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GLEICHHEIT/5474: Bundesregierung plant neue "Anti-Terror-Einheit"


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Herausgegeben vom Internationalen Komitee der Vierten Internationale

Bundesregierung plant neue "Anti-Terror-Einheit"

Von Johannes Stern
21. März 2015


Medienberichten zufolge wird die Bundespolizei zusätzlich zur Antiterroreinheit GSG 9 eine weitere schwer bewaffnete Spezialeinheit erhalten. Entsprechende "Überlegungen" wurden von einer Sprecherin des Bundesinnenministeriums bestätigt.

Die neue Einheit, intern scherzhaft "GSG 4 ½" genannt, soll laut Informationen des Spiegel nach und nach auf mehrere Hundertschaften ausgebaut werden, deren Ausrüstung eher der einer Armee entspricht als der von Polizeikräften. Neben Kurz- und Langwaffen (Pistolen, Maschinenpistolen und schweren Maschinengewehren) soll die Truppe auch gepanzerte Fahrzeuge erhalten und mit schusssicheren Helmen und Schutzwesten ausgestattet werden, die selbst einem Beschuss aus Sturmgewehren wie der Kalaschnikow standhalten. Im Unterschied zur bereits 1972 gegründeten GSG 9 könne die neue Truppe auch für "normale Polizeidienste" herangezogen werden.

Die Schaffung einer de facto paramilitärischen Polizeitruppe in Deutschland ist Bestandteil einer massiven inneren und äußeren Aufrüstung. Am Mittwoch beschloss das Bundeskabinett neben der Erhöhung des Wehretats um acht Milliarden Euro auch den Ausbau des Sicherheitsapparats [1]. Der Haushalt des Innenministeriums wird im nächsten Jahr um 6,7 Prozent auf 6,6 Milliarden Euro steigen, und die Polizei, das Bundeskriminalamt und der Verfassungsschutz sollen bis 2019 insgesamt 750 Stellen und 328 Millionen Euro zusätzlich erhalten. Davon werden über 200 Millionen Euro direkt in die Ausstattung des Verfassungsschutzes und der Polizei fließen.

Der offizielle Vorwand für die Aufstellung der Spezialeinheit ist der "Kampf gegen den Terrorismus". So soll die Truppe "auf Anschläge in Deutschland schnell und flexibel reagieren können" und "sich gezielt auf terrorbedingte Ausnahmesituationen vorbereiten, wie sie Anfang des Jahres in Paris und Kopenhagen herrschten". (Spiegel Online)

Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) sagte im Bayerischen Rundfunk: "Aufgrund der Erkenntnisse zu den schrecklichen Terroranschlägen in Paris sehen wir uns herausgefordert, dass wir die Polizei in Deutschland noch besser aufstellen müssen." Die Polizei sei "nicht perfekt ausgestattet", wenn jemand mit schweren Waffen unterwegs sei.

Der Innenexperte der CDU, Armin Schuster, erklärte, dass es zwischen der hoch spezialisierten Elitetruppe GSG 9 und der Schutzpolizei "eine robuste Einheit" brauche, "die eine solche Lage bewältigen kann". Er halte es "für die Pflicht des Bundes, den Ländern im Bedarfsfall solche Einheiten zur Verfügung stellen zu können". Laut Schuster soll bis "zum Jahresende der erste volleinsetzbare Teilverband der neuen Anti-Terror-Einheit der Bundespolizei stehen". Damit sei "dann eine erste Einsatz-Hundertschaft von hochqualifizierten und bestens ausgerüsteten Polizeikräften für Terrorlagen im ganzen Land verfügbar".

In Wirklichkeit dienen islamistische Terroristen lediglich als Vorwand für den Aufbau landesweit operierender Einheiten. Die Attentäter der Anschläge in Paris [2] und Kopenhagen [3], die nun als Rechtfertigung für die staatliche Aufrüstung bemüht werden, waren in beiden Fällen den Geheimdiensten bekannt. Vor dem Hintergrund wachsender sozialer Ungleichheit im Innern und der Militarisierung der deutschen Außenpolitik bereitet sich die herrschende Klasse vielmehr darauf vor, die wachsende Opposition in der Bevölkerung zu unterdrücken.

