden Länder."

Abe lobte den Handelsvertrag zwischen Japan und Australien, den er nach seiner Rede vor dem Parlament mit dem australischen Ministerpräsidenten Tony Abbott unterzeichnete. Er sagte, er sei ein Schritt zur Trans Pacific Partnership (TPP), die die Vereinigten Staaten als einen integralen wirtschaftlichen Bestandteil des "Pivot" sehen

Abgesehen von diesen beiden Bezugnahmen erwähnte Abe die Vereinigten Staaten in seiner Rede nicht weiter. Japan bewegt sich zum gegenwärtigen Zeitpunkt zwar im Rahmen des Pivot, aber Abes Rede war ein Signal, dass Japan vor allem seine eigenen wirtschaftlichen und strategischen Interessen verfolgt.

Ein weiterer bedeutsamer Aspekt von Abes Rede war die Beziehung zwischen Militarismus nach außen und den Angriffen auf die Arbeiterklasse an der Heimatfront.

Trotz seiner Probleme, diese wichtige Rede in Englisch zu halten, wurde Abe ausgesprochen lebhaft, als er auf seine innenpolitische Wirtschaftsagenda zu sprechen kam. Er nannte sich einen "Bohrer", der "Sonderinteressen" aufbrechen werde. Der "dritte Pfeil" seiner so genannten "Abenomics" zielt darauf ab, die Regulierungen für ganze Wirtschaftszweige aufzuheben und die Möglichkeit zu schaffen, die Bedingungen der Arbeiter anzugreifen.

Zur Begrüßung Abes erklärte Abbott, dass die Handelsbeziehungen zwischen den beiden Ländern zum wirtschaftlichen Wohlstand beigetragen hätten. Aber seine Rede hatte vor allem einen deutlichen militaristischen Einschlag. Er erinnerte daran, dass vor einhundert Jahren ein japanisches Kriegsschiff zu der Marineeskorte gehört hatte, die nach dem Ausbruch des Ersten Weltkriegs australische Truppen in den Nahen Osten transportierten.

Abbott verwies auf den "seltenen Mut", den es braucht, um festgefahrene Ideen aufzubrechen - ein deutlicher Verweis auf die Neuinterpretation der japanischen Verfassung. Er begrüßte die Entscheidung Japans, ein "kraftvollerer strategischer Partner in unserer Region zu werden".

Abbott unterstrich die Unterstützung seiner Regierung für Washingtons "Pivot" und sagte, die ungeheure ökonomische Verwandlung Asiens in den letzten fünfzig Jahren stütze sich auf die Rolle der Vereinigten Staaten als Garant für "Frieden und Stabilität" in der Region.

Diese erste größere Rede Abes seit der Neuinterpretation der Verfassung gab ihm die Gelegenheit, Befürchtungen in China zu beschwichtigen, dass die Entscheidung das Wiederaufleben des japanischen Militarismus signalisiere. Er entschied sich, diese Gelegenheit nicht zu nutzen.

Abbott entbot den Chinesen in seinen Begrüßungsworten für Abe zumindest einen symbolischen diplomatischen Olivenzweig, als er sagte, dass Australiens Partnerschaft mit Japan sich gegen niemanden richte. Abe sagte nichts dergleichen.

Das Schweigen zu China spricht Bände. Der Territorialstreit zwischen Japan und China um die Senkaku/Diaoyu-Inseln, eine Gruppe von unbewohnten Felsen im Ostchinesischen Meer, hat im vergangenen Jahr schon mehrfach gedroht, sich zu einem offenen militärischen Zusammenstoß auszuweiten. Japanische und chinesische Kriegsschiffe und Kampfflugzeuge standen kurz davor, aufeinanderzutreffen.

Das risikoreiche Verhalten gegenüber China entlarvt Abes Friedensschwüre zu Beginn seiner Ansprache als hohles Gerede. Unmissverständlich auf den Zweiten Weltkrieg bezugnehmend erklärte er, es werde keine Wiederholung der Dummheiten des letzten Jahrhunderts geben. In Wirklichkeit aber steht Japan mitten im Zentrum der Krisenpunkte Asiens, die einen weiteren katastrophalen Krieg entfesseln könnten.

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Quelle:
World Socialist Web Site, 09.07.2014
Japans Shinzo Abe verpackt Militarismus vor australischem Parlament in "Friedens"schwüre
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veröffentlicht im Schattenblick zum 10. Juli 2014