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GLEICHHEIT/5732: Frankreich und USA bombardieren Syrien


World Socialist Web Site
Herausgegeben vom Internationalen Komitee der Vierten Internationale

Frankreich und USA bombardieren Syrien

Von Nick Beams
17. November 2015


Eigentlich hatte der G20-Gipfel vom Sonntag Fragen der Weltwirtschaft zum Thema, aber die in der Türkei versammelten Staats- und Regierungschefs nahmen die Terroranschläge in Paris zum Anlass, eine Art Kriegsrat abzuhalten. Die imperialistischen Großmächte reagieren auf die Anschläge, indem sie ihre Militärintervention in Syrien ausweiten.

Schon am Sonntagabend flogen französische Kampfflugzeuge ihre bisher schwersten Angriffe auf Syrien. Die Jets, die gleichzeitig aus den Vereinigten Arabischen Emiraten und aus Jordanien kamen, warfen zwanzig Bomben auf die syrische Stadt Raqqa ab. Sie sollen eine Kommandozentrale des Islamischen Staates (IS), ein Munitionslager und ein Ausbildungslager getroffen haben. Die Operation war mit US-Einheiten abgestimmt.

Zuvor hatte der stellvertretende nationale Sicherheitsberater Ben Rhodes erklärt, er sei sicher, dass die USA und Frankreich "in den kommenden Tagen und Wochen" ihre "Angriffe gegen den IS verschärfen werden... um klarzumachen, dass es für diese Terroristen keine sichere Zuflucht gibt."

Rhodes erklärte in der NBC-Sendung "Meet the Press", das US-Militär werde sein Engagement ausweiten. "Hier auf dem G20-Gipfel versuchen wir, einige unserer Partner zu größeren Beiträgen zu veranlassen, damit wir diese Aufgabe kraftvoller anpacken können."

Amerikanische Militärführer und Politiker fordern trotz der katastrophalen Konsequenzen eine deutliche Ausweitung des US-Eingreifens.

Senator Ted Cruz aus Texas, ein Republikaner und Präsidentschaftskandidat, behauptete, der IS werde sich "von gezielten Luftschlägen, die Rücksicht auf zivile Opfer nehmen, nicht abschrecken lassen, da den Terroristen unschuldige Todesopfer so wenig bedeuten".

Senatorin Dianne Feinstein aus Kalifornien, Demokratin und Vorsitzende des Geheimdienstausschusses, schloss sich dieser Forderung nach deutlicher Ausweitung der US-Militäraktionen an. Diese Politiker fordern, keine Rücksicht auf die syrische Bevölkerung zu nehmen, die unter dem von den USA angezettelten Bürgerkrieg schon bisher so schwer zu leiden hat.

Feinstein sagte: "Es ist klar geworden, dass begrenzte Luftschläge und Unterstützung für die irakischen Truppen und die syrische Opposition nicht ausreichen, um unser Land und unsere Verbündeten zu schützen."

Der pensionierte Navy-Admiral John Stavridis, der von 2009 bis 2013 Nato-Oberbefehlshaber in Europa war, forderte eine direkte Nato-Intervention in Syrien und dem Irak.

Stavridis erklärte: "Sanfte Macht und langfristiges Handeln sind im Nahen Osten wichtig, aber es gibt auch Situationen, die einen schonungslosen Einsatz harter Macht erfordern. Das ist jetzt der Fall und die Nato sollte militärisch gegen den Islamischen Staat vorgehen."

Am ersten Tag des G20-Gipfels diskutierte US-Präsident Barack Obama 35 Minuten lang mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin. Das Weiße Haus bezeichnete dieses Gespräch als "konstruktiv".

Vor dem Treffen hatten sich die Außenminister der siebzehn Staaten der International Syria Support Group in Wien am Samstag darauf geeinigt, gemeinsam auf einen Waffenstillstand in Syrien hinzuarbeiten. Innerhalb von zwei Jahren soll es dort Wahlen unter der Schirmherrschaft der UN geben. Der Gruppe gehören die fünf ständigen Mitglieder des UN-Sicherheitsrates an, und laut einer Erklärung sollen sie sich in wichtigen Fragen auf ein "gemeinsames Verständnis" geeinigt haben.

Darauf folgte das Gespräch zwischen Obama und Putin beim G20-Gipfel. Es ist Teil des amerikanischen Versuchs, Russlands Unterstützung für das syrische Regime von Präsident Baschar al-Assad zu verringern oder ganz zu stoppen.