Die geplante Anti-Terror-Einheit ist Bestandteil der Umwandlung der Bundespolizei in eine paramilitärische Polizeieinheit, wie sie in anderen europäischen Staaten mit den Compagnies Républicaines de Sécurité (CRS) und der Gendarmerie Mobile in Frankreich, den italienischen Carabinieri oder der spanischen Guardia civil existiert. Diese kasernierten Kräfte unterstehen den Verteidigungs- und Innenministerien der jeweiligen Länder und sind de facto militärische Einheiten, die Polizeiaufgaben im Innern übernehmen. In Deutschland ist die Trennung von Polizei und Militär im Grundgesetz festgeschrieben, in der Praxis aber bereits weitgehend aufgeweicht worden.

Die Bundespolizei, die 2005 aus dem Bundesgrenzschutz hervorging, trainiert seit mehreren Jahren mit paramilitärischen Einheiten anderer Europäischer Länder für den Häuserkampf und andere Bürgerkriegsszenarien. U.a. fanden 2010 Manöver von 26 europäischen Polizeien auf dem Truppenübungsplatz im brandenburgischen Lehnin statt, an denen auch Kräfte der 2006 gegründeten Europäischen Gendarmerietruppe (EGF) teilnahmen.

Die Truppe, die aus acht europäischen Gendarmerien besteht und ihren Sitz im italienischen Vicenza hat, ist vielseitig einsetzbar und kann unter EU-, UNO-, OSZE- oder NATO-Kommando gestellt werden. Laut Wikipedia fallen unter die Aufgaben der EGF "der Schutz von Besitztümern und Menschen sowie die Aufrechterhaltung der Ordnung im Falle einer 'öffentlichen Störung'." Bislang kam die EGF in Bosnien und Herzegowina, Afghanistan und Haiti zum Einsatz.

Auch für die deutsche Polizei blieb es nicht bei Übungen. In den letzten 25 Jahren waren Polizisten fester Bestandteil deutscher imperialistischer Interventionen in anderen Ländern. Seit dem ersten Auslandseinsatz der Polizei in Namibia von 1989 bis 1994 waren rund 9000 deutsche Polizisten Teil von insgesamt 28 Missionen. Gegenwärtig sind 338 deutsche Polizisten unter dem Mandat der Vereinten Nationen oder der EU in Afghanistan, Bosnien-Herzegowina, Mazedonien, dem Kosovo, Georgien, Liberia und im Sudan im Einsatz.

Die deutschen Polizisten bringen dabei ihren "Kollegen" im Ausland bei, was sie auch "zu Hause" vorbereiten. In den letzten Jahre hat die deutsche Polizei wiederholt Spezialeinheiten repressiver Regimes trainiert und ausgerüstet, darunter Mitglieder der inzwischen aufgelösten berüchtigten ukrainischen Spezialeinheit "Berkut" und Sicherheitskräfte in Weißrussland.

Am deutlichsten wird die Militarisierung der Polizei vielleicht in Saudi-Arabien, wo Beamte der Bundespolizei seit 2009 saudische Grenzschützer auch in der Bedienung von schwerem Militärgerät schulen, das vom deutsch-französischen Rüstungskonzern EADS stammt. Ulrich Wegener, der 1972 nach dem Olympiaattentat von München im Auftrag des damaligen Innenministers Hans-Dietrich Genscher die GSG 9 gegründet hatte, baute nach seiner Pensionierung Sondereinheiten für das diktatorische Saudi-Regime auf.

Die Gründung einer bis an die Zähne bewaffneten Anti-Terror-Einheit der Bundespolizei ist eine Warnung an die arbeitende Bevölkerung in Deutschland. Damit wird eine ähnliche Entwicklung eingeleitet wie in den USA, wo Spezialeinheiten der Polizei (SWAT-Teams) mit schwerem Militärgerät, das in US-geführten Kriegen zum Einsatz kam, die einheimische Bevölkerung terrorisieren und wie bei den Unruhen in Ferguson [4] im letzten Sommer ganze Städte besetzen.


Anmerkungen:
[1] http://www.wsws.org/de/articles/2015/03/19/bund-m19.html
[2] https://www.wsws.org/de/articles/2015/01/14/hebd-j14.html
[3] https://www.wsws.org/de/articles/2015/02/17/kope-f17.html
[4] https://www.wsws.org/de/articles/2014/08/21/ferg-a21.html

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Quelle:
World Socialist Web Site, 21.03.2015
Bundesregierung plant neue "Anti-Terror-Einheit"
http://www.wsws.org/de/articles/2015/03/21/bupo-m21.html
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veröffentlicht im Schattenblick zum 24. März 2015

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