Das Abkommen von Wien sieht vor, dass nach einem Waffenstillstand ein Prozess in Gang gesetzt werden soll, der darauf abzielt, eine "umfassende und nichtreligiöse" Regierung zu bilden, eine neue Verfassung zu entwerfen und innerhalb von achtzehn Monaten Wahlen unter Aufsicht der UN abzuhalten.

Nach wie vor ist der wichtigste Streitpunkt die Zukunft von Assad. Putin erklärte vor dem Gipfeltreffen in einem Interview, andere Staaten hätten kein Recht, Assad zum Rücktritt aufzufordern: "Nur wer sich eine Sonderstellung anmaßt [eine kaum verhohlene Anspielung auf die USA] kann es sich erlauben, so zu handeln und anderen seinen Willen aufzuzwingen."

Die USA betreiben seit 2011 eine Kampagne zum Sturz der Assad-Regierung. Es ist Teil ihrer Regimewechsel-Operationen, mit denen sie den Nahen Osten unter ihre Kontrolle bringen wollen. Russland unterstützt Assad, um seine eigenen strategischen Interessen in der Region zu schützen. So besitzt es unter anderem eine Marinebasis in Syrien.

Die USA machen immer wieder deutlich, dass es für sie keine Lösung ohne Assads Sturz geben wird. Obamas nationale Sicherheitsberaterin Susan Rice bekräftigte diese Position nochmals. Sie erklärte, ein "Übergangsregime" müsse an die Macht kommen und es sei "sehr schwer vorstellbar, dass sich das erreichen lässt, solange Assad an der Macht ist".

Diese Äußerung macht deutlich, dass die Militäroffensive zwar unter dem Vorwand eines "Kriegs gegen den IS" stattfindet, aber sich in Wirklichkeit gegen das Assad-Regime richtet, das die USA und Frankreich stürzen wollen.

Auch andere imperialistische Mächte bereiten sich auf eine Intervention vor. Der britische Premierminister David Cameron deutete seine Absicht an, das Parlament erneut zur Bewilligung eines britischen Einsatzes aufzufordern. Im August 2013 hatte sich Großbritannien geweigert, einen Angriff der USA auf Syrien zu unterstützen. Obama musste daraufhin einen Rückzieher machen und akzeptieren, dass sich Russland einmischte und Syrien veranlasste, seine Chemiewaffen zu zerstören.

Cameron erklärte: "Es wird immer klarer, dass unsere Sicherheit davon abhängt, dass wir Isil [den IS] schwächen und schließlich zerstören, egal ob im Irak oder in Syrien."

Nach dem Gespräch mit Obama beim G20-Gipfel erklärte ein Sprecher Putins, es sei noch zu früh, um von einer Annäherung zu sprechen, aber im Grunde bestehe "Einigkeit" im Kampf gegen den Terror.

EU-Ratspräsident Donald Tusk reagierte laut Financial Times mit "kaum verhohlener Verachtung". Er erklärte: "Wir brauchen nicht nur mehr Zusammenarbeit, sondern auch mehr Goodwill auf russischer Seite in Syrien. Russland muss sich mehr auf den Islamischen Staat konzentrieren... und nicht auf die gemäßigte syrische Opposition."

Die "gemäßigte syrische Opposition" ist ein Mythos, den imperialistische Politiker und willfährige Medien in die Welt gesetzt haben. An der Spitze der Kräfte, die gegen Assad kämpfen, stehen Gruppen wie die Al Nusra-Front, ein Ableger von Al Qaida, die auch den IS hervorbrachten. Die "gemäßigte" Opposition ist eine reine Erfindung, das hat sich vor kurzem wieder gezeigt: Wie bekannt wurde, hatten die USA zwar Millionen Dollar für ihre militärische Ausbildung bereitgestellt, konnten aber nur vier oder fünf Personen finden, die in diese Kategorie passten.

Der Terroranschlag in Paris ist eine entsetzliche Folge der amerikanischen Operationen im Nahen Osten. Die Äußerungen der imperialistischen Staats- und Regierungschefs und ihre Diskussionen auf dem G20-Gipfel zeigen, wie rasch sie bereit sind, die Terroranschläge, die aus ihren gestrigen Verbrechen entstehen, zur Rechtfertigung neuer Verbrechen zu nutzen.

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Quelle:
World Socialist Web Site, 17.11.2015
Frankreich und USA bombardieren Syrien
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veröffentlicht im Schattenblick zum 18. November 2015

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